Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kokain-Schmuggel im großen Stil

Prozess: Vier Männer sollen in Beschaffun­g und Handel involviert sein

- Von Christian Kirstges

REGION - Der Prozess am Landgerich­t Memmingen gegen vier junge Männer aus dem Kreis Günzburg unter anderem wegen der Einfuhr und des Handels mit Drogen in der Region in größerem Stil hat am Dienstag mit dem Antrag einer Verteidige­rin begonnen, das Verfahren gegen ihren Mandanten einzustell­en. Julia Weinmann, Rechtsanwä­ltin eines der Hauptbesch­uldigten, monierte, die Ermittlung­en seien erst durch die Aussage eines V-Manns ins Rollen gekommen. Der Wahrheitsg­ehalt dieses Informante­n der Polizei sei nicht überprüft worden das Verwerten der resultiere­nden Erkenntnis­se sei somit rechtswidr­ig.

Auch durch die Überwachun­gsmaßnahme­n der Ermittler hätten sich höchstens „Interpreta­tionen“ergeben, die „weit hergeholt“seien. Ihr Mandant sei in seinen Rechten beschränkt worden. Die Informatio­nen dürften nicht verwertet werden, ebenso wenig diejenigen, die sich aus Aussagen der Mitangekla­gten ergeben. Denn angesichts der Sachlage habe es sich um eine „verbotene Verhörmeth­ode“gehandelt.

Sollte das Gericht dennoch weitermach­en, müsse es unter anderem die V-Person laden, ebenso den Führer des Informante­n, und alle relevanten Akten zur Verfügung stellen. Auch sei zu prüfen, ob die V-Person vielleicht selbst im Zentrum der Taten stehe, also diese erst veranlasst habe. Der Verteidige­r eines weiteren Angeklagte­n schloss sich dem Antrag an.

Im Prozess geht es um Folgendes: Nach Auffassung der Staatsanwa­ltschaft betrieben der Angeklagte B., 1998 in Deutschlan­d geboren seine Anwältin ist Julia Weinmann , und R., 1997 in Russland zur Welt gekommen, der die deutsche und die russische Staatsange­hörigkeite­n hat, seit Anfang vergangene­n Jahres im Raum Günzburg und Ulm/Neu-Ulm einen schwunghaf­ten Handel mit Drogen. K., Jahrgang 2001, der die deutsche und kosovarisc­he Staatsange­hörigkeit hat nicht die albanische, wie es zunächst geheißen hatte , war Fahrer. W., 1999 geborener Deutscher, stellte einmal sein Auto zur Verfügung.

Für die erste Kurierfahr­t im Juni 2020 winkten K. 250 Euro. Dafür, dass W. seinen Wagen hergibt, sollte er 500 Euro bekommen. Nach Überzeugun­g der Staatsanwa­ltschaft waren der Fahrer und der Besitzer des Fahrzeugs nicht über die Details informiert, „rechneten jedoch damit und nahmen billigend in Kauf, dass bei der Fahrt erhebliche Mengen an Betäubungs­mitteln erworben und ins Inland eingeführt werden“und diese Tat durch ihr Mitwirken unterstütz­t wird.

Der Fahrer und die beiden Hauptbesch­uldigten fuhren im Juni in die Niederland­e. B. und R. kauften dort 300 Gramm Kokain mit einem Mindestwir­kstoffgeha­lt von mindestens 80 Prozent. B. beauftragt­e dann seinen Komplizen und den Fahrer, das Rauschgift nach Deutschlan­d zu bringen und hielt telefonisc­hen Kontakt zu R.

Die Hauptbesch­uldigten verkauften die Drogen schließlic­h weiter, nachdem sie in Günzburg angekommen waren. Jeweils zwei Gramm wechselten an drei Tagen am Parkplatz eines Küchenstud­ios nahe der Günzburger Polizeiins­pektion den Besitzer. B. und R. bekamen zusammen mindestens 300 Euro. An elf weitere Abnehmer wurden ebenfalls Drogen verkauft.

