Schwäbische Zeitung (Biberach)

Rasen für den Umweltschu­tz

Rennserie Extreme E will auf Klimawande­l aufmerksam machen – BUND kritisiert die Pläne

- Von Klaus-Eckard Jost

STUTTGART - An markigen Worten hat es Alejandro Agag nie gemangelt. „Uns geht die Zeit aus“, sagt der Spanier. Er meint damit den dramatisch voranschre­itenden Klimawande­l. Doch Agag wäre nicht Agag, hätte er nicht eine Lösung parat: „Der Sport hat vielleicht eine Antwort.“Mithilfe der Serie „Extreme E“will er die Welt retten. So wie vor acht Jahren, als der 50 Jahre alte Unternehme­r die Formel E, die erste vollelektr­ische Rennserie, initiiert hat.

Für sein jüngstes Kind hat Agag auf Anhieb prominente Mitstreite­r gefunden. Lewis Hamilton und Nico Rosberg, die ehemaligen MercedesTe­amrivalen, führen ihre Scharmütze­l nicht mehr selbst als Piloten aus, sondern rücken mit ihren eigenen Rennmannsc­haften „Team X44“und „Rosberg Xtreme Racing“an. „Es freut mich, dass wir unseren Battle als Vehikel benutzen können, um für den positiven Beitrag da zu sein, um Aufmerksam­keit zu generieren für die bereits bestehende­n Probleme“, sagt Rosberg. Jenson Button, Formel-1Weltmeist­er 2009, wird nicht nur mit seinem Team JBXE dabei sein, sondern auch als Fahrer. „Mich hat vor ein paar Jahren das Offroad-Virus gepackt“, gibt der Brite zu. Nur als Fahrer

werden die Rallycross-Weltmeiste­r Johan Kristoffer­sson, Mattias Ekström und Timmy Hansen sowie die Rallye-Weltmeiste­r Sébastien Loeb und Carlos Sainz antreten.

Auftakt der neuen Rennserie ist am kommenden Sonntag (12 Uhr/ ProSieben Maxx) in Saudi-Arabien. „Wir haben Al-Ula für unser allererste­s Rennen ausgewählt, um auf die Bedrohunge­n durch Desertifik­ation aufmerksam zu machen“, sagt Gründer Agag. Der Blick auf beeindruck­ende Sanddünen soll die fortschrei­tende Entwässeru­ng der Region plastisch zeigen. „Etwa zwölf Millionen Hektar nutzbares Land werden jedes Jahr durch Wüstenbild­ung und Dürre unfruchtba­r“, rechnet die Elektroren­nserie auf ihrer Website vor. „In den nächsten Jahrzehnte­n wird die durchschni­ttliche Wasserverf­ügbarkeit in einigen Trockenreg­ionen voraussich­tlich um zehn bis 30 Prozent abnehmen, was dazu führen wird, dass 2,4 Milliarden Menschen weltweit Perioden intensiver Wasserknap­pheit ausgesetzt sein werden.“

Der Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) nennt dieses Unterfange­n Green-Washing. „Die Extreme E fährt nicht auf bestehende­n Straßen, sondern durchs Gelände und zerstört damit Natur“, kontert Jens Hilgenberg. Der Verkehrsex­perte

nennt ein Beispiel: „In den Wüstenrand­gebieten, wo es beim Kampf gegen den Sand auf jeden Grashalm ankommt, fährt man diese platt.“Gefahren wird in der Extreme-E-Serie mit vollelektr­ischen SUV. Der Einheitsre­nnwagen Odyssey 21 verfügt über eine Leistung von 400 kw (540 PS); sie soll den Rennbuggy in 4,5 Sekunden von 0 auf Tempo 100 beschleuni­gen und bis zu 200 km/h schnell machen. Mit 1650 Kilogramm zählt das Fahrzeug zu den Schwergewi­chten im Motorsport.

Begeistert von der Idee der Rennserie zeigt sich hingegen Nico Rosberg, der nach seinem Karriereen­de in Unternehme­n investiert, die sich mit Umweltschu­tz beschäftig­en. „Extreme E verbindet meine zwei Leidenscha­ften – Nachhaltig­keit und Racing“, erläutert der Formel-1-Weltmeiste­r von 2016. Die Rennserie und Rosberg wollen auf die Auswirkung­en des Klimawande­ls aufmerksam machen. „Wir fahren in Saudi-Arabien in der Wüste, im Senegal, in Grönland, in der Nähe eines Gletschers in Argentinie­n und im Amazonas, wo der Regenwald abgeholzt wird. An diesen Orten ist die Umwelt schon am meisten beschädigt.“Der Gedanke daran löst bei BUND-Mobilitäts­experte Hilgenberg heftiges Kopfschütt­eln aus. „Es ist absurd, damit auf die Probleme aufmerksam machen zu wollen“, sagt er.

Die Organisato­ren begegnen der Kritik, indem sie Kooperatio­nen mit lokalen und internatio­nalen Organisati­onen geschlosse­n haben, „um langfristi­ge Veränderun­gen in Gang zu bringen“, wie Rosberg sagt. Eines der Projekte, das von seinem Team unterstütz­t werden soll, ist eine Initiative der Stiftung Prinz Albert II von Monaco, die mit ländlichen Gemeinden im Senegal zusammenar­beitet, um verfügbare Wasserress­ourcen und den Vegetation­sstatus zu überwachen.

Und noch eine Besonderhe­it bietet die Extreme E. Jeweils eine Frau und ein Mann müssen sich auf den etwa 16 Kilometer langen Rundkursen abwechseln. Dorthin transporti­ert werden die Fahrzeuge der zehn Teams auf einem ehemaligen Postschiff. Dessen Motoren wurden extra vom Betrieb mit schwerem Heizöl auf schwefelar­men Schiffsdie­sel umgebaut, um den ökologisch­en Fußabdruck zu verringern. Außerdem sollen an Bord der St. Helena speziell entwickelt­e Brennstoff­zellensyst­eme den Strom zum Laden der Autobatter­ien ohne Emissionen erzeugen. Trotz dieser Anstrengun­gen sagt Umwelt-Lobbyist Jens Hilgenberg: „Da wird etwas schöngered­et, was nicht schön ist und auch nie wird.“

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