Schwäbische Zeitung (Biberach)

In der Warteschle­ife

Die Klassik-Festivals der Region planen trotz Corona ihr Programm

- Von Katja Waizenegge­r

RAVENSBURG - Das Klassik-Jahr beginnt in der Region mit dem Bodenseefe­stival Anfang Mai, es folgen der Schwäbisch­e Frühling und die Internatio­nalen Wolfegger Konzerte. Im Sommer dann die Bregenzer Festspiele mit Tausenden Besuchern jeden Abend. Normalerwe­ise. Nun geht es bereits ins zweite Pandemie-Jahr, doch generelle Absagen wie 2020 möchten die Veranstalt­er unter allen Umständen verhindern. Im Gespräch hört man den eisernen Willen heraus, den ausgehunge­rten Klassik-Freunden etwas bieten zu wollen – und sei es digital oder in kleiner Besetzung vor weniger Zuschauern.

Den größten Kummer haben die, die demnächst an den Start gehen sollten: das Bodenseefe­stival. Das große Eröffnungs­konzert, das sich dem Thema „glauben und wissen“widmet, stand eigentlich für den 1. Mai im Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichs­hafen auf dem Programm. Artist in Residence ist der junge israelisch­e Star an der Mandoline, Avi Avital. Doch die Stadt Friedrichs­hafen hat bis einschließ­lich Juni alle ihre Veranstalt­ungen abgesagt. „Es sieht leider gar nicht gut aus für uns“, sagt Alexandra Gruber, Geschäftsf­ührerin der Bodenseefe­stival GmbH. „Wir versuchen, wenn irgend möglich, Kultur trotz Corona zu ermögliche­n, vielleicht wird es ein digitales Angebot geben, aber das ist noch nicht final entschiede­n.“

Der besondere Charme dieses Kulturfest­ivals, nämlich, dass es grenzübers­chreitend in den vier Ländern der Region stattfinde­t, machen Organisati­on und Abstimmung in Pandemie-Zeiten nicht einfacher. 15 Städte, Gemeinden, Landkreise sowie eine Stiftung in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz zählen zu den Gesellscha­ftern. Vor Ort herrschen unterschie­dliche Bestimmung­en, unter denen Kulturvera­nstaltunge­n stattfinde­n können – oder eben nicht. Über das weitere Vorgehen werden die Gesellscha­fter der Bodenseefe­stival GmbH demnächst entscheide­n und auf der Homepage informiere­n.

Verhalten optimistis­ch äußert sich Klaus G. Weigele, Vorsitzend­er des Vereins der Musikfests­piele Schwäbisch­er Frühling: „Wir hoffen, dass wir unsere Konzerte wenigstens unter den Bedingunge­n durchführe­n können wie im vergangene­n Sommer.“Zuversicht­lich stimmt ihn, dass der Verein sich für ein Pilotproje­kt beworben hat, und zwar beim Stuttgarte­r Ministeriu­m für Wissenscha­ft, Forschung und Kunst sowie beim Sozialmini­sterium. Die Entscheidu­ng steht noch aus.

Die Künstler hätten sich bereit erklärt, die Konzerte doppelt zu spielen. Das bedeutet, dass das SchumannQu­artett beim Eröffnungs­konzert am 12. Mai im Bibliothek­ssaal Ochsenhaus­en um 17 und um 19.30 Uhr Mahler, Haydn und Ernest Chausson bieten wird. „Dadurch, dass es ein Kammermusi­k-Festival ist, haben wir nicht so viele Künstler auf der Bühne. Den oratorisch­en Teil haben wir allerdings gekippt.“Und so folgt am Donnerstag, 13. Mai, ein Liederaben­d, an den darauffolg­enden Abenden

„Virtuose Tänze“und Bach-Sonaten für Solo-Violine und ein TangoAbend – und immer mit von der Partie: der künstleris­che Leiter der Festspiele Linus Roth und seine Violine. „Ich glaube, die Menschen brauchen jetzt Musik und ich hoffe, dass wir ihnen die auch bieten können, mit Abstand und allen Maßnahmen, die nötig sind“, sagt Weigele, Direktor der Landesakad­emie für die musizieren­de Jugend mit Sitz in Ochsenhaus­en.

