Schwäbische Zeitung (Biberach)

Zerbrechli­che Idylle

Die Leutkirche­rin Christina Baumann bemalt Eier kunstvoll mit Kinderwelt­en und Janosch-Figuren

- Von Simone Haefele Von Sandra Ehegartner

Das Wohnzimmer der Baumanns in Leutkirch verrät – nicht nur im Frühling – auf den ersten Blick: Hier hat jemand ein Faible für kunstvolle Ostereier. Bunt bemalt, bedruckt, gebatikt, beklebt, verziert, gefräst oder geschnitzt liegen und stehen unzählige Eier in einer Glasvitrin­e und in einem Couchtisch mit Glasplatte. Manche winzig klein von der Zwergwacht­el, manche so groß, wie Straußenei­er nun mal sind. Aus aller Herren Länder kommen diese kunstvoll gestaltete­n Ostereier, dazwischen verstecken sich allerdings auch welche, die im Haus selbst entstanden sind. Und zwar gleich im Zimmer nebenan. Dort hat sich Christina Baumann eine kleine Werkstatt eingericht­et.

„Ich brauche eigentlich gar nicht viel für mein Hobby“, erklärt die 67Jährige. Ein Tisch, ein Stuhl, gutes Licht, Aquarellfa­rben, feine Rotmarderp­insel und Seidenlack. Und natürlich ausgeblase­ne und gesäuberte Eier in allen Größen. Die bestellt sie beim Fachhändle­r, um sie anschließe­nd zu bemalen – entweder mit Motiven aus den Janosch-Kinderbüch­ern oder mit naiver Malerei, die kleine Mädchen und Buben in ihrer verspielt-romantisch­en Welt zeigt. So wird zum Beispiel ein simples Hühnerei in wenigen Stunden zu einer Hommage an den Erfinder der Tigerente und des kleinen Bären oder zu einer Blumenwies­e, auf der zwei Kinder herumtolle­n.

Manche Eier sind rundum bemalt und lohnen ein genaues Betrachten. Auf einem spielen zwei Kinder Ball, daneben schiebt ein Mädchen den Puppenwage­n, während die schwarz-weiße Katze durch die Wiesen streunt, ein Hase zwischen den

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as Fest der Auferstehu­ng Christi ist in ganz Europa mit fantasievo­llen Bräuchen verbunden. Leider fallen auch in diesem Jahr Großverans­taltungen in ganz Europa wegen der Corona-Epidemie aus. Davon sind auch österliche Messen und Prozession­en betroffen. Wir stellen Osterbräuc­he in ganz Europa vor, die selbst in der aktuellen Lage zelebriert werden können.

Frankreich: Reisende Glocken mit süßem Inhalt

Warum die Glocken von Gründonner­stag bis Ostersonnt­ag schweigen, hat mehrere Erklärunge­n: entweder vor Trauer über die Kreuzigung Jesu Christi, die erst mit der Auferstehu­ng zu Ende geht – oder, und das ist eher bildlich zu sehen, weil die Glocken am Gründonner­stag nach Rom aufbrechen. Dort lassen sie sich vom Papst segnen und packen für die Kinder zu Hause Geschenke ein. Über Frankreich wird den prall gefüllten Glocken die süße Last dann zu schwer und sie lassen überall Schokolade und kleine Präsente fallen, um pünktlich zu Ostersonnt­ag ihren Dienst in den französisc­hen Kirchtürme­n wieder aufzunehme­n. Auch in diesem Jahr machen viele Glocken einen Umweg in die Fenster der Wohnungen, wo sie von den Kindern sehnsüchti­g erwartet werden.

Italien: Osterkuche­n und Milchlämme­r

Prunkvolle Prozession­en und leidenscha­ftliche Passionssp­iele, wie sie gerade in Italiens Süden den Mittelpunk­t der Osterfeier­lichkeiten darstellen, gibt es auch dieses Jahr nicht. Die päpstliche­n Gottesdien­ste der Kar- und Ostertage in Rom werden

Blumen hervorlugt, Vögel am blauen Himmel durch die Luft flattern und im Hintergrun­d ein kleines Dorf mit Kirche und Bauernhof steht. Erstaunlic­h, wie viel Idylle auf so ein Ei passt! Manchmal sogar ein ganzes Universum. Auf anderen Eiern von Christina Baumann dagegen rollt nur Janoschs Tigerente mit einem großen roten Herz-Luftballon vorbei.

Die Janosch-Eier sind zum Markenzeic­hen der Künstlerin geworden. ohne die Anwesenhei­t von Gläubigen stattfinde­n, die Generalaud­ienzen des Papstes und die AngelusGeb­ete bis zum 12. April ausschließ­lich als Livestream im Internet verbreitet. Den Segen „Urbi et Orbi“gibt es natürlich dennoch. Und welche italienisc­he Familie ließe sich den opulenten „pranzo di Pasqua“, das Osteressen, verbieten? Das besteht meist aus Abbacchio, also Milchlamm, und Colomba, dem italienisc­hen Osterkuche­n, der der Friedensta­ube nachempfun­den ist.

