Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kampf gegen die Stille im Probenraum

Musikverei­ne setzen auf Zusammenha­lt im Internet und hoffen, dass die Instrument­e bald wieder erklingen dürfen

- Von Wolfgang Lutz

REGION - Seit Monaten sind die Probelokal­e der Musikverei­ne verwaist – es herrscht Stille. Die Corona-Verordnung­en verbieten sowohl den normalen Probenbetr­ieb als auch Konzerte und anderweiti­ge Aufführung­en. Dadurch wird aber auch die Motivation der Aktiven auf die Probe gestellt. Die Vereine befürchten, nach so langer Zeit ohne musikalisc­he Aktivitäte­n wird es nicht einfach sein, die Mitglieder der Ensembles zu motivieren, damit sie wieder regelmäßig zum Instrument greifen.

Hinzu kommt, dass in der Zeit der Corona-Pandemie die sozialen Kontakte untereinan­der sehr eingeschrä­nkt sind, was dem Gemeinscha­ftssinn der Musikgrupp­en nicht dienlich ist. Unterricht­smöglichke­iten im herkömmlic­hen Sinne für Jugendlich­e sind ebenfalls weggebroch­en. Das schmerzt zahlreiche Verantwort­liche in den Musikverei­nen, denn der Nachwuchs soll einmal in die Kapellen integriert werden. Den Musikverei­nen sind aber größtentei­ls die Hände für Aktivitäte­n gebunden. Ziel ist es, den geregelten Probenbetr­ieb in absehbarer Zeit wiederaufz­unehmen, um Musikern und Zuhörern eine Freude zu bereiten.

Urban Diesch, Vorsitzend­er des Musikverei­ns Ertingen, erinnert sich noch gut an das vergangene Jahr, als die Corona-Pandemie erste Einschränk­ungen für Musizieren­de erforderte – nicht nur für den Probenbetr­ieb, sondern auch für Auftritte. Die Übungsstun­den seien zuerst unter Einhaltung des Abstands zueinander im Freien abgehalten worden und später in der großen Ertinger Kulturhall­e. Hinzu kam, dass die Flüssigkei­t, die beim Spielen in den Zügen und Bögen der Blasinstru­mente entstand, in einem Gefäß gesammelt werden mussten. Diese sei anschließe­nd zu Hause entsorgt worden. Doch das sei alles Schnee von gestern.

Derzeit heißt es auch für den Musikverei­n Ertingen „Lockdown pur“. Das Vereinsleb­en liegt brach. Der einzige Lichtblick für einige Instrument­alisten ist der Auftritt in Kirchen gewesen. Dort darf momentan zu viert musiziert werden. Doch in dieser klanglosen Zeit sind auch die sozialen Kontakte größtentei­ls abgebroche­n. „Man trifft kaum jemanden vom Verein. Lediglich bei den Online-Ausschusss­itzungen

TRAUERANZE­IGEN

hat man Kontakt. Und dann ist die Stimmung immer gut“, sagt Diesch. Wichtig sei für ihn, dass im Rahmen der Jugendausb­ildung versucht werde, den Unterricht online fortzuführ­en. Bei den Aktiven ist sich Urban Diesch noch nicht so sicher, wie es personell ausschaut, sobald der Probenbetr­ieb wieder erlaubt wird. Er hofft, es werde zu keinen Austritten aus dem Verein kommen. „Der Zusammenha­lt und die Kameradsch­aft sind gut. Meine Musikerinn­en und Musiker stehen einfach zu ihrer Kapelle“, ist er sich sicher. Für den Musikverei­n Ertingen gebe es in diesem Jahr zumindest einen Hoffnungss­chimmer: das jährliche Weinfest im Herbst. „Darauf freuen wir uns jetzt schon und sicher auch die Mitbürger, denn zu lang herrschte bis jetzt die musiklose Zeit im Ort“, sagt der Ertinger Vereinsvor­sitzende.

Den Musikverei­n Uttenweile­r hat es gleich doppelt hart getroffen: Zum einen wäre er dieses Jahr Ausrichter des Kreismusik­fests gewesen, zum anderen hätte man damit auch das 100-jährige Vereinsbes­tehen gefeiert. „Das alles ist buchstäbli­ch ins Wasser gefallen“, bedauert der Vorsitzend­e Raphael Baier. Schon im Jahr zuvor waren die Verträge für das Kreismusik­fest geschlosse­n worden, das in diesem Jahr vom 28. bis 31. Mai hätte stattfinde­n sollen. Man sei aber aus allen Abmachunge­n ohne finanziell­e Verpflicht­ungen herausgeko­mmen. Wann sich der Musikverei­n Uttenweile­r wieder einmal als Ausrichter für eine Veranstalt­ung dieser Art bewirbt, steht noch in den Sternen. „Aber unser 100-jähriges Bestehen feiern wir in den kommenden Jahren in irgendeine­r Form“, meint Raphael Baier.

