Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kreis Sigmaringen führt Biomüllsystem ein
Kreistag stimmt ohne Gegenstimme zu – Was sich ab 2024 für die Bürger ändert
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SIGMARINGEN - Klares Votum für die Einführung eines Biomüllsystems. Einstimmig hat der Kreistag am Montag das Startsignal gegeben. Ab 2024 können Bürger wahlweise eine Biotonne bestellen, ihren Biomüll selbst auf dem Wertstoffhof abgeben oder alles so lassen, wie es ist. Dieses flexible System ist im Kreis Karlsruhe bereits erprobt. Fragen und Antworten zum Biomüll.
Was müssen Bürger zur künftigen Biomüllabfuhr wissen?
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Biomüll wird ab Januar 2024 in einem 14-tägigen Rhythmus abgeholt. Die Mülleimer haben wahlweise ein Volumen von 60, 120 oder 240 Litern. Der Landkreis kauft die Tonnen und stellt sie den Bürgern zur Verfügung. Um Verunreinigungen des Biomülls zu vermeiden, werden den Bürgern auch Tüten sowie ein 10 Liter großes Vorsortiergefäß zur Verfügung gestellt. In allen Städten und Gemeinden des Kreises können Bürger die Biotonne bestellen, sie müssen es aber nicht. In einer Bürgerbefragung machten viele Kreisbewohner deutlich, dass ihnen die Freiwilligkeit wichtig ist. Darauf hat die Politik reagiert.
Warum hat sich der Kreis für dieses freiwillige System entschieden?
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Bad Saulgaus Bürgermeisterin Doris Schröter sagte: „Um die Ziele zu erreichen, brauchen wir eine hohe Akzeptanz.“Deshalb die Freiwilligkeit. Zudem wird der Biomüll, wie aktuell der Hausmüll, gewogen, um zu vermeiden, dass Bürger aus Kostengründen den Müll in die andere Tonne werfen. Durch die freiwillige Beteiligung geht der Kreis davon aus, dass der Biomüll von guter Qualität sein wird. Heißt: Wer freiwillig seinen Biomüll trennt, der will damit seinen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten.
Werden die Müllgebühren generell teurer?
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Ja, und zwar egal, ob jemand die Biotonne bucht oder nicht. Dies hängt damit zusammen, dass die Kosten in Höhe von 1,15 Millionen Euro pro Jahr zu einem nennenswerten Teil auf alle Gebührenzahler verteilt werden. Laut Beschluss des Kreistags werden 65 Prozent der Kosten auf alle Bürger umgelegt, die restlichen 35 Prozent tragen die Nutzer der Biotonne. Der Grund: Da die Trennung von Biomüll eine gesetzliche Vorgabe des Landes sei, müsse die Allgemeinheit den Großteil der Kosten tragen, so die Argumentation von Umweltdezernent Bernhart Obert. Konkret sieht die Kostenverteilung so aus: Wer eine Biotonne nutzt, muss jährlich 43 Euro mehr bezahlen als die Bürger, die auf die braune Tonne verzichten. Für alle Bürger steigen die Müllgebühren von 128 Euro um 14 Euro auf 142 Euro (immer gerechnet auf einen Vier-Personen-Haushalt).
Wie kam der einstimmige Kreistagsbeschluss zustande?
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Wegen seiner Freiwilligkeit konnten das System alle Fraktionen mittragen. In einem Workshop des Kreistags ist zuletzt noch einmal an den Details gefeilt worden. Ursprünglich war die CDU generell gegen die Einführung der Biotonne, doch das Land ließ dem Kreis Sigmaringen keine andere Wahl, weshalb 2018 der Grundsatzbeschluss zur getrennten Sammlung gefasst werden musste. Nach Interpretation von Thomas Kugler lehnt nach wie vor die Mehrheit der Bürger die Einführung der Biotonne ab. Der Pfullendorfer Bürgermeister bezieht sich auf die Bürgerbefragung, in der 41 Prozent der Teilnehmer angaben, dass sie das Angebot einer Biotonne nutzen würden. Die Grünen favorisieren ein System, mit dem eine höhere Teilnehmerquote erreicht wird, doch sie erkannten, dass dies politisch aktuell nicht durchsetzbar ist. „Zwang schafft eher Widerstand“, war ein Leitsatz von CDU-Rat Kugler für das Prinzip der Freiwilligkeit.
Wie hoch sind die Effekte für den Klimaschutz?
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Zu Beginn noch sehr gering. Knapp 100 Tonnen CO2 werden pro Jahr eingespart. Hätte der Kreis die Bürger zum Sammeln von Biomüll verpflichtet, wären die Effekte für den Klimaschutz 16 Mal größer gewesen, was mit einer höheren Sammelmenge zusammenhängt. Die Grünen stimmten trotzdem für das flexible System, weil sie hoffen, dass später nachgesteuert werden kann. Auf Vorschlag der Grünen gibt es nach dem Start zwei Bestandsaufnahmen.
Wie viele Haushalte werden sich am Bioabfallsystem beteiligen?
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Umweltdezernent Bernhart Obert geht davon aus, dass ein Viertel der Haushalte im Kreis das System nutzen werden. 15 Prozent der Haushalte werden laut den Hochrechnungen eine Biotonne buchen, weitere acht Prozent ihren Biomüll auf den Recyclinghöfen des Kreises abgeben.
Was geschieht mit dem Biomüll?
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Das ist noch nicht ganz geklärt, was unter den Kreisräten auf Kritik stieß. Ziel ist es, den Müll über eine Vergärungsanlage zu verwerten. Doch die Kapazitäten sind begrenzt. Holger Kumpf von der Kreisabfallwirtschaft zeigte sich guten Mutes, „dass wir eine Möglichkeit finden, den Abfall regional und hochwertig zu vergären“. Im Kreis Tuttlingen werde eine Anlage erweitert, für die es möglich sei, die rund 2500 Tonnen Biomüll aus dem Kreis Sigmaringen zu verarbeiten.