Schwäbische Zeitung (Biberach)
Geöffnet dank Klopapier und Seife
Wirtschaftsministerium betont Verbot, Ordnungsämter werten die Lage bislang uneinheitlich
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SIGMARINGEN - Der Einzelhandel im Landkreis Sigmaringen bleibt weiterhin geschlossen. Seit der Notbremse, die wieder seit einer Woche greift, ist nicht einmal das sogenannte Click and Meet erlaubt. Trotzdem stehen beim Modehaus Robben in Sigmaringen und bei Punkt Männersache in Bad Saulgau die Türen wieder offen. Inhaberin Ursula Robben begründet das mit einem umgestellten Sortiment: Nur noch 40 Prozent der für Kunden geöffneten Verkaufsfläche besteht aus Bekleidung, der Rest umfasst Produkte für Babys, Lebensmittel und Hygieneartikel. Es ist das erste Geschäft in Sigmaringen, das so wieder öffnet. Doch das ist laut Wirtschaftsministerium nur unter bestimmten Umständen erlaubt.
„Wir haben unser Sortiment erweitert und seit Montag unter einem strengen Hygienekonzept geöffnet“, erklärt der Bad Saulgauer Herrenmodehändler Baykal Ünal von Punkt Männersache auf Nachfrage. Er lasse immer nur Angehörige eines Hausstands gleichzeitig in sein Geschäft. „Für uns ist das die Möglichkeit, unseren Kunden ein sicheres Umfeld zum Einkaufen zu bieten.“
Noch mindestens vier weitere Bad Saulgauer Einzelhändler hätten ihre Geschäfte seinem Beispiel folgend geöffnet, so Ünal. Und auch Geschäftsleute aus Pfullendorf und Mengen hätten ihn wegen seiner Idee angerufen. Auch Ursula Robben aus Sigmaringen? „Nein, aber ich habe davon gehört“, sagt Ünal.
Im Moment sieht es danach aus, als würde die Aktion des Saulgauer Modehändlers bei den Einzelhändlern im Kreis Sigmaringen nicht nur Schule machen, sondern eine regelrechte Lawine auslösen. Dabei hatte das Wirtschaftsministerium am vergangenen Mittwoch die Sortimentserweiterung durch Einzelhändler noch für unzulässig erklärt, da diese dem Sinn und Zweck der CoronaVerordnung widerspreche.
„Pflegeprodukte haben wir bereits vorher schon im Angebot gehabt, nur in geringerer Bandbreite“, versichert Ünal. Deshalb könne in seinem Fall von einer unrechtmäßigen Sortimentserweiterung wohl kaum die Rede sein, sondern von einer Sortimentsvertiefung, so der Geschäftsmann.
Dagegen hat das Bad Saulgauer Ordnungsamt aber etwas einzuwenden: „Das Ordnungsamt entscheidet hier nicht“, erklärt Stadtsprecher Thomas Schäfers auf Nachfrage. „Das Wirtschaftsministerium hat eine präzise Ansage gemacht, was gilt. Wer dagegen verstößt, muss mit Kontrollen und Konsequenzen rechnen.“
Das Wirtschaftsministerium argumentiert so: Hat ein Geschäft bereits ein Mischsortiment, darf es weiter öffnen, sofern der erlaubte Sortimentsanteil mindestens 60 Prozent des Umsatzes beträgt. Dieser Sortimentsanteil muss aber bereits vor dem Lockdown angeboten worden sein. „Die Regelung soll künstliche Sortimentsverschiebungen verhindern“, so Marius Ritter, Sprecher des Ministeriums. Die Begründung: Drogerien beispielsweise werden zur Versorgung mit Lebensmitteln oder Hygieneartikeln aufgesucht, Bekleidung werde dort bei dieser Gelegenheit mitgekauft, sagt Ritter. Bei Bekleidungsgeschäften wiederum solle durch das erweiterte Sortiment ein Anreiz geschaffen werden, den Laden zu betreten. Somit ist die Erweiterung des Sortiments, um öffnen zu können, verboten.
Dennoch stehe es den Behörden frei, im Einzelfall anders zu entscheiden. Doch auch hier gibt es Vorgaben. Zum Beispiel kann beim Test von Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung eine Ausnahme erfolgen, allerdings ebenfalls mit Blick auf den Inzidenzwert. Im Kreis Sigmaringen lag der Inzidenzwert am Montag bei 240,7, er ist damit einer der am stärksten betroffenen Landkreise im Land.
Ursula Robben hat die Idee aus Emmendingen, wo ein Kollege ein ähnliches Konzept in seinem Geschäft in die Wege geleitet hat. „Ich dachte, das ist eine geniale Idee und wir wollten ohnehin eine Babyfläche eröffnen“, sagt sie.
Also habe sie mit ihrem Team vergangene Woche die Sortimentserweiterung umgesetzt und am Samstag geöffnet. Dadurch, dass sie ohnehin häufig Aktionsware und Geschenkartikel im Geschäft hätten, sei es auch naheliegend gewesen, dieses Sortiment auszubauen. 40 Prozent der Fläche bleiben für Textilien, die auch gekauft werden können. Dadurch umgeht das Modehaus Robben den Lockdown. Das Sigmaringer Ordnungsamt hat am Freitag grünes Licht gegeben.
Die Begründung: In einer Teilfläche werde in Anlehnung an das Verkaufssortiment von Babyfachmärkten – welche zum geöffneten Fachhandel gehören – Produkte für Babys und Kleinkinder angeboten, die teilweise bereits im Sortiment gewesen seien, so Petra Kasper von der Stadt Sigmaringen. Auf der Restfläche werde ein Mischsortiment angeboten, was das Modehaus auch im Handelsregister vermerkt hat. „Das aktuelle Mischangebot mit Waren aller Art und Bekleidung steht nach vorliegendem Konzept in einem Verhältnis, das aus unserer Sicht die Öffnung rechtfertigt“, so Kasper.