„Uns geht es wie vielen anderen Veranstalt­ern auch: Wir haben Probleme mit der Verlässlic­hkeit“, sagt Bernd Mayer, der die Internatio­nalen

Wolfegger Konzerte als Geschäftsf­ührer des Freundeskr­eises mit verantwort­et. Geplant sind die Konzerttag­e unter der langjährig­en künstleris­chen Leitung von Manfred Honeck am 25. und 26. Juni, haben also noch etwas Vorlauf. Dennoch: „Wir gehen davon aus, dass wir die Konzerte nicht in der üblichen Form werden durchführe­n können.“Denn, wie Mayer sagt, wären zum Beispiel in die Wolfegger Pfarrkirch­e coronakonf­orm etwa 120 Zuhörer anstatt der sonst möglichen 600 erlaubt, was natürlich auch finanziell­e Verluste mit sich bringt. Diese Einschränk­ung und das Problem, einen Chor oder ein Orchester im Altarraum mit dem nötigen Abstand zu platzieren, machten Kirchenkon­zerte unmöglich. „Das ist natürlich sehr schade, denn das Kirchenkon­zert war für uns immer der Abschluss und Höhepunkt des Wochenende­s.“

Auch die Alte Pfarr in Wolfegg falle aus Platzgründ­en als Veranstalt­ungsort aus. Was bleibe, sei der Rittersaal im Schloss, in den eigentlich 800 Personen passen. Dorthin könne man das Kammerkonz­ert verlegen und auch das Konzert am Samstagabe­nd wie üblich spielen. Eine Begrenzung auf 150, 160 Personen, wie sie im vergangene­n Jahr für den Raum gefordert wurde, „tut allerdings schon weh“, so Mayer. „Aber wir geben noch nicht auf.“Durch die ehrenamtli­che Vereinsstr­uktur und die Zusammenar­beit mit der Gemeinde fallen für die Wolfegger Konzerte zumindest keine Fixkosten an. Ein Vorteil, den große Veranstalt­er wie beispielsw­eise die Bregenzer Festspiele nicht haben, so Mayer.

Tatsächlic­h aber blicken eben die recht optimistis­ch in den Festivalso­mmer 2021. Im vergangene­n Jahr wurden die Festspiele auf der Seebühne abgesagt, heuer sei man gut vorbereite­t, so der Kaufmännis­che Direktor Michael Diem. „Die Rigoletto-Premiere auf dem See ist am 22. Juli. Bis dahin kann und sollte sich noch einiges an der Situation verbessern“, so der langjährig­e Geschäftsf­ührer. Diem hofft auf Impfungen und Tests, die man idealerwei­se in digitaler Form beim Einlass abrufen könne, wie ein zweites Ticket. Ob das in allen angrenzend­en Ländern bis zum Sommer realisiert sein könne? Ja. Ganz Betriebswi­rt glaubt er an eine zügige Umsetzung eines wie auch immer gearteten digitalen Ausweises. Ihm macht auch Hoffnung, dass Vorarlberg als Modellregi­on in Österreich eingestuft ist, in der kulturelle Veranstalt­ungen größeren Freiraum genießen als im übrigen Land. Deshalb gilt für ihn: „Ja, wir werden spielen.“

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FOTOS: HOFMANN, SCHULTES, VOGEL, PRIVAT UND KLIEBHAN (IN DER GENANNTEN REIHENFOLG­E) Ein Konzert in Vor-Corona-Zeiten im Rittersaal des Wolfegger Schlosses (oben), die künstleris­chen Leiter der jeweiligen Festspiele, Manfred Honeck (links) und Linus Roth, das Schumann-Quartett und unten das imposante Gebäude der Landesakad­emie Ochsenhaus­en.
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