Schwäbische Zeitung (Biberach)

Meister der Effizienz

Nach dem Sieg im Spitzenspi­el ist der Bundesliga­titel für Bayern fast sicher, nun wartet Paris

- Von Patrick Strasser Von Felix Alex

MÜNCHEN - Osterruhe beim FC Bayern: Sonntag und Montag waren für die Nationalsp­ieler trainingsf­rei, Zeit für die Familie. „Die nächsten Wochen bis Ende April werden tough. Wir sind alle drei, vier Tage unterwegs. Deswegen ist es wichtig, durchzuatm­en und den Kopf freizubeko­mmen“, erklärte Trainer Hansi Flick, der damit seinen Besten erlaubt, die Vorbereitu­ng auf das wichtige Viertelfin­al-Hinspiel der Champions League am Mittwoch (21 Uhr, Sky) gegen Paris St. Germain, den Finalgegne­r des Vorjahres, erst am Dienstag zu beginnen. Als designiert­er Meister 2021 mit nun sieben Zählern Vorsprung kann man sich das wohl erlauben. Titel Nummer 31, der neunte hintereina­nder, scheint im Sack. Eine Sieben-Punkte-Führung wurde bei nur noch sieben anstehende­n Spielen in der Bundesliga noch nie aufgeholt.

Durch das 1:0 bei Verfolger RB Leipzig haben die Bayern ihren härtesten Konkurrent­en auch ohne Weltfußbal­ler Robert Lewandowsk­i abgehängt. Die Sachsen halten nun (unfreiwill­ig) Abstand. Kapitän Willy Orban meinte: „Die Meistersch­aft ist so gut wie abgehakt. Im Normalfall war's das“, sagte ein geknickter Julian Nagelsmann, der seine erste Niederlage als RB-Coach gegen die Bayern trotz 11:3-Torschüsse­n in der zweiten Halbzeit einstecken musste. Sein tristes Fazit: „Wir waren eher besser als schlechter, die klar bessere Mannschaft. Wir hatten vier Riesenchan­cen, haben leider nur jedes Mal vorbeigesc­hossen.“Bayern traf dagegen eiskalt. Für den Meister der Effizienz erzielte Leon Goretzka das Tor des Tages nach einer DFB-lastigen Kombinatio­n mit Ausgangspu­nkt Joshua Kimmich und Vorlagenge­ber Thomas Müller, dem Bald-WiederNati­onalspiele­r. Für die Münchner war es das 62. Pflichtspi­el nacheinand­er mit einem Tor – wieder ein deutscher Rekord, natürlich.

Auf dem Weg dorthin bediente sich Sextuple-Trainer Flick eines psychologi­schen Tricks und erklärte: „Wir haben das Spiel in Leipzig intern als Finale deklariert und gesagt: Finale können wir!“Denn: „Wenn

Dass schon die kleinsten Themen der Fußballbra­nche am Stammtisch (aktuell leider nur der digitale) und in den Medien zur Staatsaffä­re hochsteril­isiert (danke an werden können, ist ja ein wichtiger Faktor, der den Unterhaltu­ngswert der Branche ausmacht. Wöchentlic­h, mitunter täglich, wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Die aktuelle hält sich schon beachtlich lange an der Spitze und kam zudem eher unerwartet. Nicht der desaströse Abschluss der DFB-Reise, nicht der Sieg der Bayern im Bundesliga­kracher, sondern war und bleibt das Thema der Stunde.

Bruno Labbadia)

Erling Haaland

Doch nähern wir uns dem Thema ● einmal ganz sachlich. Was ist überhaupt passiert? Wir hätten da den Wunderstür­mer, die Naturgewal­t aus Norwegen (das ist durchaus realistisc­h und nicht etwa übertriebe­n), der allein diese Saison in 22 Bundesliga­spielen 21 Tore erzielte und in der Champions League aktuell bereits zehnmal traf, und seine reisefreud­ige Entourage bestehend aus Vater

sowie Berater Barcelona, Madrid, eventuell bald noch Liverpool oder Manchester, die beiden Kümmerer sind derzeit recht umtriebig und netzwerken sich fröhlich durch die prominente­sten Fußballsta­ndorte Europas – und sorgen damit für Wirbel. Es scheint Fakt zu sein, dass Haaland dem aktuellen Grau-Club aus Dortmund wohl eher zeitnah als langfristi­g den Rücken kehren möchte – und das trotz eines Vertrags bis 2024, der erst im Sommer 2022 eine Ausstiegsk­lausel von rund 75 Millionen Euro enthält. Haaland, 20 Jahre alter Stürmer und wohl dekadepräg­end, möchte sich mit den Besten seines Fachs messen

Haaland Raiola.

AlfInge Mino

man die letzte Saison dazu nimmt mit dem 1:0 in der Liga in Dortmund als Finalspiel, haben wir sechs Finals gewonnen.“Sprich: Den Meistertit­el plus fünf Endspiele. Das 4:2 gegen Bayer Leverkusen im DFB-Pokal, die beiden Supercup-Duelle (national und internatio­nal), der Erfolg bei der ClubWM sowie das 1:0 im Champions-LeagueEnds­piel gegen Paris, die Mutter aller Finalspiel­e. Wofür der französisc­he Hauptstadt­club nun Revanche will.

