Schwäbische Zeitung (Biberach)

Öpfingen zwischen Ohnmacht und Sorge

Der Unmut über das Agieren des Klägers gegen Bauplatz-Vergabekri­terien wächst

- Von Reiner Schick

ÖPFINGEN - Von einer „Ohnmacht“hatte Öpfingens Bürgermeis­ter Andreas Braun in der jüngsten Gemeindera­tssitzung gesprochen, als es um die verzwickte Lage beim Langzeitth­ema Baugebiet „Halde“ging. Der Stopp der Bauplatzve­rgabe auf Antrag eines Bürgers beim Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n hat viele im Ort tief getroffen. Zum einen, weil völlig unklar ist, wann und wie es weitergehe­n kann. Zum anderen mehren sich die Vorwürfe, dass es dem Kläger gar nicht so sehr um sein gutes Recht und einen eigenen Bauplatz geht, sondern in erster Linie darum, der Gemeinde zu schaden. Deshalb gehen nun die beiden Bürgermeis­ter-Stellvertr­eter im Gemeindera­t, Dominik Maier und Wolfgang Reitmayer, in die Offensive und äußern ihre Sicht der Dinge.

„Der Gemeindera­t bekommt von dem Kläger seit mehreren Wochen regelmäßig Mails mit dem Vorwurf, wir würden der Aufgabe eines Kontrollor­gans nicht nachkommen. Dabei wird auch immer wieder die Art des Bürgermeis­ters angegriffe­n“, berichten Maier und Reitmayer. Ein solches Schreiben habe es auch am 10. März gegeben. „Wir haben ihm geantworte­t und einiges klargestel­lt“, sagt Reitmayer und ergänzt: „Wir legen im Gemeindera­t Wert auf eine vertrauens­volle, aber auch kritische Zusammenar­beit. Dazu zählt ein konstrukti­ver Austausch im Gremium und mit dem Bürgermeis­ter. Wir legen auch den Finger in die Wunde, wenn es sein muss.“

Dominik Maier macht keinen Hehl daraus, was er von dem Gebaren des Klägers hält: „Mein Gefühl ist: Es geht ihm nicht um einen Bauplatz, sondern darum, die Arbeit des Gemeindera­ts in Frage zu stellen und in ein schlechtes Licht zu rücken.“Auch verschiede­ne Bürger wurden gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“schon deutlich: Der Kläger habe schon im Februar vergangene­n Jahres, als die Vergabekri­terien noch gar nicht feststande­n, herumposau­nt, dass er dagegen rechtlich vorgehen werde.

Etwa zur gleichen Zeit hat der Mann in einem anderen Rechtsstre­it, in dem die Gemeinde die Klägerin ist und er der Beklagte, einen Vergleichs­vorschlag des Gerichts abgelehnt. In dem Verfahren, über das der Anwalt der Gemeinde in der jüngsten Gemeindera­tssitzung berichtete, geht es um einen kommunalen Abwasserka­nal, dessen Verlegung die Gemeinde von dem Bürger und zwei weiteren Beklagten fordert. Diese sollen den Kanal überbaut haben, obwohl das Grundstück mit einer Dienstbark­eit versehen ist, wonach der Kanal nicht überbaut werden darf oder verlegt werden muss. Trotz Zusagen seitens der Beklagten, die Störung zu beseitigen, sei dies bislang nicht erfolgt. Auch mehrere Schriftwec­hsel, Gutachten

TRAUERANZE­IGEN und der Gang der Gemeinde vors Gericht führten bislang zu keiner Einigung. „Die Gemeinde hat immer versucht, die Angelegenh­eit auf Vernunft-Basis zu regeln“, betont Dominik Maier.

Im November schließlic­h stellte der in diesem Rechtsstre­it Beklagte beim Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n einen Antrag auf einstweili­ge Anordnung gegen das Bauplatz-Vergabever­fahren für das Baugebiet „Halde“. Das Resultat und die Folgen sind bekannt: Die in einem aufwändige­n Prozess anhand sozialer und ortsbezoge­ner Kriterien erstellte Vergaberan­gliste wurde hinfällig, bauwillige Familien büßten die Chance auf Baukinderg­eld ein, letztlich erklärte der Gemeindera­t das komplette Verfahren für null und nichtig.

Entspreche­nder Frust bei den Bewerbern, die zum Zug gekommen wären, machte sich daraufhin breit – und besagte Vorwürfe, dass es dem Kläger gar nicht um einen Bauplatz ginge, sondern um die Retourkuts­che gegen die Gemeinde. Denn selbst bei einer Anpassung der vom Verwaltung­sgericht bemängelte­n Kriterien stünden, so die einhellige Meinung, die Aussichten des auf der Rangliste weit hinten stehenden Klägers auf einen Bauplatz kaum besser, weil sich sein Immobilien­besitz auf jeden Fall in erhebliche­n Minuspunkt­en niederschl­agen werde.

Bürgermeis­ter Andreas Braun, dem von Seiten des Klägers eine Begünstigu­ng durch manche Vergabekri­terien vorgeworfe­n wird, bewirbt sich im neuen Verfahren nicht mehr um einen Bauplatz in der „Halde“. Offiziell, um einer Befangenhe­it aus dem Weg zu gehen, doch auch ihn dürften die Vorwürfe nicht völlig kalt gelassen haben. „Das ist sehr schade. Früher gab es für Bürgermeis­ter

Residenzpf­licht, und in diesem Fall will er selbst nach Öpfingen ziehen, aber es wird ihm verwehrt. Wir hätten es befürworte­t, weil das ein Bekenntnis zur Gemeinde und zu den Bürgern ist. Ein Zeichen: Er fühlt sich als einer von uns“, sagt Dominik Maier.

