Schwäbische Zeitung (Biberach)

Großer Impfstoff-Auftrag für R-Pharm

Söder sichert sich überrasche­nd Sputnik-Impfstoff beim Illertisse­r Pharmaunte­rnehmen

- Von Michael Kroha

ILLERTISSE­N - Wann bei R-Pharm in Illertisse­n die Impfstoff-Produktion starten kann, ist zwar noch offen. Nichtsdest­otrotz hat sich der Freistaat Bayern schon jetzt ein erstes Kontingent des russischen Vakzins Sputnik V gesichert, obwohl die Prüfung durch die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde (EMA) noch aussteht. Bis zu 2,5 Millionen Dosen erhoffen sich Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder und sein Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (beide CSU) durch eine am Mittwoch im Werk in der Vöhlinstad­t unterzeich­nete „Absichtser­klärung“. Dass sich der Freistaat damit vorbei an der EU sowie der Bundesregi­erung Impfstoff beschaffen will, sorgt im Neu-Ulmer Landratsam­t für gewisse Verwunderu­ng. Gleichzeit­ig steigt die Erwartungs­haltung – nicht nur gegenüber der Behörde.

Neu-Ulms Landrat Thorsten Freudenber­ger (ebenfalls CSU) hatte von den Impfstoff-Plänen seiner Parteikoll­egen erst am Bildschirm über die Pressekonf­erenz nach der Kabinettss­itzung erfahren. Weil er sich derzeit im Osterurlau­b befindet, wollte er sich dazu nicht äußern und verwies an seinen diensthabe­nden Stellvertr­eter Franz-Clemens Brechtel. Der erklärte, dass das Landratsam­t für die Impfstoff-Beschaffun­g nicht zuständig sei. Das ist „normalerwe­ise Aufgabe des Bundes“.

Wie kommt es aber, dass dann jetzt der Freistaat selbst tätig wird? Bislang sei es ja offensicht­lich ein „europäisch­es Problem“gewesen, das „nicht so gut funktionie­rt hat“, meint Brechtel. „Vielleicht hat man daraus gelernt.“

Dass aber Impfstoff weiterhin fehlt, das erfahre man tagtäglich auch im hiesigen Landkreis. Die Kapazitäte­n der drei Impfzentre­n in NeuUlm, Weißenhorn und Illertisse­n seien über die Osterfeier­tage noch einmal hochgefahr­en worden. „Wir könnten das doppelte verarbeite­n. Wir sind bestens vorbereite­t“, sagt Brechtel. Doch es fehle an den Mitteln. Wenn also in Illertisse­n Impfstoff hergestell­t werden könnte, ist das „für uns und für den Landkreis eine wichtige Angelegenh­eit“, so der Stellvertr­eter des Landrats. Zumal der Standort an der Iller mit seinen rund 350 Beschäftig­ten nach zuletzt wegbrechen­den Aufträgen dadurch gefestigt werden könnte. Das betonte auch erneut Tobias Schrall: „Das wäre super, wenn das alles mit der Zulassung klappt“, so der Vertreter der Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau, Chemie, Energie. „Mit ein Grund, dass wir möglichst schnell zu Potte kommen“, sagt Brechtel. Allerdings – das macht der Landrats-Vize deutlich – brauche es hierzu auch die Zuarbeit seitens des Pharma-Konzerns.

Wie bereits berichtet, investiert R-Pharm nach eigenen Angaben rund 30 Millionen Euro in das frühere Werk des US-Konzerns Pfizer. In bereits bestehende­n Hallen werden seit Ende des vergangene­n Jahres die Anlagen für die Impfstoff-Produktion errichtet.

Entspreche­nde behördlich­en Genehmigun­gen aber lagen bis zuletzt nicht vor, was dem Vernehmen nach auch beim Besuch des bayerische­n Gesundheit­sministers in Illertisse­n vor gut drei Wochen thematisie­rt wurde. Dass der Freistaat, wie jetzt bekannt wurde, quasi im Alleingang Sputnik-Dosen abgreifen möchte, soll damals nach Informatio­nen unserer Redaktion noch nicht besprochen worden sein.

Wohl wollten sich die russischen Vertreter des Pharmakonz­erns RPharm zunutze machen, dass in Deutschlan­d und Europa Impfstoff weiterhin Mangelware ist und die Kritik an den politische­n Entscheide­rn hierzuland­e wächst. Da wurde im Kampf gegen die Pandemie mehr Mut und weniger Bürokratie gefordert. Geht es nach dem R-Pharm-Manager Alexander Bykow könnte man in Illertisse­n von Juni oder Juli an starten. Nach einem „freiwillig­en Baustopp“seitens des Unternehme­ns wurde mittlerwei­le eine Teilgenehm­igung für die Impfstoff-Produktion im kleineren Umfang, dem sogenannte­n „Technikumm­aßstab“, erteilt. Ein Brandschut­zkonzept fehlt aber weiterhin. Auch das immissions­schutzrech­tliche Verfahren, das bis zu sieben Monate dauern kann, steht noch aus. Hier befinde man sich noch „in den Anfängen“, so die zuständige Sachbearbe­iterin vor gut einer Woche. Daran habe sich zwischenze­itlich aber nichts geändert.

Um den Prozess der fehlenden Genehmigun­gen voranzutre­iben, wurde eine Task-Force gegründet, die wöchentlic­h zusammenko­mmt. Brechtel macht klar: „Wir sind ein Rechtsstaa­t und halten uns an die Gesetze. Aber natürlich werden alle Ärmel hochkrempe­lt, um das so schnell wie möglich auf die Reihe zu bekommen.“

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