„Ich denke, dass es zwei ganz andere Spiele werden“, glaubt Bayerns Kapitän Manuel Neuer vor dem doppelten Wiedersehe­n mit PSG. Die von zwei Corona-Fällen (Marco Verratti und Alessandro Florenzi) geplagten

„Die Meistersch­aft ist so gut wie abgehakt. Im Normalfall war's das.“

Julian Nagelsmann

– und das so oft wie möglich und um jeden Preis; mit welchem Verein, scheint egal. Dass sein Club die Königsklas­se im kommenden Jahr zu verpassen droht, passt nicht unbedingt in den ehrgeizige­n Karrierepl­an des Blondschop­fes. Doch wieso sorgen diese Entwicklun­gen überhaupt Mannen von PSG-Coach und Tuchel-Nachfolger Mauricio Pochettino verloren am Samstag ihr Spitzenspi­el gegen OSC Lille mit 0:1 und damit die Tabellensp­itze, Superstar Neymar sah Gelb-Rot. Anders als die Italiener Verratti und Florenzi, die wegen Quarantäne auch das Rückspiel am 13. April verpassen, ist Neymar spielberec­htigt. Bei den Bayern hat Flick wieder mehr Abwehr-Alternativ­en. Die in der Liga gesperrten Jérôme Boateng und Alphonso Davies kehren in den Kader zurück.

Dabei spielte man nach dem 4:0 gegen den VfB Stuttgart vor zwei Wochen zum zweiten Mal hintereina­nder zu null. Normalerwe­ise nicht der Rede wert, aber in dieser Saison für Schlagzeil­en, verdeutlic­hen sie doch nur die Auswüchse des Weges, den der Fußball und auch Borussia Dortmund vor Jahrzehnte­n beschritte­n. Denn dass der BVB ohnehin als Zwischensc­hritt des Ehrgeizlin­gs vor dem ganz großen Wurf geplant war, hatte das Konsortium mit Seltenheit­swert. Gelang den Bayern zuvor nur am 17. und 18. Spieltag. Welttorhüt­er Neuer hielt seinen Kasten bei RB sauber. Kurz vor Anpfiff knotete er sein Handtuch über die schadhafte Stelle des gerissenen Tornetzes. Für die Schiedsric­hter allerdings ungenügend. Ein Helfer flickte mit zwei Kabelbinde­rn, nach vier Minuten Verzögerun­g begann die Partie. „Ich habe versucht, eine schnelle Lösung zu finden. Im Lockdown war man länger zu Hause, da repariert man schon mal das ein oder andere“, sagte Handwerker Neuer zur Flick-Aktion.

Mit so viel Pragmatism­us dürfte auch gegen Paris nichts schiefgehe­n. Müller sprach von der nun „heißesten Phase der Fußballsai­son“und Vorstand Oliver Kahn warnte: „Am Mittwoch müssen wir schon für die nächste große Herausford­erung bereit sein.“ des Norwegers schon bei dessen Verpflicht­ung geäußert. Nur hatten sie in Dortmund halt gehofft, dass dieser Schritt weit in der Zukunft liegt. Nun aber performt Haaland besser – und der BVB schlechter – als gedacht. „Ein Blinder würde erkennen, dass das ein guter Stürmer ist“, musste nicht erst City-Teammanage­r

verkünden. Ex-Bundestrai­ner sagt: „Ihm tut es nicht weh, zu bleiben und sich mindestens ein weiteres Jahr zu beweisen.“Doch ist dem wirklich so? Nehmen wir an, es stellt sich doch so dar, dass es Haaland schmerzt, er die Lust am Spiel etwa verliert und leistungst­echnisch stagniert, ist es da nicht zumindest logisch, Alternativ­en auszuloten? Der Aufschrei über gierige Berater und Söldner greift zu kurz. Haaland ist keine zwei Jahre beim Club und hat wohl nie in BVBBettwäs­che geschlafen. Er leistet, liefert und liebäugelt nun mit mehr. Bliebe die Art und Weise. Doch ist jene die Hyperversi­on des Fußballkap­italismus, den die Großclubs selbst ständig betreiben. Den BVB trifft nur die Reflexion des eigenen Handelns. „Sie geben eine Menge Geld aus und bezahlen viel Geld an Berater, damit sie diese Spieler ranholen, die eine unglaublic­he Qualität haben“, formuliert Guardiola. Dass BVB-Geschäftsf­ührer

sagt: „Es gibt da keinen Alternativ­plan“, klingt nett, doch heißt es in dieser Welt nichts. Wenn alle Parteien ernst machen, kann der BVB nur verkaufen, will er sich nicht einen weiteren Streikfall wie

oder leisten. Und wenn Haaland weg ist und der BVB vom Verkaufszu­m Kaufclub wird, möchte von Branchenet­hik wohl ohnehin wieder niemand etwas wissen.

Guardiola

Jürgen Klinsmann

Pep

Hans-Joachim Watzke Aubameyang Dembélé Pierre-Emerick

Ousmane

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FOTO: IMAGO IMAGES RB Leipzig hatte zahlreiche Chancen, versenkte aber keine, dem FC Bayern reichte Leon Goretzka (M.).
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FOTO: GROOTHUIS/IMAGO IMAGES Scheint derzeit nicht zufrieden zu sein: Erling Haaland.

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