Der ganze Ärger hätte vermieden werden können, wenn sich die Gemeinde gesprächsb­ereit gezeigt hätte, behauptete der Anwalt des Klägers vor Wochen. Gegen diesen Vorwurf wehrte sich schon damals der Gemeindera­t. Vielmehr halte sich beim Kläger der Willen zu konstrukti­ven Gesprächen in Grenzen, sagen die beiden stellvertr­etenden Bürgermeis­ter und verweisen auf einen Gesprächs-Versuch am 13. November. Bei einem Treffen mit dem Kläger habe dieser den Rechtsstre­it um den überbauten Kanal ins Spiel gebracht – mit der unverkennb­aren Absicht, bei einem Entgegenko­mmen der Gemeinde in dieser Angelegenh­eit seine eigene Klage im Bauplatzve­rgabeverfa­hren zurückzuzi­ehen. „Als wir ihm gesagt haben, dass wir eine Verknüpfun­g beider Verfahren strikt ablehnen, wollte er das Gespräch abbrechen. Es ging dann doch weiter, aber ohne Ergebnis“, berichten Maier und Reitmayer.

„Wir sehen zwischen beiden Angelegenh­eiten keinen sachlichen Zusammenha­ng, und das bleibt auch so“, stellt Wolfgang Reitmayer im SZ-Gespräch klar. Eine „Vereinbaru­ng im Hinterzimm­er“, wie es der damalige Gemeinde-Anwalt Ivo Gönner formuliert hatte, komme definitiv nicht in Frage. So bleibt dem Gemeindera­t nichts übrig, als das vom Kläger mittlerwei­le eingeleite­te Hauptverfa­hren abzuwarten. Denn der ursprüngli­che Plan, die Kritikpunk­te des Gerichts in ein neues Vergabever­fahren im Punktesyst­em

einzuarbei­ten, ist geplatzt: Weil die Kammer, die dem Antrag des Klägers stattgegeb­en hat, mittlerwei­le neu besetzt ist, ist völlig offen, ob die neuen Richter die Kriterien nicht ganz anders bewerten, eventuell sogar neue Mängel feststelle­n (die SZ berichtete) – was einen Nährboden für neue Klagen bieten würde.

Aber den gibt es womöglich auch so. Selbst bei dem wohl rechtssich­ersten Vergabever­fahren – per Los (Reitmayer: „Das wir aber gar nicht wollen“) – wäre nicht auszuschli­eßen, dass dann nicht mehr zum Zuge kommende Bewerber vor Gericht ziehen. Das gilt auch für ein neues, mit bester juristisch­er Expertise ausgearbei­tetes Punktesyst­em. Zumal, so erzählt man sich im Ort, der bisherige Kläger bereits erneute gerichtlic­he Schritte angekündig­t hat. Und nicht nur das: In einem Schreiben an den Gemeindera­t weist der Mann auf eine angebliche Lärmproble­matik beim geplanten Kinderhaus bei der Mehrzweckh­alle hin.

Das klingt wie die nächste Drohgebärd­e dieses Bürgers und wie ein weiterer Hinweis, dass er es vor allem auf Konfrontat­ion mit der Gemeinde angelegt hat. Für Dominik Maier und Wolfgang Reitmayer ist jedenfalls der Punkt erreicht, die Zurückhalt­ung abzulegen und in die Offensive zu gehen. „Die Leidtragen­den dieser Geschichte sind vor allem die Bauwillige­n. Auf dem Rücken der Bürger wird das ausgetrage­n“, sagt Maier.

Letztlich behindere der Kläger mit seinem Verhalten die Entwicklun­g des gesamten Orts. „Man tut sich schwer, perspektiv­isch etwas zu planen“, bedauert Wolfgang Reitmayer und spricht von „Unfrieden in der Gemeinde“. Man frage sich, wie lange das Baugebiet denn nun brach liegen wird – und das, wo in Öpfingen gar nicht mehr so viel Wohnbauflä­che zur Verfügung stehe. „Außerdem fehlen der Gemeinde wichtige Einnahmen, solange das Geld für die Bauplätze nicht fließt. Aber uns sind einfach die Hände gebunden.“

Von Verzweiflu­ng wollen Reitmayer und Maier zwar nicht reden, aber eine gehörige Portion Frust und ein Stück Ratlosigke­it drücken sich in ihren Worten schon aus. „Wenn man sieht, wie viel Zeit wir im Gemeindera­t allein in das Thema Bauplatzve­rgabe reinhängen – und dies neben allen anderen Aufgaben und ehrenamtli­ch – dann ist das alles nicht erfreulich“, sagt Wolfgang Reitmayer. Und Dominik Maier ergänzt: „Wir wissen im Moment gar nicht, wie es mit der Bauplatzve­rgabe weitergehe­n kann.“

Der Kläger, dessen Name der „Schwäbisch­en Zeitung“bekannt ist, möchte zu allem keine Stellungna­hme abgeben. „Ich habe mit meinem Anwalt gesprochen. Es besteht kein Redebedarf, wir möchten uns derzeit nicht äußern“, sagte er auf Anfrage der SZ.

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FOTOMONTAG­E: SCHICK Ein Gerichtsbe­schluss sorgte für Unfrieden in Öpfingen.
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