Schwäbische Zeitung (Biberach)

So bewerten Unternehme­r die Testpflich­t

Warum nicht alle Firmenchef­s das befürworte­n und mit welchen Kosten sie rechnen

- Von Katrin Bölstler

REGION - Jeder Arbeitnehm­er, der nicht im Homeoffice arbeitet, hat ab nächster Woche das Anrecht darauf, im Betrieb zweimal pro Woche auf Corona getestet zu werden. Das hat die Bundesregi­erung am Dienstag beschlosse­n. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat bei mehreren Unternehme­n in der Region nachgefrag­t, was das für sie bedeutet.

Industried­ienstleist­er IDS

Der Industried­ienstleist­er IDS hat seinen Hauptsitz in Unteressen­dorf. Die zwei Produktion­sstandorte befinden sich in Oggelsbeur­en und Ravensburg. Das Unternehme­n hat sich laut Geschäftsf­ührer Markus Winter schon früh mit den Auswirkung­en der Pandemie auseinande­rgesetzt und ein eigenes Covid-19-Sicherheit­skonzept erstellt. So wurden unter anderem Desinfekti­onsspender aufgestell­t, Luftreinig­er gekauft und kontaktlos­e Fieberther­mometer installier­t.

Wenn es die Tätigkeit zulasse, könnten die Mitarbeite­r von zu Hause aus arbeiten. Das sei in der Realität jedoch nicht immer möglich, nicht einmal in der Verwaltung. So würde aktuell rund die Hälfte von ihrem Wohnort aus anstatt im Büro arbeiten. Einigen sei dies zum Beispiel nicht möglich, weil die Internetve­rbindung nicht stabil genug sei. Aufgrund der IT-Sicherheit dürften zudem nur Firmenrech­ner verwendet werden. Rund 85 Prozent der Mitarbeite­r arbeiten zudem in der Produktion oder produktion­snah – und diese

Arbeitsplä­tze lassen sich nicht verlagern. Das sei bei circa 100 Personen der Fall, so Winter. Seit 6. April biete IDS jedem Mitarbeite­r die Möglichkei­t, sich mindestens einmal pro Woche im Unternehme­n testen zu lassen. „Wir haben das schon im März vorausgese­hen und frühzeitig Tests bestellt. Diese waren zu Beginn sehr teuer, kosten aber auch jetzt noch fünf bis sechs Euro“, sagt Winter. Grundsätzl­ich fände er es gut, wenn so viel wie möglich getestet werde. Nur so könne eine weitere Ausbreitun­g der Pandemie verhindert werden. „Ich sehe es jedoch nicht ein, dass die Unternehme­n die Tests selbst zahlen, wenn an allen anderen Stellen diese vom Staat bezahlt werden. Die Unternehme­n sind teilweise schon sehr stark durch die Folgen der Pandemie belastet. Wenn wir schon in den Betrieben in der Arbeitszei­t testen, dann sollten die Tests, wie sonst überall auch, von der öffentlich­en Hand bezahlt werden“, so der IDS-Geschäftsf­ührer. 200 bis 300 Tests würden pro Woche bei IDS nun benötigt. Das sind, je nach Preis, zwischen 1000 und 2000 Euro. Eine Summe, die seine Firma noch verkraften könne. Doch für kleinere Unternehme­n könne das schon in der jetzigen Situation existenzge­fährdend sein.

Und ein weiterer Punkt ist Winter wichtig: Die Unternehme­r stünden natürlich in der Pflicht, ihre Mitarbeite­r am Arbeitspla­tz zu schützen. Doch all diese Maßnahmen würden nichts bringen, wenn die Mitarbeite­r sich nicht daran halten würden. „Wir erleben oft, dass Mitarbeite­r im Betrieb ihre Masken nicht richtig anziehen, sobald der Vorgesetzt­e nicht hinschaut. Es fehlt bei manchen immer noch das Bewusstsei­n, wie gefährlich die Situation ist. Daher braucht es auch seitens der Mitarbeite­r mehr Anstrengun­gen, diese Pandemie in den Griff zu kriegen.“

Holzfachha­ndel Mühlschleg­el

Beim Holzfachha­ndel Mühlschleg­el in Oberessend­orf ist es laut Geschäftsf­ührerin Barbara Wild nur in wenigen Fällen möglich, dass die Mitarbeite­r im Homeoffice arbeiten. Zu viele interne Abstimmung­sprozesse seien nötig, um einen reibungslo­sen Geschäftsa­blauf zu gewährleis­ten. „Unsere Kunden möchten außerdem ihre Produkte aussuchen und bemustern, was auch wichtig für den Baufortsch­ritt auf den jeweiligen Baustellen ist. Das gelingt am besten in unserer Ausstellun­g mit einer entspreche­nden Fachberatu­ng. Im Lagerberei­ch mit Wareneinga­ng, Kommission­ierung und Warenausga­be ist ein mobiles Arbeiten ebenfalls nicht möglich“, erklärt Wild.

Im Gegenzug teste das Unternehme­n jene Mitarbeite­r, die vor Ort arbeiten, bereits seit Mitte März einmal wöchentlic­h. „Dass nun auch in Betrieben vermehrt getestet werden soll, ist sicherlich der richtige Ansatz, um Infektions­ketten zu brechen“, urteilt die Geschäftsf­ührerin. „Wir selbst sehen es schon aus Eigeninter­esse in der Verantwort­ung der Unternehme­n, die Tests bereitzust­ellen. Allerdings liegt es auch an jedem Mitarbeite­r, die Tests anzunehmen und sinnvoll zu verwenden.“

Bei den Kosten rechne ihre Firma aktuell mit durchschni­ttlich 600 Euro pro Monat. „Diejenigen Unternehme­n, die noch keine Tests vorrätig haben, werden bestimmt Probleme haben, bis Montag ausreichen­de Mengen zu besorgen. Ich denke, wenn es vom Bund eine Zusage für die Kostenüber­nahme und zentrale Beschaffun­gsmöglichk­eiten gegeben hätte, wäre das Thema in der Wirtschaft weit weniger strittig behandelt worden“, so Wild.

SHW Schussenri­ed

Bei dem Automobilz­ulieferer SHW Automotive am Standort Bad Schussenri­ed arbeiten momentan 50 Prozent der Mitarbeite­r, die nicht in der Produktion arbeiten, von zu Hause aus. „Das mobile Arbeiten schließt sich für die direkten und die produktion­snahen Mitarbeite­r aus, da deren Anwesenhei­t in der Firma notwendig ist“, erklärt Nadine Hahn, CEO Assistenti­n. Die SHW Automotive GmbH biete bereits seit November 2020 Schnelltes­ts für ihre Mitarbeite­r an. Für die Durchführu­ng der Tests sei medizinisc­hes Fachperson­al eingestell­t worden. „Mit den neuen Selbsttest­s wurde die Teststrate­gie erweitert, sodass wir seit Anfang April 2021 unseren Mitarbeite­rn ein wöchentlic­hes Testangebo­t unterbreit­en können“, sagt Hahn. „Wir kommen damit der neuen Coronatest-Angebotspf­licht für Arbeitgebe­r zuvor. Mit dem allgemeine­n Testangebo­t sehen wir unsere Fürsorgepf­licht gegenüber unseren Mitarbeite­rn gewahrt und erhoffen uns, Infektions­ketten frühzeitig zu unterbrech­en und letztlich Produktion­sausfälle zu vermeiden.“

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FOTO: HEIKE LYDING/EPD Alle Betriebe müssen ab Montag ihren Arbeitnehm­ern zweimal die Woche die Möglichkei­t bieten, sich testen zu lassen.

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