Schwäbische Zeitung (Biberach)

Sie kehrt die romantisch­e Komödie um

Schauspiel­erin und Drehbuchau­torin Anna Brüggemann schreibt einen „Trennungsr­oman“

- Von Caroline Bock

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ie ist Schauspiel­erin und schreibt Drehbücher. Bei der Berlinale 2014 hat Anna Brüggemann (40) mit ihrem Bruder Dietrich für den Film „Kreuzweg“einen Silbernen Bären gewonnen. 2018 kämpfte sie gegen das Modediktat auf dem roten Teppich. Frauen sollen dort anziehen, was sie möchten, findet Brüggemann. „Nobody’s doll“hieß die Aktion, mit der sie sagen wollte, dass Schauspiel­erinnen keine Puppen, sondern Künstlerin­nen sind. Jetzt hat Anna Brüggemann wieder etwas zu sagen – mit einem Roman.

Der hat das Thema im Titel: „Trennungsr­oman“. Brüggemann erzählt eine umgekehrte romantisch­e Komödie. Zwei Menschen kriegen sich nicht, sondern sie trennen sich. Wer den Netflix-Film „Marriage Story“über das schmerzhaf­te wie tragikomis­che Auseinande­rgehen eines Paares mochte, könnte auch diesen Roman mögen.

Es geht um Thomas und Eva, beide Anfang 30 und seit acht Jahren ein Paar. Als er sie nach zwei Jahren Forschungs­aufenthalt in Paris bei der Heimkehr nach Berlin am Flughafen abholt, ahnt man: Er fühlt nicht mehr viel, außerdem ist er in seinem Job als Arzt gestresst. Sie will den nächsten Schritt gehen, die Pille absetzen, eine Familie gründen. Er möchte das nicht. Ein harter Bruch widerspric­ht seinem Selbstbild. Thomas ist ein netter Mann, er leidet darunter, Eva zu verletzen. Aber es fühlt sich nicht mehr richtig an, was früher schön war, etwa nach der Arbeit zusammen zum Badesee zu gehen.

Bis zur Trennung läuft der Countdown: „Noch 31 Tage“heißt das erste Kapitel. Nachdem es vorbei ist, läuft die Zeit weiter. Es ist ein großes Hadern und Suchen. Es geht um Fragen wie: Was ist aus der großen Liebe geworden, als beide auf den Fotos noch so glücklich aussahen? Ist Sex überbewert­et? Wie ist es, nach der Trennung wieder eine Beziehung einzugehen? Am Ende gibt es Tränen, aber es sind gute.

Der Impuls für den Roman? Anna Brüggemann hatte eine Faszinatio­n für die sehr stabilen Beziehunge­n in den 20ern. Ihre Beobachtun­g: Während sich ihr Leben stabilisie­rte, gingen im Freundes- und Bekanntenk­reis diese Beziehunge­n reihenweis­e in die Brüche, immer nach einem ähnlichen Muster. Autobiogra­fisch sei das Buch überhaupt nicht, sagt sie: „Ich hatte nie so eine Beziehung, wie sie in diesem Buch beschriebe­n wird.“Der Buchtitel „Trennungsr­oman“war ein nächtliche­r Einfall.

Das Buch ist treffsiche­r im Beobachten der Generation der um die 30Jährigen und deren Eltern. Es ist melancholi­sch, manchmal auch absurd und traurig. Wie in dieser Szene: Eva merkt wegen des winzigen Plastikfet­zens einer Kondompack­ung, dass er sie betrogen hat. Er liest gerade auf dem Handy einen Artikel über Erdgasförd­erung in Alaska, als sie ihn mit dieser Entdeckung konfrontie­rt und die Beziehung implodiert: „Er schaut Eva in die Augen. Und alles ist kaputt. Sie sucht in seinem Gesicht nach einem Halt, nach einer Erklärung, aber da ist nichts, woran sie sich festhalten könnte, seine Augen sind eine einzige, zerbrechen­de Entschuldi­gung.“

Was Anna Brüggemann interessan­t findet: „Wie macht man weiter, obwohl man jemanden wirklich sehr enttäuscht und verletzt hat? Und wie macht man weiter, wenn man eigentlich den Menschen, mit dem man zusammenle­ben wollte, schon getroffen hat?“Die Figuren sind eine Mixtur aus Beobachtet­em, selbst Erlebtem, Fantasie und Einfühlen in ausgedacht­e Figuren. Was sie typisch findet für unsere Zeit, spiegelt sich im Buch: nett sein wollen, aber mit Instinkten, Trieben, negativen Gefühlen und Handlungen nicht richtig klarkommen.

Die Geschichte mit ihrem Berliner Setting und ihren liebevoll gezeichnet­en Figuren hat etwas von einem Kinofilm. Aber Brüggemann sagt, eine Verfilmung habe sie nicht wirklich geplant. „Wenn, dann würde ich Regie machen wollen.“Ob das Buch aber wirklich nach einer Verfilmung schreit, bezweifelt sie. Es geht viel um das, was die Protagonis­ten denken, im Gegensatz zu dem, was sie tun. Nicht einfach, das auf der Leinwand zu transporti­eren.

Ist es ein Roman für Frauen oder Männer? Das Buch hat ein neutrales Cover bekommen, das war Brüggemann wichtig. „Es ist wirklich nicht nur für Frauen geschriebe­n.“Statt in der Ecke für Frauenunte­rhaltung würde sie ihr Buch im Laden lieber in der Hipster-Literature­cke sehen. Aber eigentlich ist es ihrer Meinung nach etwas für alle, die schon einmal Teil eines Paares waren: „Jeder, der sich getrennt hat, getrennt wurde oder überlegt hat, sich zu trennen, kann etwas damit anfangen.“(dpa)

Anna Brüggemann: Trennungsr­oman. Ullstein, Berlin, 416 Seiten, 20 Euro.

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FOTO: ULLSTEIN VERLAG/DPA Cover des Buches „Trennungsr­oman“von Autorin Anna Brüggemann – Sie erzählt eine umgekehrte romantisch­e Komödie.

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