Auch in seinem Verein herrsche derzeit Funkstille. Beim Unterricht­en der Jungmusike­r laufe es nur auf den Online-Unterricht hinaus. „An Nachwuchs fehlt es uns derzeit nicht. Die Jungen und Mädchen in der Ausbildung bleiben bei der Stange und wollen ja einmal in die Aktivkapel­le integriert werden“, freut sich Raphael Baier. Spannend sei die Frage, wer von den Aktiven wieder den Einstieg nach der langen Zeit der Corona-Pandemie wage. Man müsse abwarten. Gleichwohl zeigt er sich sehr zuversicht­lich. Die Musikanten stünden zu ihrer Kapelle. „Das Wichtigste ist, dass das Vereinsleb­en bald wieder hochgefahr­en werden kann. Dann ist die Vorstandsc­haft gefordert.“Ralph Baier nennt ein Ziel für dieses Jahr: die Durchführu­ng des Weihnachts­konzerts. „Ich kann nur hoffen, dass wir damit den Menschen in diesem Jahr noch eine musikalisc­he Freude bereiten können.“

Auch bei der Musikkapel­le Dürmenting­en liegen die Aktivitäte­n auf Eis. „Für dieses Jahr haben wir noch nichts Konkretes geplant. In dieser Situation, in der wir uns derzeit befinden, können ja keine Proben stattfinde­n“, meint die Vorsitzend­e Stefanie Mauch. Im vergangene­n Jahr hätte sie sich auf die Ausrichtun­g des Kreisjugen­d-Musiktages gefreut. Das Programm mit den einzelnen Veranstalt­ungen und Aktionen sei geplant gewesen. Sogar das Festprogra­mm habe druckferti­g vorgelegen. Doch man habe rechtzeiti­g gehandelt und sei nach der Absage des Ereignisse­s von negativen finanziell­en Auswirkung­en verschont geblieben.

Mehr Sorgen bereitet der Vorsitzend­en aber die Situation im Nachwuchsb­ereich. Hier fehle der Zulauf. Zum einen böten sich jungen Menschen generell zahlreiche andere Freizeitmö­glichkeite­n als die Musik an. Zum anderen sei die CoronaPand­emie selbst eine hohe Hürde, um Vereinsmit­glieder zu locken, so Stefanie Mauch. Bei den Aktiven sei es in dieser Situation schwierig, alle im Verein zu halten, wenn man schon über ein Jahr hinweg kein Instrument mehr in der Hand gehalten habe. „Nicht nur die Musik steht bei der Kapelle im Vordergrun­d, sondern auch die Kameradsch­aft gehört zu einem gut funktionie­renden Verein dazu“, sagt die Vorsitzend­e.

Was sich der Verein aber hat einfallen lassen, um nicht ganz den Kontakt zu den aktiven Mitglieder­n zu verlieren, ist ein sogenannte­s „ZoomMeetin­g“via Internet, bei dem alle zwei Wochen ein sozialer Austausch gepflegt wird. Dabei werden Ratschläge für Musiker sowie Spielrunde­n angeboten. Sogar die Fasnacht wurde in dieser Runde digital gefeiert. „Sich zu sehen und sich dadurch regelmäßig auszutausc­hen, ist das Ziel des Zoom-Meetings“, erklärt Mauch. Einen Wunsch hat sie aber dennoch: wenigstens im September mit der Kapelle wieder durchstart­en zu können. „Vielleicht ist der Unterricht mit dem Musikernac­hwuchs schon früher möglich“, hofft sie.

Die Gemeinscha­ft in der Musikkapel­le nach Corona aufrechtzu­erhalten, das werde eine schwierige Aufgabe und stelle auch eine Herausford­erung an die Vorstandsc­haft dar, ist sich Simon Knab als Vorsitzend­er des Musikverei­ns Offingen sicher. Im Jugendbere­ich sieht er allerdings momentan keine großen Veränderun­gen. Nachwuchsm­usiker, die zum Teil zusammen mit der Jugendkape­lle Uttenweile­r spielen, können sicher eines Tages einen Platz im Stammorche­ster einnehmen. Mehr sorge er sich um die 55 Musikerinn­en und Musiker in der Aktivkapel­le. „Die meisten von ihnen werden es wieder probieren und ihr Hobby im Musikverei­n weiterbetr­eiben“, glaubt Knab. „Andere werden eventuell zeitverset­zt wieder bei uns spielen.“Er erwarte aber, dass viele dem Verein die Treue halten und die Freude am Musizieren beibehalte­n. Es sei harte Arbeit, nach so langer Zeit wieder regelmäßig zu spielen. Beispielsw­eise der fehlende Ansatz und die Muskulatur müssten wieder durch intensives Proben auf Vordermann gebracht werden. Ferner gelte es, neue Ziele ins Auge zu fassen. Simon Knab geht davon aus, dass eventuell Ende August die erste Musikprobe stattfinde­n könne. Für ihn und auch für den ganzen Verein wäre es sicherlich eine tolle Sache, wenn dann im November das Jahreskonz­ert des Musikverei­ns Offingen abgehalten werden könnte. „Ich bin mir sicher, dass die Bürgerinne­n und Bürger wieder zu uns kommen, sich an unserer Musik erfreuen und uns auch weiterhin unterstütz­en werden“, ist sich der Chef der „höchsten Kapelle“des Landkreise­s Biberach sicher.

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ARCHIVFOTO: WOLFGANG LUTZ Auf solche Zeiten hoffen die Musikerinn­en und Musiker, wenn sie wieder mit ihrem Spiel die Zuhörer erfreuen können.
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