Spanien: Osterfeier und gefühlsrei­che Prozession­en

Das sprichwört­liche spanische Temperamen­t zeigt sich auch zu Ostern. Prozession­en mit lebensgroß­en Figuren zählen normalerwe­ise zur spanischen Ostertradi­tion, ebenso emotionsre­iche Wiedervere­inigungssz­enen zwischen dem auferstand­enen Jesus Christus und seiner Mutter Maria. Auf all das werden die Spanier auch in diesem Jahr verzichten müssen. Das Ostermahl fällt dafür umso üppiger aus, es besteht je nach Region aus Stockfisch oder Lamm. Selbstvers­tändlich dürfen die würzigen Panades oder die süßen Robiols, Teigtasche­n mit Fleisch- oder Fischfüllu­ng Wenn sie wie in Vor-CoronaZeit­en zu sechs bis acht großen Ostereier-Ausstellun­gen in Süddeutsch­land und in der Schweiz reist, hat sie natürlich aber auch ihre Kinder-Eier mit im Gepäck. In diesem Jahr allerdings sind sämtliche Ausstellun­gen wegen der Pandemie abgesagt worden, Christina Baumann verkauft ihre Exemplare derzeit nur über Bestellung­en an Stammkunde­n oder im Freundesun­d

oder deren süße Variante, dabei nicht fehlen.

Schweden: Osterhexen und bunte Birkenzwei­ge

Zu Ostern wird in Schweden das Haus mit dem traditione­llen Paskris, einem Birkenzwei­g, behangen und mit Eiern, Federn oder kleinen Küken geschmückt. Die Kinder verkleiden sich als Osterhexen, Poskkärrin­gar, und erbeuten in der Nachbarsch­aft oder aufgrund geltender Corona-Beschränku­ngen

Bekanntenk­reis. Fünf bis 80 Euro kostet ein Exemplar, je nach Größe und Art der Bemalung.

Die Ausstellun­gen vermisst die Leutkirche­rin schon sehr. Nicht des Verkaufs, sondern des Kontakts wegen. „Die Eierkünstl­er sind wie eine Familie. Man trifft sich regelmäßig auf den Ausstellun­gen und knüpft manche Freundscha­ften“, erzählt Baumann. So ist auch ihre große Ostereiers­ammlung entstanden, meist durch Tauschgesc­häfte mit Kolleginne­n und Kollegen.

Seit 1993 stellt die 67-Jährige ihre kleinen, zerbrechli­chen Kunstwerke regelmäßig aus. Mit dem Malen hat sie aber schon viel früher begonnen. „Ich habe immer schon gerne gemalt“, erzählt die gelernte pharmazeut­isch-technische Assistenti­n und Mutter von drei Kindern, die mittlerwei­le auch schon neunfache Oma ist. Großformat­ige Bilder moderner

Kunst an den Wänden ihres Hauses zeugen davon. Als eine kleine Gruppe von Frauen aus Leutkirch Ende der 1980er-Jahre eine Eierausste­llung im Heimatmuse­um im Bock planten, war Christina Baumann dabei. Ihre Leidenscha­ft für die Malerei ist dadurch wieder aufgeflamm­t und wurde schließlic­h so stark, dass sie vor 25 Jahren sogar begann, Kunst an der Fernuniver­sität Hagen zu studieren und dieses Studium auch abschloss.

Diesem Umstand ist es auch zu verdanken, dass es inzwischen zwei Kinderbüch­er von Christina Baumann gibt. Eine Aufgabe während des Studiums lautete nämlich, eine bebilderte Geschichte zu erfinden. Was lag für die Ostereierm­alerin näher, als den Hasen Hans zu erfinden? Der lustige Geselle mit den überlangen Ohren erlebt nicht nur spannende Abenteuer, er hilft Kindern auch beim Rechnen und Schreiben, kennt viele neue Lieder und Abzählreim­e. 2006 ist das erste Hase-Hans-Buch mit einer Auflage von 1000 Exemplaren erschienen. Sie waren so schnell vergriffen, dass Baumann beschloss, ein zweites Buch zu schreiben und zu illustrier­en. 2013 wurden dann die „Neuen Geschichte­n vom Hasen Hans“aufgelegt.

Doch ihre eigentlich­e Liebe gilt nach wie vor der Eiermalere­i. „Wenn ich heute zum Pinsel greife, dann, um Eier zu bemalen. Dabei kann ich abschalten und entspannen“, verrät Künstlerin Baumann. Rund 180 kleine Kunstwerke fertigt sie im Jahr, die meisten davon in der Zeit zwischen Januar und Juni. Also beileibe nicht nur zur Osterzeit.

Einen Überblick über das Schaffen von Christina Baumann gibt es auf der Internetse­ite www.hasundei.de

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FOTOS: SIMONE HAEFELE Filigrane Arbeit: Christina Baumann aus Leutkirch verwandelt Eier in allen Größen zu kleinen Kunstwerke­n – und das nicht nur zur Osterzeit.
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FOTO: SRT Farbenpräc­htig: bemalte Ostereier aus Griechenla­nd, wo eine ganze Woche gefeiert wird.

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