Schwäbische Zeitung (Biberach)
Auf die TTF wartet der nächste Umbruch
Tischtennis: In dieser Saison galt es, drei Neue zu integrieren – jetzt geht Calderano
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OCHSENHAUSEN - In der Tischtennis-Bundesliga die Play-offs erreichen und im Pokal den Sprung ins Final-four schaffen: Auch wenn es in der Saison 2020/21 nicht mit einem Titel geklappt hat, haben die TTF Liebherr Ochsenhausen ihre selbstgesteckten Ziele erreicht. Dabei wäre gerade in den Halbfinal-Play-offs gegen Saarbrücken deutlich mehr drin gewesen. Doch die Entscheidungsträger sind am Ende einer Saison, die stark von der Corona-Pandemie geprägt gewesen ist, weit davon entfernt, zu meckern. Vielmehr bewerten sie den im Sommer mit drei jungen neuen Spielern eingeleiteten Umbruch als gelungen. Coronabedingten Widrigkeiten zum Trotz.
Kanak Jha, Maciej Kubik und Samuel Kulczycki statt Jakub Dyjas, Stefan Fegerl und Vladimir Sidorenko: Auf drei Positionen veränderten die TTF Liebherr Ochsenhausen zur neuen Saison ihren Fünf-Mann-Kader und verjüngten die Mannschaft deutlich. Die beiden Polen Kubik und Kulczycki waren zu Saisonbeginn erst 17 Jahre alt, der US-Amerikaner Jha 20. Im Fahrwasser der in Ochsenhausen zu Weltklassespielern gereiften Hugo Calderano und Simon Gauzy sollten sich die Talente in aller Ruhe weiterentwickeln.
Wobei: War Jha als 27. der Weltrangliste
dem Talentstatus nicht bereits entwachsen? Nach der ersten Saison im TTF-Trikot kann diese Frage deutlich mit Nein beantwortet werden. In der Vorrunde immerhin noch mit einer 3:8-Bilanz notiert, konnte er in der Rückrunde nur noch ein Spiel (Bilanz 1:6) gewinnen. Als Nummer drei in die Saison gestartet, durfte Kanak Jha in den Halbfinals gegen Saarbrücken nicht ran, Samuel Kulczycki erhielt den Vorzug. Dieser nahm von den drei Neuen die mit Abstand größte Entwicklung. „Was Samuel jetzt schon spielt und präsentiert, ist wirklich hervorragend“, lobt auch Präsident Kristijan Pejinovic. Kulczyckis polnischer Landsmann Kubik scheint hingegen noch ein wenig mehr Zeit zu brauchen. Nach vier Niederlagen in vier Spielen wartet er noch auf sein erstes Erfolgserlebnis im Einzel für die TTF.
Pejinovic und Cheftrainer Fu Yong zeigen sich ohnehin nicht überrascht, dass ein 20-Jähriger wie Kanak Jha nicht stets konstante Topleistungen abrufen kann. Auch wenn manch einer dies von einer Nummer 27 der Welt möglicherweise erwartet. Beide sind sich darüber im Klaren, dass der in Ochsenhausen gewählte Weg, die Stars von morgen selbst ausbilden zu wollen, nicht immer der einfachste ist. Erst Recht nicht in einer Pandemie, wo es Jugendlichen und jungen Erwachsenen schwerfallen kann, den Fokus immer auf das Sportliche zu richten. „Manche Jungs haben ihre Eltern ein Jahr lang nicht mehr gesehen“, weiß der Trainer. „In dieser unglaublich schweren Zeit haben sie aber fleißig trainiert und sich weiterentwickelt.“
Auch Kristijan Pejinovic ist bei der Frage nach dem Saisonfazit zunächst um eine Einordnung aufgrund der erschwerten Bedingungen bemüht. Mehr als das halbe Team sei erneuert worden, trotz aller pandemiebedingter Einschränkungen habe eine Mannschaft geformt werden müssen. „Diese jungen und unerfahrenen Spieler hatten in der Pandemie noch mit ganz anderen Widrigkeiten zu kämpfen“, verdeutlicht der TTF-Chef. „Sie konnten ihre Familien nicht treffen und mussten sich hier irgendwie zurechtfinden.“Außer ihrer Wohnung, Hallen und Hotels hätten die Spieler nicht viel gesehen. Für einen Verein sei es dann umso schwieriger, wenn er für 17-, 18- und 20-Jährige auch noch eine Vater- oder Mutterrolle übernehmen müsse. „Und an dieser Stelle bin ich wirklich sehr stolz und zufrieden“, sagt Pejinovic.
Er geht sogar so weit, dass in Ochsenhausen diese Saison das Maximum herausgeholt worden sei. „Ich habe es jedenfalls nicht erwartet, mit so einem jungen Team gleich um den Finaleinzug zu kämpfen.“Und Trainer Fu Yong bekräftigt: „Am Anfang der Saison haben sich viele gefragt, ob wir überhaupt in die Play-offs kommen. Das haben wir geschafft.“
Was mitunter vergessen wird: Hugo Calderano und Simon Gauzy sind zwar die erfahrenen Spitzenspieler, auf deren Schultern fast aller Druck lastete. Doch sie sind eben auch erst 24 beziehungsweise 26 Jahre jung. In der neuen Saison müssen die TTF durch den Abgang von Calderano, der zwar weiterhin in Ochsenhausen trainieren aber für den russischen Klub Orenburg spielen wird, auf eine prägende Figur der vergangenen Jahre verzichten. Mit Can Akkuzu rückt ein 23-jähriger Franzose aus dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum nach. Pejinovic spricht von einem Cut, einem Einschnitt also, der abermals anstehe, der aber nicht so gravierend sei wie beispielsweise vor Jahren, als Calderano und Gauzy neu hinzukamen.
Trotzdem muss der Doublesieger von 2019 etwas kleinere Brötchen backen. „Die Erwartungen werden natürlich ein bisschen zurückgeschraubt“, gibt sich Kristijan Pejinovic realistisch, um sogleich zu unterstreichen, dass er sich auch auf das Kommende freue. Schließlich sei diese nachhaltige Arbeit genau das, wofür die TTF seit Jahren stünden. „Das ist unsere Philosophie“, sagt der Präsident, „ich habe Spaß daran und unsere Fans auch.“