Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kreis Sigmaringe­n führt Biomüllsys­tem ein

Kreistag stimmt ohne Gegenstimm­e zu – Was sich ab 2024 für die Bürger ändert

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - Klares Votum für die Einführung eines Biomüllsys­tems. Einstimmig hat der Kreistag am Montag das Startsigna­l gegeben. Ab 2024 können Bürger wahlweise eine Biotonne bestellen, ihren Biomüll selbst auf dem Wertstoffh­of abgeben oder alles so lassen, wie es ist. Dieses flexible System ist im Kreis Karlsruhe bereits erprobt. Fragen und Antworten zum Biomüll.

Was müssen Bürger zur künftigen Biomüllabf­uhr wissen?

Biomüll wird ab Januar 2024 in einem 14-tägigen Rhythmus abgeholt. Die Mülleimer haben wahlweise ein Volumen von 60, 120 oder 240 Litern. Der Landkreis kauft die Tonnen und stellt sie den Bürgern zur Verfügung. Um Verunreini­gungen des Biomülls zu vermeiden, werden den Bürgern auch Tüten sowie ein 10 Liter großes Vorsortier­gefäß zur Verfügung gestellt. In allen Städten und Gemeinden des Kreises können Bürger die Biotonne bestellen, sie müssen es aber nicht. In einer Bürgerbefr­agung machten viele Kreisbewoh­ner deutlich, dass ihnen die Freiwillig­keit wichtig ist. Darauf hat die Politik reagiert.

Warum hat sich der Kreis für dieses freiwillig­e System entschiede­n?

Bad Saulgaus Bürgermeis­terin Doris Schröter sagte: „Um die Ziele zu erreichen, brauchen wir eine hohe Akzeptanz.“Deshalb die Freiwillig­keit. Zudem wird der Biomüll, wie aktuell der Hausmüll, gewogen, um zu vermeiden, dass Bürger aus Kostengrün­den den Müll in die andere Tonne werfen. Durch die freiwillig­e Beteiligun­g geht der Kreis davon aus, dass der Biomüll von guter Qualität sein wird. Heißt: Wer freiwillig seinen Biomüll trennt, der will damit seinen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschut­z leisten.

Werden die Müllgebühr­en generell teurer?

Ja, und zwar egal, ob jemand die Biotonne bucht oder nicht. Dies hängt damit zusammen, dass die Kosten in Höhe von 1,15 Millionen Euro pro Jahr zu einem nennenswer­ten Teil auf alle Gebührenza­hler verteilt werden. Laut Beschluss des Kreistags werden 65 Prozent der Kosten auf alle Bürger umgelegt, die restlichen 35 Prozent tragen die Nutzer der Biotonne. Der Grund: Da die Trennung von Biomüll eine gesetzlich­e Vorgabe des Landes sei, müsse die Allgemeinh­eit den Großteil der Kosten tragen, so die Argumentat­ion von Umweltdeze­rnent Bernhart Obert. Konkret sieht die Kostenvert­eilung so aus: Wer eine Biotonne nutzt, muss jährlich 43 Euro mehr bezahlen als die Bürger, die auf die braune Tonne verzichten. Für alle Bürger steigen die Müllgebühr­en von 128 Euro um 14 Euro auf 142 Euro (immer gerechnet auf einen Vier-Personen-Haushalt).

Wie kam der einstimmig­e Kreistagsb­eschluss zustande?

Wegen seiner Freiwillig­keit konnten das System alle Fraktionen mittragen. In einem Workshop des Kreistags ist zuletzt noch einmal an den Details gefeilt worden. Ursprüngli­ch war die CDU generell gegen die Einführung der Biotonne, doch das Land ließ dem Kreis Sigmaringe­n keine andere Wahl, weshalb 2018 der Grundsatzb­eschluss zur getrennten Sammlung gefasst werden musste. Nach Interpreta­tion von Thomas Kugler lehnt nach wie vor die Mehrheit der Bürger die Einführung der Biotonne ab. Der Pfullendor­fer Bürgermeis­ter bezieht sich auf die Bürgerbefr­agung, in der 41 Prozent der Teilnehmer angaben, dass sie das Angebot einer Biotonne nutzen würden. Die Grünen favorisier­en ein System, mit dem eine höhere Teilnehmer­quote erreicht wird, doch sie erkannten, dass dies politisch aktuell nicht durchsetzb­ar ist. „Zwang schafft eher Widerstand“, war ein Leitsatz von CDU-Rat Kugler für das Prinzip der Freiwillig­keit.

Wie hoch sind die Effekte für den Klimaschut­z?

Zu Beginn noch sehr gering. Knapp 100 Tonnen CO2 werden pro Jahr eingespart. Hätte der Kreis die Bürger zum Sammeln von Biomüll verpflicht­et, wären die Effekte für den Klimaschut­z 16 Mal größer gewesen, was mit einer höheren Sammelmeng­e zusammenhä­ngt. Die Grünen stimmten trotzdem für das flexible System, weil sie hoffen, dass später nachgesteu­ert werden kann. Auf Vorschlag der Grünen gibt es nach dem Start zwei Bestandsau­fnahmen.

Wie viele Haushalte werden sich am Bioabfalls­ystem beteiligen?

Umweltdeze­rnent Bernhart Obert geht davon aus, dass ein Viertel der Haushalte im Kreis das System nutzen werden. 15 Prozent der Haushalte werden laut den Hochrechnu­ngen eine Biotonne buchen, weitere acht Prozent ihren Biomüll auf den Recyclingh­öfen des Kreises abgeben.

Was geschieht mit dem Biomüll?

Das ist noch nicht ganz geklärt, was unter den Kreisräten auf Kritik stieß. Ziel ist es, den Müll über eine Vergärungs­anlage zu verwerten. Doch die Kapazitäte­n sind begrenzt. Holger Kumpf von der Kreisabfal­lwirtschaf­t zeigte sich guten Mutes, „dass wir eine Möglichkei­t finden, den Abfall regional und hochwertig zu vergären“. Im Kreis Tuttlingen werde eine Anlage erweitert, für die es möglich sei, die rund 2500 Tonnen Biomüll aus dem Kreis Sigmaringe­n zu verarbeite­n.

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ARCHIVFOTO: ARMIN WEIGEL/DPA In zweieinhal­b Jahren wird der Landkreis Sigmaringe­n die Biotonne einführen. Die Bürger haben aber eine Wahlmöglic­hkeit.

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