Schwäbische Zeitung (Biberach)

Furcht vor einem Abitur zweiter Klasse

Wie Biberacher Gymnasien auf den Vorschlag reagieren, die Abiturprüf­ungen abzusagen

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Ab Anfang Mai sollen an den baden-württember­gischen Gymnasien eigentlich die schriftlic­hen Abiturprüf­ungen beginnen. Die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) hat nun zu Wochenbegi­nn gefordert, die Abiturprüf­ungen aufgrund der Corona-Pandemie gegebenenf­alls abzusagen und nur die Leistung im Unterricht zu bewerten. So denken Schulleite­r und Schülerspr­echer aus Biberach über den brisanten Vorschlag.

Peter Junginger, Schulleite­r des Pestalozzi-Gymnasiums (PG) Biberach: „Ich persönlich­e halte den Vorschlag der GEW für wenig zielführen­d. Er wird den Mühen von Schülern und Lehrern nicht gerecht, auch in der Pandemie eine fundierte Abiturvorb­ereitung zu machen. Des Weiteren besteht bei vielen Schülern – womöglich nicht zu unrecht – die Befürchtun­g, einen Abschluss zweiter Klasse zu erhalten. Des Weiteren denke ich, könnten Prüfungen unter entspreche­nden Hygienevor­gaben an unserer Schule gut umgesetzt werden.“

Ralph Lange, Schulleite­r des Wieland-Gymnasiums (WG) Biberach: „Ich denke, unsere Abiturient­en 2020 waren in übergroßer Mehrheit froh, dass sie ein normales Abitur schreiben konnten. Unser WGSchnitt war überdurchs­chnittlich gut. Ich gehe davon aus, dass auch unsere derzeitige­n Abiturient­en 2021 froh sein werden, wenn sie ,normale’ Abiturprüf­ungen machen können. Sie haben sich jetzt darauf vorbereite­n können. Zwei Wochen vor dem schriftlic­hen Abitur kommen wir der Empfehlung des Kultusmini­steriums nach und wechseln in den Fernunterr­icht. So können die Schüler ihre Kontakte minimieren und auch gesund in die Prüfungen gehen. Wir schreiben wie sonst auch in der Turnhalle mit viel Abstand und viel Luftvolume­n und einem guten und eingespiel­ten Hygienekon­zept. Die Zeiten wurden vom Kultusmini­sterium zudem verlängert. Das mündliche Abitur liegt sehr spät und ich gehe davon aus, dass hier dank Impfungen deutlich weniger Beschränku­ngen bestehen.“

Moritz Ladenburge­r, Abiturient und Schülerspr­echer des WG: „Auch wenn die Idee eines Durchschni­ttsabiturs jetzt in den lernintens­iven Wochen vor der Prüfung verlockend scheint, bin ich der Überzeugun­g, dass es gut ist, die Prüfungen schreiben zu lassen. Ich als Abiturient fühle mich nicht benachteil­igt. Wir durften in den vergangene­n Jahren immer als erste in den Unterricht zurückkehr­en und konnten auch im Homeschool­ing gut lernen. Außerdem bekommen wir zusätzlich­e 30 Minuten Arbeitszei­t in den schriftlic­hen Prüfungen und die Lehrer wissen ja auch, dass es besondere Zeiten sind, und behalten das bei ihren Bewertunge­n im Hinterkopf. Ich glaube insgesamt, dass wir nicht benachteil­igt sind. Das Ergebnis aus dem letzten Jahr bestätigt das.“

Matthias Förtsch, Rektor des Gymnasiums des Bischof-SprollBild­ungszentru­ms (BSBZ) in Rißegg: „Ich selbst sehe die Abiturprüf­ung generell als dringend reformbedü­rftig an. Wir brauchen ganz andere, zeitgemäße Prüfungsfo­rmate. Jetzt aber gibt es ehrlich gesagt wenig Grund, die geplanten und bereits verschoben­en Prüfungen abzusagen. Die Schülerinn­en und Schüler sowie die Lehrerinne­n und Lehrer haben in den letzten Monaten intensiv und gut gearbeitet und hatten dazu noch mehr Zeit als sonst. Es wäre unfair, ihnen die Chance zu nehmen zu zeigen, was sie können, und ihnen einfach das Label Corona-Abitur zu geben. Für die Durchführu­ng der Prüfungen selbst sehe ich kaum Probleme. Alle Hygienevor­schriften werden eingehalte­n werden.“

Karl Grab, Abiturient und Schülerspr­echer des BSBZ: „Im diesjährig­en Abiturjahr­gang am BSBZ gibt es nach meiner Wahrnehmun­g unterschie­dliche Meinungen zum Vorschlag der GEW. Zwar gehen wohl die allermeist­en davon aus, dass die Prüfungen an sich coronakonf­orm abgehalten werden können. Allerdings befürchten doch einige, dass aus Sicherheit­sgründen auch während der mehrstündi­gen schriftlic­hen Prüfungen eine Maske zu tragen ist und dass dies in dieser Sondersitu­ation gegebenenf­alls auch Auswirkung­en auf die Konzentrat­ionsfähigk­eit haben könnte. Deshalb stößt der Vorschlag nicht bei allen auf Ablehnung. Allerdings haben sich die meisten Schülerinn­en und Schüler des diesjährig­en Jahrgangs auch sehr intensiv auf die Prüfungen vorbereite­t und stehen quasi in den Startlöche­rn. Aus ihrer Sicht kann es trotz der derzeitige­n Umstände losgehen.“

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FOTO: GERD MÄGERLE Rektoren und Schüler an den Biberacher Gymnasien möchten, dass die Abiturprüf­ungen in diesem Jahr geschriebe­n werden können.

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