Schwäbische Zeitung (Biberach)
Tupperparty auf Distanz
Wie sich Direktvermarkterinnen aus der Region in der Pandemie durchschlagen
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REGION - Gemeinsam mit Freundinnen anstoßen, Häppchen essen und einkaufen. Behälter für Lebensmittel, Küchenhelfer oder Dinge, die das Putzen leichter machen. Tupperpartys sind legendär. Mit verwandtem Konzept vertreibt auch die saarländische Firma Prowin ihre Produkte. Normalerweise. Was Corona für zwei Tupper- und Prowin-Partymangerinnen aus der Region bedeutet.
„Es ist existenzbedrohend.“Michaela Preller aus Ehingen nimmt kein Blatt vor den Mund. Die Folgen der Corona-Pandemie haben sie nicht nur voll, nein, sie haben sie doppelt getroffen. Seit ihrem 19. Lebensjahr ist Preller selbstständig. Die 31-Jährige arbeitet als Handelsvertreterin und präsentiert Haushaltskleingeräte in Fachgeschäften.
Weil diese wegen der Pandemie über Monate geschlossen waren, sind ihre Einkünfte gleich null, sagt sie. Über einen Steuerberater versucht sie, Ausgleichszahlungen vom Staat zu erhalten. Ob sie kommen, weiß sie nicht. Vor der Pandemie hat Peller auch für die Firma Prowin auf Direktvertriebspartys Reinigungsmittel, Wellnessprodukte und Tiernahrung verkauft. Wegen der Kontaktbeschränkungen sind solche Treffen mehrerer Haushalte aber tabu. Also ist auch diese zweite Einnahmequelle weggebrochen?
Über Zoom und WhatsApp bietet Preller nun virtuelle Partys an. Sie macht Fotos von den Produkten, sie dreht Videos von sich selbst, wie sie sie anwendet. Die Firma Prowin unterstützt sie bei der Bearbeitung. In Sprachnachrichten erläutert sie den Partygästen, was zu beachten ist. Die Vertriebsstrategie kommt unterschiedlich an. Manche Gastgeberin lässt sich darauf ein. Vielen aber ist es wichtig, ihre Freunde live zu treffen und auch der Beraterin tatsächlich zuzuschauen, wie sie die - nicht billigen – Tücher und Reinigungsmittel beispielsweise am Backofen anwendet. Solche Gastgeber sagen Partytermine ab oder verschieben auf die Zeit nach Corona. Die Erlöse fehlen der 31-Jährigen. Bisher hat Michaela Preller keine Antwort auf die Frage, wie es weitergeht. Sie bewirbt sich gerade, arbeitet zur Probe. Eine große Umstellung sei das für jemanden, der lange selbstständig war.
Cordula Näher-Rösch aus Laupheim hat ein festes Programm. Von
Montag bis Freitag trägt sie täglich ihre großen dunklen Taschen in einen anderen Haushalt. Sie stellt Bestseller und Neuigkeiten vor, kocht in fremden Küchen und zwar immer mit Produkten von Tupper. Über Monate ist sie im Voraus ausgebucht. Die gelernte Hauswirtschafterin lebt die Marke Tupper seit fast 32 Jahren. Die Pandemie und die Kontaktbeschränkungen trafen sie Mitte März vergangenen Jahres wie ein Schock. „Ich konnte es erst gar nicht glauben.“Sechs Wochen lang ging gar nichts. Keine Party. „Da habe ich wirklich Angst bekommen, das ist ja mein Hauptjob.“
Von der Idee, Partys auf WhatsApp abzuhalten, wie es ihre Kolleginnen schneller taten, wollte die Mittfünfzigerin erstmal nichts wissen. Doch dann zog sich der erste Lockdown in die Länge. Heute sind WhatsApp-Partys für sie normal – und sehr erfolgreich. Und so funktioniert’s: Die Gastgeberin gründet eine Gruppe auf WhatsApp und fügt Freunde hinzu, die das möchten. Zu einem verabredeten Termin schaltet sich die Tupperberaterin dazu, begrüßt die Gäste. Sie stellt professionelle Produktvideos in die Gruppe, erläutert per Sprachnachricht Details und beantwortet Fragen aus der Gruppe. Möglichst Hochdeutsch, sagt sie. Denn sie wurde einmal darauf hingewiesen, dass man sie nicht verstehe. Da hatte eine Gastgeberin Freunde aus der Frankfurter Gegend zur virtuellen Party eingeladen.
Die Teilnehmer können die Beiträge auch erst in den folgenden Tagen ansehen und bestellen dann bei der Tupperberaterin. Die Produkte erhalten sie über die Gastgeberin, die dafür mit Geschenken und Prozenten belohnt wird. Apropos lohnen. Cordula Näher-Röschs Fazit nach knapp einem Jahr und mitten im zweiten Lockdown: Während sie bei den Live-Partys durchschnittlich neun Gäste habe, seien es bei den virtuellen 17, manchmal 23 Teilnehmer. Entsprechend höher falle der Umsatz aus. „Die Masse macht’s.“Und: Die Hemmschwelle, eine neue Party zu verabreden, sei deutlich niedriger. Ihre Bilanz fällt eindeutig positiv aus. Auch nach Corona will sie weiter virtuelle Partys anbieten. Gerade für Mütter mit kleinen Kindern, die nicht weg können, sei das eine Option – oder für diejenigen, die nicht so gerne aufräumen.