Schwäbische Zeitung (Biberach)
Hart im Nehmen
Der am Daumen verletzte VfB-Libero Markus Steuerwald spielt mit Gips im Play-off-Finale
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FRIEDRICHSHAFEN - Sein Ansehen beim VfB Friedrichshafen ist riesig. Aber, wenn das überhaupt noch möglich ist, dann hat es Markus Steuerwald nun noch einmal gesteigert. Denn dass der Libero trotz seines lädierten rechten Daumens für den Finalauftakt gegen die Berlin Recycling Volleys bereitstand, rechneten ihm die Clubverantwortlichen hoch an. „Davor habe ich Respekt“, äußerte Matthias Liebhardt vor Spielbeginn. Eine Meinung, die der Teammanager und Pressesprecher des VfB nicht exklusiv hatte. Steuerwald stellte sich am Donnerstag in den Dienst der Mannschaft und damit auch den Erfolg des Vereins über seine persönlichen Befindlichkeiten. Der 32-jährige Volleyballer weiß: Erfahrung ist gerade in solchen Spielen sehr gefragt. Doch am Ende wurde er Teil einer bitteren Niederlage. Mit Gips am rechten Daumen schaffte auch er es nicht, die Wende zu verhindern. Nach anfänglicher Dominanz und 2:0-Führung unterlag der VfB den BR Volleys mit 2:3 – damit missglückte der Start in die Play-off-Finalserie der Bundesliga.
Für den erfahrenen Libero ist aber noch nicht so viel geschehen. „Es steht nun 1:0 für Berlin. Mehr nicht“, sagte er und zeigte sich mit dem Auftritt der Mannschaft auch zufrieden. „Über weite Strecken war es ein gutes Spiel von uns.“Vor allem eben zu Beginn überzeugte Friedrichshafen. Das bekräftigte der Berliner Libero Julian Zenger. „Der VfB hat zwei Sätze auf hohem Niveau gespielt. Wir waren gar nicht auf dem Parkett“, meinte der Ex-VfBler und gebürtige Wangener. Samuel Tuia, Zengers
Teamkollege, ging dagegen hart mit der eigenen Mannschaft ins Gericht: „Wir haben in den Sätzen eins und zwei so viele Fehler gemacht, das war richtig peinlich.“
Der VfB befand sich auf einem guten Weg, das Duell der beiden Giganten mit 3:0 für sich zu entscheiden und legte auch zunächst im dritten Satz vor. Es lief für den deutschen Rekordmeister. Dann allerdings veränderte sich das Geschehen in der Zeppelin Cat Halle A1. Der Gast produzierte nun weniger Aufschlagfehler und Berlins Trainer Cédric Énard traf auch die richtigen Personalentscheidungen. Mit der Hereinnahme von Zuspieler Pierre Pujol, der sich trotz der Transfergerüchte um seine Person voll reinhängte, und Außenangreifer Cody Kessel steigerte sich Berlin. „Die Wechsel haben gefruchtet. Ab dem dritten Satz zeigten wir mehr Emotionen“, analysierte Zenger. „Pujol hat unser Spiel stabilisiert und glänzend Regie geführt“, stimmte Tuia zu. Dadurch entwickelte sich ein engeres Duell, indem der VfB aber trotzdem erst die Nase vorne hatte. Doch plötzlich wurde das Unparteiischengespann um Hauptschiedsrichter Marco Till aus München ein Thema. Der VfB fühlte sich bei diversen Situationen benachteiligt, spielte dennoch weiter auf hohem Niveau und führte zwischenzeitlich mit 16:13. Als der Schiedsrichter den BR Volleys dann aber den Punkt zum 16:17 zusprach – obwohl Pujol den Ball zu lange festhielt – und die Szene dann auch noch über den Videobeweis in der Halle eingespielt wurde, begab sich der VfB in heftige Diskussionen. Und er verlor den Faden, vergeigte das Ende des dritten Satzes (21:25) und den vierten Satz (19:25). Berlin spielte sich mehr und mehr in den Rausch und ließ sich im Tiebreak dann auch nicht mehr den Sieg nehmen. Benjamin Patch zum 19:17 – 3:2 für die Hauptstädter. „Zwei Fehler der Schiedsrichter haben uns aus der Bahn geworfen“, sagte Steuerwald, der dies auch kritisierte. „Das darf nicht passieren. Wir müssen lernen, in solchen Situationen kühlen Kopf zu bewahren, auch wenn es schwerfällt.“
Friedrichshafen gelang das etwas zu spät. Erst im Tiebreak zeigte die Leistungskurve in dem Spiel am Donnerstag wieder nach oben, begünstigt durch die Power des eingewechselten Mittelblockers David Fiel. Fast hätte es auch noch zum Erfolg gereicht. Der fünfte Satz war umkämpft, hätte in beide Richtungen ausgehen können. Doch das Momentum war aufseiten der Berliner und entsprechend ärgerte sich Friedrichshafen auch noch nach dem Spiel über das Schiedsrichterteam. Radomir Vemic, Scout des VfB, haderte: „Wir arbeiten zehn Monate sehr hart für diesen Moment. Dann wollen wir Spaß haben, guten Volleyball sehen. Das geht aber nicht, wenn die Schiedsrichter solche krasse Fehlentscheidungen machen. Ich hatte keinen Spaß.“
Ein Nackenschlag für den VfB, Zeit zum Verdauen bleibt aber keine. Schon am Samstagmorgen sitzt der deutsche Rekordmeister im Bus, um am Sonntag um 17 Uhr zum zweiten Spiel der Play-off-Finalserie in der Max-Schmeling-Halle in Berlin anzutreten. VfB-Coach Michael Warm ist hoffnungsvoll, dass die Niederlage keine Nachwirkungen hinterlässt. „Wir sind enttäuscht, das war schlimm. Aber wir stecken das weg“, erklärte er nach Spielschluss und betonte am Freitag in den Clubmedien: „Wir haben keine Angst.“Die Zuversicht ist nachvollziehbar: Die Häfler Mannschaft ist hart im Nehmen. Das lebt Steuerwald vor, der gerade trotz Gipsdaumen alles für den 14. Meistertitel des VfB reinwirft.