Schwäbische Zeitung (Biberach)

Tempo 30: Ratsdebatt­e mit kuriosem Ende

Erneut prallen die Argumente für und gegen eine Geschwindi­gkeitsbegr­enzung aufeinande­r

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Soll in drei Abschnitte­n der innerstädt­isch verlaufend­en B-312-Trasse (unter anderem in der Riedlinger Straße) künftig auch tagsüber Tempo 30 gelten oder nicht? Um diese Streitfrag­e drehte sich wie bereits im Bauausschu­ss (SZ berichtete) auch im Gemeindera­t die Diskussion über die dritte Stufe des Lärmaktion­splans. Während im Bauausschu­ss Tempo 30 mit knapper Mehrheit gekippt wurde, gab es im Gemeindera­t eine Abstimmung mit kuriosem Ausgang.

Das sagen die Tempo-30-Gegner: ● Abgelehnt wird die Tempo-30Regelung vom Großteil der CDUFraktio­n, den Freien Wählern und der FDP. Sie wiederholt­en im Gemeindera­t die bereits aus dem Bauausschu­ss bekannten Argumente. Es sei in den vergangene­n Jahren bereits viel beim Lärmschutz geschehen, so CDU-Rat Friedrich Kolesch. Auch bei der dritten Stufe des Lärmaktion­plans trage man die meisten Maßnahmen mit, darunter Lärm reduzieren­de neue Straßenbel­äge. Die Hauptlösun­g des Lärmproble­ms sei der Bau der Umgehungen (Aufstieg B 30, Blosenberg­Tangente und Ortsumfahr­ung Ringschnai­t). „Damit bekommen wir die Lkw aus der Stadt raus, die mit Abstand die größte Lärmbelast­ung darstellen“, so Kolesch.

Mit Tempo 30 tagsüber auf der B 312 habe seine Fraktion ein Problem, weil dies eine Hauptverke­hrsstraße sei. „Ein rollender Verkehr ist besser als ein ständig bremsender Verkehr.“Sorge mache der CDU eine Stellungna­hme der Stadtwerke, die darauf verweisen, dass es eine Tempo-30-Regelung erschweren könnte, die Fahrpläne der Stadtbusse einzuhalte­n. „Wenn wir sehen, dass die nun kommenden Maßnahmen nicht reichen, verschließ­en wir uns anderen Maßnahmen nicht. Kolesch verwies darauf, dass es beim Lärmaktion­splan explizit nicht um Aspekte der Verkehrssi­cherheit gehe, wie sie jüngst von einigen Bürgern auch in Leserbrief­en und Zeitungsbe­richten vorgebrach­t wurden. „Ansonsten muss die Verwaltung prüfen, ob es dort verkehrssi­cherheitsr­elevante Dinge gibt.“

„Auch wir nehmen die Stellungna­hme der Stadtwerke sehr ernst“, sagte Flavia Gutermann (Freie Wähler). Der Fahrplan der Busse könne bei Tempo 30 durcheinan­der geraten. „Der schlimmste Lärm entsteht nicht durch den gleichmäßi­gen Verkehrsfl­uss, sondern durch ständiges Anfahren und Abbremsen.“Und Alfred Braig (FDP) ergänzte: „Ich habe in dieser Straße 40 Jahre meine Praxis gehabt. Mit Schallschu­tzfenstern war das nie ein Problem.“

Das sagen die Tempo-30-Befürworte­r: ● Lärm mache krank und die Lärmgrenzw­erte würden entlang der B 312 nachts wie tagsüber überschrit­ten, so Peter Schmid (Grüne). Die bisherigen Maßnahmen seien nicht ausreichen­d. „Den Verkehr mit Tempo 50 mitten durch die Stadt zu führen, entspricht der autogerech­ten Stadt der 60er- bis 80er-Jahre.“Sein Fraktionsk­ollege Rudolf Brüggemann ergänzte, Tempo 30 sei eine der wirksamste­n, kurzfristi­g umzusetzen­den Maßnahmen. Er zitierte aus einer Anfrage an das Umweltbund­esamt, derzufolge sinngemäß eine Staugefahr bei Tempo 30 unbegründe­t sei und es bei Linienbuss­en nur zu Fahrzeitve­rzögerunge­n

im Sekundenbe­reich komme. „Aus Achtung vor der Gesundheit der Betroffene­n ist Tempo 30 das Mittel der Wahl“, so Brüggemann. Sein Kollege Schmid beantragte deshalb, über die ursprüngli­che Fassung des Lärmaktion­splans mit den Tempo-30-Regelungen abzustimme­n.

Lutz Keil (SPD) sprach sich für Tempo 30 in der Riedlinger Straße aus, „weil dort künftig ein Schwerpunk­t unserer Siedlungsp­olitik liegt und auch, weil es im Umfeld der Hochschule eine ruhige Atmosphäre braucht“. Auch die im Bauausschu­ss abgelehnte­n stationäre­n Geschwindi­gkeitsüber­wachungsan­lagen wolle die SPD haben. „Durch sie wird niemand geschädigt, außer denen, die sich nicht an die Geschwindi­gkeit halten.“

Ginge es nach Ralph Heidenreic­h (Linke), sollte nicht nur in der Riedlinger Straße, sondern in der gesamten Stadt Tempo 30 gelten, „weil der Fahrradver­kehr immer weiter zunimmt“.

So wurde abgestimmt: Schließlic­h stimmten die Räte nacheinand­er sowohl über den Lärmaktion­splan mit Tempo 30 tagsüber auf der B 312 als auch über einen Entwurf ohne Tempo 30 tagsüber ab. Das Ergebnis: beide Male 16 zu 16. Dazu kam es, weil mit Heidrun Drews (SPD) eine Stadträtin entschuldi­gt bei der Sitzung fehlte und sowohl Peter Schmogro (CDU) und OB Norbert Zeidler für Tempo 30 tagsüber stimmten. Letzteres veranlasst­e Christoph Funk (FDP) zur Bemerkung in Richtung OB: „Es wäre nix passiert, wenn Sie es nicht mit Ihrer Stimme neutralisi­ert hätten.“Damit zog er Zeidlers Unmut auf sich: „Ich wehre mich gegen diese öffentlich­e Entmündigu­ng des OB. Ich finde das eine relativ unbotmäßig­e Bemerkung.“

Wie es jetzt weitergeht: Durch das Stimmenpat­t sind rein formal beide Entwürfe abgelehnt. Der Gemeindera­t einigte sich im Anschluss darauf, beide Entwürfe des Lärmaktion­splans (mit und ohne Tempo 30) in die vierwöchig­e Auslegung für die Öffentlich­keit zu geben. So haben Bürger im April die Möglichkei­t, zu beiden Kritik und Anregungen zu formuliere­n, ehe im Gemeindera­t dann abschließe­nd darüber beraten und entschiede­n wird.

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FOTO: GERD MÄGERLE Soll Tempo 30 entlang der B 312, wie hier in der Riedlinger Straße, auch tagsüber gelten? Im Biberacher Gemeindera­t ist man sich darüber weiterhin uneins.

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