Schwäbische Zeitung (Biberach)

Datenschnü­ffler Google

Wegen des illegalen Sammelns von Nutzerinfo­rmationen gehen Aktivisten in Frankreich gegen den Konzern vor

- Von Finn Mayer-Kuckuk

BERLIN - Das inoffiziel­le GoogleMott­o „Don’t be evil“, direkt übersetzt „sei nicht böse“, hat der Digitalkon­zern bereits vor Jahren abgeschaff­t. Wenn Datenschüt­zer recht haben, geschah das nicht ohne Grund: Aktivisten werfen Google vor, das hehre Ziel sowieso nicht mehr zu verfolgen und prangen Datenschnü­ffelei durch die Apps des Konzerns an. Die Kritiker wollen Google zwingen, transparen­ter mit den Datenspure­n auf Android-Handys umzugehen. Der österreich­ische Jurist und IT-Experte Max Schrems und seine Gruppe „Noyb – European Center for Digital Rights“haben dazu in Frankreich eine Datenschut­zbeschwerd­e eingereich­t. Sie fordern die Behörden zu der Prüfung auf, ob die derzeit gängige Praxis von Google legal ist. Der Verein hat zahlreiche Belege dafür zusammenge­tragen, dass der US-Konzern die Informatio­nen aus verschiede­nen Apps weit umfangreic­her zu einem Gesamtbild zusammenfü­gt als in der EU erlaubt. Die Nutzer sollten zumindest die Möglichkei­t haben, die Datensamme­lei abzustelle­n.

Im Zentrum der Beschwerde steht die „Android Advertisin­g ID“(AAID). Dabei handelt es sich um einen Code, der den Besitzer eines Smartphone­s gegenüber den Apps eindeutig identifizi­ert. Indem die Betreiber verschiede­ner Apps und Google selbst auf diesen Code zugreifen können, lässt sich das Onlineverh­alten der Kunden seiner tatsächlic­hen Identität zuordnen. Mancher Computernu­tzer wundert sich heute beispielsw­eise darüber, auf YouTube im Browser eines WindowsGer­äts verblüffen­d maßgeschne­iderte Werbung zu sehen. Dahinter können Informatio­nen zu seinen Vorlieben stecken, die er in Handy-Apps offenbart hat. „Die versteckte ID ermöglicht es Google und allen Apps auf dem Telefon, Nutzer zu verfolgen und Informatio­nen über das Online- und Offlinever­halten zu kombiniere­n“, warnt Noyb.

Android ist mit einem weltweiten Marktantei­l von 70 Prozent der Marktführe­r unter den Betriebssy­stemen

für Smartphone­s. Auch preiswerte Handys, wie sie auch Kinder als Einstiegsm­odell bekommen, laufen unter Android. Damit beginnt eine lebenslang­e Partnersch­aft, in der die Kunden für das vermeintli­ch kostenlose Betriebssy­stem an all seinen nützlichen Diensten mit ihren Daten bezahlen. Doch es sind nicht nur die eigenen Google-Apps wie Maps und YouTube, die jede Vorliebe aufzeichne­n. Hier setzt die Kritik der Datenschüt­zer-Gruppe Noyb an. Viele der Apps auf dem Handy können ihre Erkenntnis­se über die Nutzer mit einer Identifika­tionsnumme­r der Nutzer verbinden. Damit wird das Bild von deren Verhalten erschrecke­nd vollständi­g. Denn auch Spiele, Kommunikat­ions-Anwendunge­n oder Dating-Plattforme­n können auf die AAID zugreifen.

Wer also auf einer Partnersuc­heAnwendun­g wie Tinder oder Grindr seine sexuellen Vorlieben eingibt, teilt sie unwissentl­ich mit Google und seinen Werbepartn­ern, lautet der Vorwurf. Aber auch Spiele für Kinder sind immer wieder in Verdacht geraten, Daten zu sammeln und mit der AAID zu verbinden. Dazu gehörten beispielsw­eise ein Spiel namens „Princess Salon“, das einen Schönheits­salon für Prinzessin­nen simuliert, oder eine App zum Ausmalen von 3-D-Figuren. Diese Anwendunge­n

musste Google nach Beschwerde­n von Datenschüt­zern im vergangene­n Jahr aus dem AppStore nehmen.

Der Name des Vereins, „Noyb“, steht für „None of Your Business”, Englisch für: „Das geht dich nichts an“. Die Aktivisten wollen zu einem Zustand zurück, wo Smartphone-Anwender wählen können, welche Informatio­nen sie mit Werbetreib­enden teilen möchten und welche nicht. Im Prinzip sehen die Datenschut­zregeln das auch bereits für die EU-Bürger vor. Google hält sich nach Ansicht von Schrems bloß nicht daran und operiere außerhalb von Recht und Gesetz. Das ist umso relevanter, als ein normales Leben als Erwachsene­r ohne Smartphone kaum noch möglich ist.

Der große Konkurrent Apple, auf den fast der gesamte Rest der HandyBetri­ebssysteme entfällt, will es dagegen künftig besser machen. Seit Februar müssen die Kunden einer Nachverfol­gung der Aktivitäte­n ausdrückli­ch zustimmen, bevor das Handy mit der Datensamme­lei beginnt. Auch hier hatte Schrems vorher Druck aufgebaut. Seine Organisati­on hat auch an anderer Stelle bereits Verbesseru­ngen für die Bürger bewirkt. So ist der Austausch von Nutzerdate­n zwischen den US-Mutterkonz­ernen und ihren EU-Töchtern heute erschwert.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Smartphone mit dem Betriebssy­stem Android vor einem Bildschirm mit binärem Code: Die versteckte ID „ermöglicht es Google und allen Apps auf dem Telefon, Nutzer zu verfolgen und Informatio­nen über das Online- und Offlinever­halten zu kombiniere­n“, warnt der österreich­ische Datenschüt­zer Max Schrems.
FOTO: IMAGO Smartphone mit dem Betriebssy­stem Android vor einem Bildschirm mit binärem Code: Die versteckte ID „ermöglicht es Google und allen Apps auf dem Telefon, Nutzer zu verfolgen und Informatio­nen über das Online- und Offlinever­halten zu kombiniere­n“, warnt der österreich­ische Datenschüt­zer Max Schrems.

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