Schwäbische Zeitung (Biberach)
Biberach will verlässliche Perspektiven
Gemeinderat verabschiedet Resolution an die Landesregierung und feilt an Öffnungsstrategie
BIBERACH - Raus●aus der Starre der Schließungen: Die Stadt Biberach stellt einen niedrigen sechsstelligen Betrag zur Verfügung, um das Testen in Biberach so auszudehnen, dass eine Öffnung von Gastronomie, Einzelhandel und auch kulturellen und sozialen Angeboten möglich wird – allerdings erst, wenn Bund oder Land die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen haben. Diesem Antrag der Stadtverwaltung hat der Gemeinderat am Montagabend einstimmig zugestimmt. Unterstrichen wird dieser Wunsch nach Öffnungsperspektiven auch von einer Resolution, die an die Landesregierung gerichtet ist. Dieser wiederum stimmten zwei Ratsfraktionen nicht zu.
„Wir gehen einen Lockdown mit, wenn wir es müssen“, sagte Oberbürgermeister Norbert Zeidler in der Sitzung, „aber wir stellen uns die Frage, ob dieses Auf-Zu-Auf-Zu die einzig richtige Antwort ist.“In diesem Geist habe er vor rund einer Woche, als der Inzidenzwert in Biberach bei 44,7 lag, eine Resolution an die Landeregierung verfasst, die mit allen städtischen Dezernenten (Miller, Kuhlmann, Riedlbauer) abgestimmt sei, so Zeidler.
Um ihre attraktive und lebendige Innenstadt zu erhalten, habe die Stadt auch in den vergangenen Monaten versucht, vieles zu ermöglichen, heißt es darin sinngemäß. Zeidler erwähnte in der Sitzung unter anderem die Filmfestspiele als Live-Veranstaltung oder den kleinen Adventsmarkt. Mit Sorge stelle man fest, dass die derzeitige Corona-Politik von Bund und Land diesen „Biberacher Geist“nicht atme. So seien mögliche Öffnungsschritte an den kreisweiten Inzidenzwert gekoppelt. Für Handel, Gastronomie, Kultur und weitere Branchen biete das nicht die nötige Verlässlichkeit. Die Unterscheidung zwischen „systemrelevantem“und „nicht systemrelevantem“Einzelhandel treibe das Ganze auf eine absurde Spitze, heißt es in der Resolution. Außerdem greife der alleinige Blick auf die kreisweite Inzidenz zu kurz. Es müssten weitere Faktoren miteinbezogen werden, darunter auch die lokalen Testkapazitäten. Die nicht befriedigende Impfkampagne müsse mit aller Kraft vorangetrieben werden.
Handel, Gastronomie und Kulturbetrieb sowie weitere Branchen hätten mit entsprechenden Hygienekonzepten unter Beweis gestellt, dass sie mehr als verantwortlich mit der Situation umgehen. „Ermöglichen wir ihnen also die dauerhafte Wiederaufnahme ihres Betriebes und setzen gleichzeitig auf eine mündige und verantwortungsbewusste Bürgerschaft“, so der Resolutionstext.
„Wir haben jetzt das Instrument der Testung in der Hand, das heißt, wir können den Menschen, wenn sie getestet sind, wieder etwas mehr von ihrem gesellschaftlichen Leben zurückgeben, ihnen Normalität schenken“, sagte Zeidler. „Wir Städte können der Schlüssel hierfür sein.“Der Fokus sei dabei über den Handel hinaus ausdrücklich auf den sozialen Bereich (Jugendhäuser, Seniorenbegegnungen, Sport) auszuweiten. Entsprechende Konzepte seien bereits an anderer Stelle ersonnen und erprobt worden, so der OB, ohne den Namen Tübingen zu nennen. Es brauche jetzt keine weiteren Modellkommunen, sondern verlässliche Regelungen und Perspektiven.
Die Stadt Biberach arbeite seit Wochen sehr intensiv daran, das kommunale Testzentrum auszudehnen, sagte Zeidler. „Wir haben Partner gefunden, mit denen wir dieses Konzept an mehreren Stellen in der Stadt umsetzen können.“Mit seinem einstimmigen Ja zu den erforderlichen Finanzmitteln machte der Gemeinderat den Weg frei, diese Strategie weiterzuverfolgen, sobald der gesetzliche Rahmen dafür da ist.
Schwerer taten sich manche Stadträte allerdings mit der Zustimmung zur Resolution. Ein Ja gab es von CDU, Freien Wählern, FDP und LinkenStadtrat Ralph Heidenreich. Man müsse jetzt die Ungereimtheiten für die Öffnungen von Geschäften beseitigen, sagte Hans Beck (CDU). „Wir sehen Unheil auf uns und unsere bisher pulsierende Innenstadt zukommen.“Die Strategie laute jetzt: „Testen, testen, testen.“
Die Stadt habe versucht, Handel und Gastronomie mit verschiedenen Maßnahmen zu unterstützen, sagte
Ulrich Heinkele (Freie Wähler). Inzwischen sei die Sinnhaftigkeit der Erlasse der Politik in Bund und Land immer weniger nachzuvollziehen. „Vielleicht kann sich die Stadt bei sinkenden Fallzahlen der Tübinger Strategie anschließen.“
„Geimpfte und Getestete wären hilfreich, um das Wirtschaftsleben wieder in Gang zu bringen“, so Christoph Funk (FDP). Man müsse als Kommune, wo man könne, die Initiative ergreifen. Er habe zwar mit der einen oder anderen Formulierung in der Resolution etwas Bauchweh, stimme aber zu, so Ralph Heidenreich (Linke). „Ein großer Teil der Bevölkerung hat die Schnauze voll.“Mit der Resolution setze die Stadt ein Zeichen, dass sie die coronagebeutelte Bevölkerung unterstütze.
Mit Nein zur Resolution stimmten Grüne und SPD. Sowohl Manfred Wilhelm (Grüne) als auch Gabriele Kübler (SPD) störten sich an der Formulierung des „Biberacher Geists“. Die Resolution selbst sei zu sehr von wirtschaftlichen Aspekten geprägt, weniger von den sozialen und gesellschaftlichen, so Wilhelm. Tatsache sei, dass aufgrund der hohen Inzidenzzahlen im Landkreis Einschränkungen getroffen werden müssten, so Kübler. Wichtig sei, dass man jetzt deutliche Zeichen setze, um die Zahlen wieder zu senken, damit man überhaupt wieder in einen Bereich komme, um Dinge zu ermöglichen. Hier sei die Eigenverantwortlichkeit der Bürger gefordert.
Die Resolution des Gemeinderats im Wortlaut gibt es unter schwäbische.de/resolution-bc