Schwäbische Zeitung (Biberach)
Unabhängig von der Kirche und den Menschen nah
Im Alter von 90 Jahren verstarb der langjährige Ringschnaiter Pfarrer Anton Kleindienst
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ERTINGEN/BIBERACH - Im Alter von 90 Jahren ist der Binzwanger Pensionär Pfarrer Anton Kleindienst im Pflegeheim St. Georg in Ertingen gestorben. Mehr als 60 Jahre war er Verkünder der Frohbotschaft des Herrn und war Seelsorger für Jung und Alt, allein 26 Jahre davon in der Pfarrgemeinde St. Lambertus Binzwangen. Zugleich war er von 1975 bis 1994 der letzte langjährige Pfarrer in Ringschnait. Doch neben seinem priesterlichen Dienst hatte er noch andere Interessen und Ambitionen, die ihm schon mal die Bezeichnung „Betonpfarrer“einbrachten. Er setzte sich früher gern hinter das Steuer eines Lastwagens oder Betonmischers einer örtlichen Spedition und auch beim Umbau seines Eigenheims legte er Hand an, worauf er immer stolz war.
Zudem frönte er gern der Sportfliegerei. Allerdings hatte er hierbei zweimal eine etwas unsanfte Landung zu überstehen und wurde im Biberacher Krankenhaus „zusammengeflickt“, wie er es einmal formulierte. Das Hobbyreiten einmal im Jahr beim Blutritt war ihm nicht genug, er trainierte fleißig im Landesgestüt Marbach und wagte sich dann auch an das Springreiten. Hier hatte er einen schmerzhaften Abwurf zu verzeichnen, der mit einem vierfachen Rippenbruch endete. Weniger schmerzhaft war seine Karriere als Musikdirigent. In seiner ehemaligen Pfarrstelle in Hohenstein-Eglingen gründete er eine Kapelle, die er dann auch gleich musikalisch leitete. Doch dem nicht genug, auch die Jagd hatte es ihm angetan. Er besaß einen Begehungsschein in der Staatsjagd Wilflingen, an die er bis ins hohe Alter schöne Erinnerungen knüpfte.
Kleindienst kam am 23. Januar 1931 in Ergenzingen auf die Welt und wuchs mit vier Geschwistern auf. Am Gymnasium in Herrenberg schlug er den Weg zum Priestertum ein. Der Ergenzinger Ortspfarrer riet ihm damals, ins Konvikt nach Rottweil zu gehen: „Das ist was für dich.“Diesem Ruf folgend legte er dort das Abitur ab und studierte anschließend Theologie an der Universität in Tübingen. Am 6. April 1957 wurde er in Rottenburg zum Priester geweiht. Nach der ersten Vikarstelle in Baisingen wechselte er nach Weitingen und zuletzt nach Kirchbierlingen. Bis zu seiner ersten eigenen Pfarrstelle dauerte es eine ganze Weile. Den Grund dafür sah er in seinen klaren Worten und ehrlichen Meinungen, die ihn anscheinend bei den Kirchenoberen etwas ausbremsten. Doch am 18. Dezember 1962 wurde ihm dann die Pfarrstelle in Hohenstein-Eglingen angeboten, die er allzu gern annahm. Das allein befriedigte ihn in keiner Weise. Wissensdurstig, wie er war, studierte er dann in Tübingen Mathematik und Physik für das Lehramt an der Realschule. Er fand in Biberach an der DollingerRealschule eine Anstellung, die ihn von der Kirche unabhängig machte. Er wurde Beamter auf Lebenszeit und bezog fortan sein Gehalt vom Staat. „Ganz nach dem Apostel Paulus: Ich habe nie von der Kirche gelebt“, habe er sein Leben nun gestaltet.
Über den Binzwanger Spediteur Helmut Baur fand Kleindienst den Weg in die Pfarrgemeinde St. Lambertus nach Binzwangen. Er half Baur beim Erwerb des Flugscheins, und der erinnerte sich wiederum an den Pfarrer, der einen Lkw-Führerschein besaß. Er bot ihm an, in seiner Firma als Aushilfe zu arbeiten. So kaufte Kleindienst im Jahr 1993 in Binzwangen ein Haus, das er eigenhändig umbaute und ein Jahr später dann auch bezog. Danach konzentrierte sich der Pfarrpensionär an seinem neuen Wirkungsort voll und ganz auf die Seelsorge, was ihm immer viel Freude bereitete. „Wenn du mit de Leut auskommst, isch Pfarr sei schee.“Sein Lebensmotto: „Sei fröhlich, tue Gutes und lass die Spatzen pfeifen.“Neben seiner Pfarrgemeinde war Kleindienst immer bereit, in den Nachbargemeinden auszuhelfen. Dabei konnte es schon mal sein, dass er mit dem Motorrad anrauschte.
„Ich mach’ mir schon Gedanken, wie es mit mir weitergeht“, ließ er seine Gäste beim 88. Geburtstag wissen. Danach führte ihn sein Weg in ein klösterliches Pflegeheim. Doch da war es ihm zu still. Für die letzten beiden Lebensjahre fand er eine passende Bleibe im Pflegeheim St. Georg in Ertingen. „Er wird uns fehlen. Er war unser Pfarrer in Binzwangen, obwohl er hier seinen Ruhestand verbrachte“, so die Pfarrgemeinderatsvorsitzende von St. Lambertus, Rebekka Selg. Pfarrer Anton Kleindienst habe die Seelsorge aller Bürger am Ort sehr am Herzen gelegen. Besonders nahm er sich der älteren Menschen an. Er habe gern im Kirchenchor mitgesungen und war Dauergast beim Seniorenturnen, wobei er immer ein paar Süßigkeiten für seine Mitstreiter dabeihatte. „In gewissem Sinne war er ein liebenswürdiges Original, das wir und die ganze Gemeinde vermissen werden.“