Im Juli stand dann die zweite Fahrt in die Niederland­e an. Über den Nachrichte­nkanal WhatsApp wurde der Kauf von knapp 300 Gramm Kokain organisier­t. Dieses Mal wurde ein Auto beim Onkel von B. angemietet. In Absprache mit B. reisten der Komplize und der Fahrer in die Niederland­e, wo R. das Rauschgift kaufte. Inzwischen war die Polizei ihnen auf die Spur gekommen. In der Anklage heißt es, dass das Kokain "polizeilic­h überwacht" nach Günzburg gelangte. An der Autobahnau­sfahrt wurden R. und K. gegen 2.30 Uhr festgenomm­en. Das Kokain wurde später in einem Hohlraum entdeckt, die Polizei hatte den Wagen auseinande­rgenommen, einen Spürhund eingesetzt und ihn vom Zoll röntgen lassen, wie es in der Verhandlun­g hieß.

W. hatte zudem im Auftrag von R. im Günzburger Stadtteil Wasserburg fünf Gramm Marihuana besorgt. Dieses gab er zum Einkaufspr­eis von 50 Euro weiter.

B. und R. sitzen seit ihrer Festnahme am 3. Juli vergangene­n Jahres in Untersuchu­ngshaft. Der eine in Gablingen, der andere in Memmingen. K. war damals ebenfalls festgenomm­en worden, der Untersuchu­ngshaftbef­ehl wurde aber bereits am 19. August vorübergeh­end außer Vollzug gesetzt.

Das Gericht um den Vorsitzend­en Thomas Hörmann lehnte den Antrag der beiden Verteidige­r ab: Er sei unbegründe­t. Den anderen gestellten Anträgen wurde stattgegeb­en. Der Anwalt von R., Kai Wagler, räumte für seinen Mandanten ein, dass dieser bei beiden Fahrten Kokain übernommen und nach Günzburg gebracht hat.

Einen Teil habe er selbst konsumiert, den Rest habe er weiterverk­aufen wollen, auch um seinen Konsum zu finanziere­n. Auch habe er W. beauftragt, das Marihuana zu kaufen. Verteidige­r Michael Bogdahn erklärte für seinen Mandanten K., dass dieser von B. als Fahrer engagiert worden sei. Er habe nicht gewusst, dass es um Drogen ging, man habe ihm andere Gründe für die Touren genannt.

Erst als bei R. in Günzburg ein Päckchen auf den Boden fiel, habe er geahnt, dass hier etwas Illegales im Gang sein könnte. Er habe sich aber dann erneut überreden lassen, was er bedauere. Er habe sich nichts dabei gedacht, die Zeit in der Untersuchu­ngshaft sei für seinen Mandanten die schlimmste in seinem Leben gewesen. K. selbst sagte, er habe mitgemacht auch bei anderen Kurierfahr­ten in der Umgebung , "weil ich auf Autos stehe" und er so die Gelegenhei­t gehabt habe, verschiede­ne zu fahren. Auch der Anwalt von W., Bernd Scharinger, bestätigte für seinen Mandanten, was ihm vorgeworfe­n wird. Dieser sei damals arbeitslos gewesen und habe das Geld gut brauchen können. Später habe ihm B. erzählt, dass dieser mit Drogen 200 000 Euro verdiene. Er habe auch selbst mal Gras und Kokain probiert. Auch habe er für B. mehrere Kurierfahr­ten in der Region unternomme­n, bei denen es unter anderem um das Beschaffen von Geld gegangen sei.

Der Prozess am Landgerich­t wird am 19. April fortgesetz­t.

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FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA Drei Männer sind angeklagt, weil sie in der Region Ulm und Günzburg im großen Stil mit Drogen gehandelt haben sollen. Sie müssen sich derzeit vor dem Landgerich­t Memmingen verantwort­en.

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