Schwäbische Zeitung (Biberach)
Seltsame Unionswelt
Da versichern sich die Parteispitzen von CDU und CSU ein ums andere Mal, wie unglaublich wichtig der Zusammenhalt in der Union sei, aber wenn es zum Schwur kommt, sieht es anders aus. Da sind Sätze, die gestern noch kollegial-konstruktiv klangen, heute nichts mehr wert. Da werden Wörter im Nullakommanichts zu Worthülsen, es bleibt der schöne Schein. „Ohne Groll“wolle er die Entscheidung der CDU in der K-Frage akzeptieren, hatte Markus Söder der Spitze der Unionsfraktion zugesichert. Als die CDU-Führungsgremien sich am Montag pro Parteivorsitzenden Armin Laschet positionierten, befand der CSU-Chef, dass es doch besser sei, noch ein paar Tage zu beraten. Er hätte auch einfach sagen können, dass ihm das Votum der CDU nicht gepasst hat. Laschet kündigt derweil Telefonate mit Söder an, traut sich aber nicht, ihm mitzuteilen, dass er mit Rückendeckung seiner Partei Kanzlerkandidat wird. Seltsame Unionswelt.
Mit viel Wohlwollen lässt sich darin der Versuch erkennen, das Duell um die Kanzlerkandidatur möglichst gesichtswahrend auch für den Unterlegenen zu beenden. Das Problem ist nur: Dieses Kalkül geht nicht mehr auf. Je länger das Ringen um diese Entscheidung dauert, desto deutlicher zeigt sich, dass es den Bewerbern eben doch nicht nur um das große Ganze, um das Wohl Deutschlands in Pandemiezeiten geht, sondern um ihr politisches Fortkommen. Söder hätte heute die Gelegenheit gehabt, das Votum der CDU hinzunehmen, aber da er sich schlicht für den Besseren hält, lässt er nicht locker. Hingegen spricht Laschets Annahme, dass er, allen Umfragen zum Trotz, ein hervorragender Kanzlerkandidat ist, entweder für unglaublichen Optimismus oder für Realitätsverleugnung.
Die CDU wird dennoch Laschet zum Kanzlerkandidaten machen müssen – auch auf Kosten des Zusammenhalts in der Union. Denn alles andere würde bedeuten, den Parteichef, der erst drei Monate im Amt ist, öffentlich zu entmachten. Und welch bittere Folgen es haben kann, Vorsitzende im Akkord abzulösen, hat das Beispiel SPD gezeigt.