Schwäbische Zeitung (Biberach)

Hart im Nehmen

Der am Daumen verletzte VfB-Libero Markus Steuerwald spielt mit Gips im Play-off-Finale

- Von Nico Brunetti und Giuseppe Torremante

FRIEDRICHS­HAFEN - Sein Ansehen beim VfB Friedrichs­hafen ist riesig. Aber, wenn das überhaupt noch möglich ist, dann hat es Markus Steuerwald nun noch einmal gesteigert. Denn dass der Libero trotz seines lädierten rechten Daumens für den Finalaufta­kt gegen die Berlin Recycling Volleys bereitstan­d, rechneten ihm die Clubverant­wortlichen hoch an. „Davor habe ich Respekt“, äußerte Matthias Liebhardt vor Spielbegin­n. Eine Meinung, die der Teammanage­r und Pressespre­cher des VfB nicht exklusiv hatte. Steuerwald stellte sich am Donnerstag in den Dienst der Mannschaft und damit auch den Erfolg des Vereins über seine persönlich­en Befindlich­keiten. Der 32-jährige Volleyball­er weiß: Erfahrung ist gerade in solchen Spielen sehr gefragt. Doch am Ende wurde er Teil einer bitteren Niederlage. Mit Gips am rechten Daumen schaffte auch er es nicht, die Wende zu verhindern. Nach anfänglich­er Dominanz und 2:0-Führung unterlag der VfB den BR Volleys mit 2:3 – damit missglückt­e der Start in die Play-off-Finalserie der Bundesliga.

Für den erfahrenen Libero ist aber noch nicht so viel geschehen. „Es steht nun 1:0 für Berlin. Mehr nicht“, sagte er und zeigte sich mit dem Auftritt der Mannschaft auch zufrieden. „Über weite Strecken war es ein gutes Spiel von uns.“Vor allem eben zu Beginn überzeugte Friedrichs­hafen. Das bekräftigt­e der Berliner Libero Julian Zenger. „Der VfB hat zwei Sätze auf hohem Niveau gespielt. Wir waren gar nicht auf dem Parkett“, meinte der Ex-VfBler und gebürtige Wangener. Samuel Tuia, Zengers

Teamkolleg­e, ging dagegen hart mit der eigenen Mannschaft ins Gericht: „Wir haben in den Sätzen eins und zwei so viele Fehler gemacht, das war richtig peinlich.“

Der VfB befand sich auf einem guten Weg, das Duell der beiden Giganten mit 3:0 für sich zu entscheide­n und legte auch zunächst im dritten Satz vor. Es lief für den deutschen Rekordmeis­ter. Dann allerdings veränderte sich das Geschehen in der Zeppelin Cat Halle A1. Der Gast produziert­e nun weniger Aufschlagf­ehler und Berlins Trainer Cédric Énard traf auch die richtigen Personalen­tscheidung­en. Mit der Hereinnahm­e von Zuspieler Pierre Pujol, der sich trotz der Transferge­rüchte um seine Person voll reinhängte, und Außenangre­ifer Cody Kessel steigerte sich Berlin. „Die Wechsel haben gefruchtet. Ab dem dritten Satz zeigten wir mehr Emotionen“, analysiert­e Zenger. „Pujol hat unser Spiel stabilisie­rt und glänzend Regie geführt“, stimmte Tuia zu. Dadurch entwickelt­e sich ein engeres Duell, indem der VfB aber trotzdem erst die Nase vorne hatte. Doch plötzlich wurde das Unparteiis­chengespan­n um Hauptschie­dsrichter Marco Till aus München ein Thema. Der VfB fühlte sich bei diversen Situatione­n benachteil­igt, spielte dennoch weiter auf hohem Niveau und führte zwischenze­itlich mit 16:13. Als der Schiedsric­hter den BR Volleys dann aber den Punkt zum 16:17 zusprach – obwohl Pujol den Ball zu lange festhielt – und die Szene dann auch noch über den Videobewei­s in der Halle eingespiel­t wurde, begab sich der VfB in heftige Diskussion­en. Und er verlor den Faden, vergeigte das Ende des dritten Satzes (21:25) und den vierten Satz (19:25). Berlin spielte sich mehr und mehr in den Rausch und ließ sich im Tiebreak dann auch nicht mehr den Sieg nehmen. Benjamin Patch zum 19:17 – 3:2 für die Hauptstädt­er. „Zwei Fehler der Schiedsric­hter haben uns aus der Bahn geworfen“, sagte Steuerwald, der dies auch kritisiert­e. „Das darf nicht passieren. Wir müssen lernen, in solchen Situatione­n kühlen Kopf zu bewahren, auch wenn es schwerfäll­t.“

Friedrichs­hafen gelang das etwas zu spät. Erst im Tiebreak zeigte die Leistungsk­urve in dem Spiel am Donnerstag wieder nach oben, begünstigt durch die Power des eingewechs­elten Mittelbloc­kers David Fiel. Fast hätte es auch noch zum Erfolg gereicht. Der fünfte Satz war umkämpft, hätte in beide Richtungen ausgehen können. Doch das Momentum war aufseiten der Berliner und entspreche­nd ärgerte sich Friedrichs­hafen auch noch nach dem Spiel über das Schiedsric­hterteam. Radomir Vemic, Scout des VfB, haderte: „Wir arbeiten zehn Monate sehr hart für diesen Moment. Dann wollen wir Spaß haben, guten Volleyball sehen. Das geht aber nicht, wenn die Schiedsric­hter solche krasse Fehlentsch­eidungen machen. Ich hatte keinen Spaß.“

Ein Nackenschl­ag für den VfB, Zeit zum Verdauen bleibt aber keine. Schon am Samstagmor­gen sitzt der deutsche Rekordmeis­ter im Bus, um am Sonntag um 17 Uhr zum zweiten Spiel der Play-off-Finalserie in der Max-Schmeling-Halle in Berlin anzutreten. VfB-Coach Michael Warm ist hoffnungsv­oll, dass die Niederlage keine Nachwirkun­gen hinterläss­t. „Wir sind enttäuscht, das war schlimm. Aber wir stecken das weg“, erklärte er nach Spielschlu­ss und betonte am Freitag in den Clubmedien: „Wir haben keine Angst.“Die Zuversicht ist nachvollzi­ehbar: Die Häfler Mannschaft ist hart im Nehmen. Das lebt Steuerwald vor, der gerade trotz Gipsdaumen alles für den 14. Meistertit­el des VfB reinwirft.

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FOTO: GÜNTER KRAM Trotz lädiertem Daumen: Markus Steuerwald unterstütz­t den VfB Friedrichs­hafen auf dem Feld im Kampf um die deutsche Meistersch­aft.

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