Schwäbische Zeitung (Biberach)
Am liebsten radelt er zum Gottesdienst
Vor 60 Jahren hat der katholische Pfarrer Franz Ladenburger in Laupheim Primiz gefeiert
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LAUPHEIM/REGION - Von Laupheim zog er aus, Gottes Wort zu verkünden, als Pensionär kehrte er in die Heimat zurück. Am Ostermontag waren es 60 Jahre, dass Pfarrer Franz Ladenburger in der Kirche Sankt Petrus und Paulus Primiz feierte. Gern hätte er zu seiner diamantenen Priesterweihe Gäste und Konzelebranten versammelt, doch die Corona-Pandemie lässt das nicht zu.
Munter klappert die alte Olympia-Schreibmaschine, wenn Franz Ladenburger seine Predigten vorbereitet. Das tut der 84-Jährige noch regelmäßig. Bis zum ersten Lockdown wirkte er in der Seelsorgeeinheit Laupheim, seit dem vergangenen Sommer unterstützt er seinen Schwendier Amtsbruder Martin Ziellenbach, der momentan auch als Administrator für die Seelsorgeeinheit Sankt Scholastika und damit für insgesamt zehn Kirchengemeinden zuständig ist.
Reihum feiert Ladenburger in Reinstetten, Laubach, Gutenzell und Hürbel die heilige Messe, gestützt auf Hunderte Predigten, die er im Lauf von Jahrzehnten verfasst hat. Er wählt welche aus, überarbeitet den Text, passt ihn an aktuelle Entwicklungen an, kürzt ihn („früher waren die Predigten deutlich länger“) und tippt die Neufassung lesefreundlich mit großem Zeilenabstand. Manches sehe er heute anders als als junger Vikar. „Zuweilen schüttele ich den Kopf über das, was ich einst schrieb“, erzählt er schmunzelnd. „Bei anderen Texten denke ich: sagenhaft!“
Gänzlich neue Predigten entwerfen, das schaffe er nicht mehr, bekennt der Jubilar. Jedoch fährt er noch immer am liebsten mit dem Rad zu den Gottesdiensten. Nach Laubach führt die längste Tour, 17 Kilometer. Für einen geübten Radler wie ihn kein Ding. „Das ist gesund und der einzige Sport, den ich treibe“, sagt Ladenburger. Ganz klassisch, ohne E-Power ist er unterwegs. In der kalten Jahreszeit hat er sich chauffieren lassen, „aber nach Ostern, wenn es wärmer wird, steige ich wieder aufs Rad“. Auch im Heilig-Geist-Spital in Laupheim liest er Messen.
Geboren ist Ladenburger, Sohn eines Textilkaufmanns, im Hafnergässle. Sein Vater leitete den katholischen Kirchenchor, als Bub sang der Franz im Sopran mit. „Ich bin ins kirchliche Leben hineingewachsen und wusste schon mit zwölf Jahren, dass ich Pfarrer werden will“, erzählt er. So wechselte er denn ans Konvikt nach Ehingen, lernte Latein, Griechisch
und Hebräisch, machte 1956 Abitur und studierte anschließend Theologie in Tübingen. Am 18. März 1961 empfing er im Dom zu Rottenburg die Priesterweihe.
Es folgten fünf Jahre als Vikar in einer neu gebildeten Pfarrei in Ludwigsburg. „Das war sehr anstrengend“, erinnert er sich. „16 Wochenstunden Religionsunterricht an vier verschiedenen Schulen und jeden Sonntag predigen.“Die Gemeindemitglieder waren über etliche Dörfer verstreut. Damals hat er sein erstes Auto angeschafft, einen DKW Junior mit Zweitaktmotor.
Als Pfarrer wirkte Ladenburger in Sontheim an der Brenz, Nendingen, Filderstadt-Bonlanden und Ebersberg. „Nach meiner Zeit in Nendingen hatte ich das Gefühl, dass mir das Mönchische, Kontemplative womöglich mehr liegen könnte“, berichtet er. Also ließ er sich vom Bischof
beurlauben und lebte ein halbes Jahr bei drei verschiedenen Ordensgemeinschaften in Frankreich. Und erkannte: „Das ist doch nicht das Richtige für dich.“Er kehrte zurück in die Seelsorge – „der Bischof hat sich gefreut, dass ich wiederkam“.
Nach einer schweren Augenerkrankung, die einen Sanatoriumsaufenthalt notwendig machte, hat Ladenburger keine Pfarrei mehr übernommen. Als Pensionär aushelfen aber möchte er, so lange es ihm möglich ist. Und seiner Passion für Frankreich frönen. „Unter denen, die mit mir zur Priesterweihe anstanden, war ich als Einziger noch nie in Rom gewesen“, erzählt er. „Aber bereits xmal in Paris.“
Schon in der Jugend, als SanktGeorgs-Pfadfinder, zog es ihn über den Rhein. In jener Zeit sind Freundschaften gewachsen, die bis heute Bestand haben. Alle paar Wochen telefoniert Ladenburger mit dem gleichaltrigen Jean-Marie Hardy aus Nantes – „er hat 1961 bei meiner Primiz fotografiert und war auch 2011 dabei, als ich in Laupheim das goldene Priesterjubiläum feiern durfte“. Ehrensache, dass Hardy auch jetzt zum 60. Jahrestag gekommen wäre – wäre da nicht die Pandemie. Ob nachträglich gefeiert wird? „Man wird sehen, was sich ergibt.“
Franz Ladenburgers Blick über den eigenen Kirchturm hinaus hat sich auch in einer vielleicht einzigartigen Sammlung niedergeschlagen. Das „Vater unser“besitzt er in annähernd tausend Sprachen und Dialekten, von A wie Abchasisch bis Z wie Zoque de Fra de Leon, das in Mexiko gesprochen wird. Gottes Wort kennt viele Zungen.