Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kampf gegen die Stille im Probenraum
Musikvereine setzen auf Zusammenhalt im Internet und hoffen, dass die Instrumente bald wieder erklingen dürfen
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REGION - Seit Monaten sind die Probelokale der Musikvereine verwaist – es herrscht Stille. Die Corona-Verordnungen verbieten sowohl den normalen Probenbetrieb als auch Konzerte und anderweitige Aufführungen. