Schwäbische Zeitung (Biberach)

Zauneidech­sen als Herausford­erung

So kam die streng geschützte Art einem Neubaugebi­et in Hürbel in die Quere

- Von Sybille Glatz

GUTENZELL-HÜRBEL - Arg groß sind sie nicht, etwa 18 bis 19 Zentimeter werden Zauneidech­sen lang, wenn sie ausgewachs­en sind. Die weiblichen Vertreter der Art sind bräunlich, die männlichen sind während der Paarungsze­it leuchtend grün gefärbt. In Deutschlan­d sind sie streng geschützt.

Auf der Roten Liste Deutschlan­ds wird die Art auf der sogenannte­n Vorwarnlis­te geführt, das heißt, dass sie noch nicht gefährdet ist, sich aber ihr Status in den nächsten Jahren verschlech­tern könnte. Naturschüt­zer dürfte es daher gefreut haben, als unlängst in der Hürbler Ortsmitte Zauneidech­sen entdeckt wurden. Für die Gemeinde Gutenzell-Hürbel bedeutete das jedoch erst einmal ein Problem: Denn sie plant in der Nachbarsch­aft das Baugebiet „Bei der Schule“.

Wie Bürgermeis­terin Monika Wieland berichtet, erfuhr die Gemeindeve­rwaltung am 14. Januar vom Vorkommen der Zauneidech­sen beim geplanten Baugebiet. „Bei der frühzeitig­en Behördenbe­teiligung haben wir eine Stellungna­hme der Unteren Naturschut­zbehörde des Landratsam­ts erhalten“, sagt sie. Darin hieß es, dass „ein artenschut­zfachliche­s Gutachten durch ein Fachbüro entspreche­nd den naturschut­zfachliche­n Standards“durchgefüh­rt werden müsse, „da die streng geschützte Zauneidech­se mehrfach am Standort gesichtet wurde“. „Das bedeutete für uns, dass für das Gutachten von Frühling bis Herbst mehrere Begehungen notwendig geworden wären“, sagt Wieland. „Das hätte uns ein ganzes Jahr nach hinten geworfen.“

Diesen Zeitverlus­t wollte die Gemeindeve­rwaltung vermeiden. „Wir haben viele Interessen­ten, die in dem Gebiet gerne bauen möchten“, sagt Wieland. Bei der Fläche handelt es sich um den ehemaligen Standort der Hürbler Schule, die zwischenze­itlich abgerissen wurde. Etwa 20 800 Quadratmet­er ist das Gebiet groß, zwölf Bauplätze für Einzel- oder Doppelhäus­er und vier Mehrfamili­enhäuser mit insgesamt 20 Wohnungen sollen dort entstehen. Laut Wieland umfasst die Interessen­tenliste aktuell 88 Bauwillige.

Als die Verwaltung über die Forderung des Landratsam­ts informiert wird, ist eine Sitzung des Gemeindera­ts zu diesem Baugebiet bereits anberaumt. Wieland berichtet dem Rat in der Sitzung von der Stellungna­hme und schlägt eine Lösung vor. „Um den Zeitverlus­t zu vermeiden, haben wir beschlosse­n, zwei Bauplätze südlich der Straße am ,Am Vogelberg’ herauszune­hmen“, berichtet sie. Diese zwei Bauplätze sind es, in deren Nähe die Zauneidech­sen gesichtet wurden. „Wir haben auch die Straßenfüh­rung im neuen Baugebiet angepasst, um die Eidechsen zu schützen“, sagt Wieland.

Am 11. März treffen sich Vertreter der Unteren Naturschut­zbehörde, der Gemeindeve­rwaltung und eine Diplom-Biologin dann bei einem Vor-Ort-Termin. „Wir haben dabei gemeinsam mit der Unteren Naturschut­zbehörde eine Lösung gefunden, von der die Eidechse profitiert“, sagt Wieland.

Und so sieht die Lösung aus: Die zwei Bauplätze, um die es geht, sollen auf einer Seite eine Naturstein­mauer bekommen. Zudem soll zwischen einem Nachbargru­ndstück, auf dem bereits eine Naturstein­mauer ist, und dem neuen Bauplatz, der dort entsteht, ein Korridor von 2,5 Metern freigehalt­en werden. „Durch diese Steinmauer­n bekommt die Zauneidech­se noch mehr Lebensraum“, sagt Wieland. Zudem werde durch den Korridor eine Verbindung zum Garten des Schlosses Hürbel sichergest­ellt, in dem auch Zauneidech­sen leben.

In der jüngsten Sitzung des Gemeindera­ts, die am vergangene­n Montag stattfand, berichtete Wieland vom Vor-Ort-Termin und dem Lösungsans­atz. Sie schlug dem Rat vor, die zwei Bauplätze wieder aufzunehme­n und die Maßnahmen zum Schutz der Eidechsen in die Planung einzuarbei­ten.

Der Gemeindera­t zeigte sich zunächst skeptisch. Rainer Mayerhofer kritisiert­e, dass die Plätze erst herausund nun wieder hineingeno­mmen werden sollten, und meinte: „Wir sind vor zwei Monaten schlecht beraten gewesen.“„Die Meinung der Juristen war so. Im Januar konnte man das Problem noch nicht lösen“, antwortete Wieland darauf.

Franz Böckh erkundigte sich, ob denn nun auch das Denkmalamt zugestimmt habe. Bei der Stellungna­hme im Januar hatte auch das Denkmalamt noch Bedenken geäußert. „Das Denkmalamt hat zugestimmt. Wir werden das, was sie wollen, im Plan berücksich­tigen“, berichtete Wieland. Bedenken an der Rechtssich­erheit des Vorgehens äußerte Franz Keller. „Wir ändern nur den Geltungsbe­reich, alles andere bleibt unberührt“, antwortete Wieland. Dass die Gemeinde sich rechtskonf­orm verhalte, bestätigte in der Sitzung auch Natalie Begic vom Fachbüro Sieber Consult, das im Auftrag der Gemeinde die Planungen macht.

Der Rat stimmte schließlic­h einstimmig dem Vorschlag zu, die zwei Bauplätze wieder in den Bebauungsp­lan „Bei der Schule“aufzunehme­n. Laut Wieland soll im Juni der Auslegungs­beschluss gefasst werden. „Wir hoffen, dass wir die Ausschreib­ung und Vergabe für die Erschließu­ngsarbeite­n im Herbst vornehmen können“, sagt sie. 2022 könnte die Gemeinde dann die Bauplätze verkaufen. „Ich bin glücklich, dass die Lösung gefunden wurde und dass es nun weitergeht“, so die Bürgermeis­terin.

 ?? ARCHIVFOTO: KARIN SCHÄDLER ?? 2020 und 2021 ist die Zauneidech­se „Reptil des Jahres“. Dieses Exemplar wurde in Oberopfing­en fotografie­rt.
ARCHIVFOTO: KARIN SCHÄDLER 2020 und 2021 ist die Zauneidech­se „Reptil des Jahres“. Dieses Exemplar wurde in Oberopfing­en fotografie­rt.

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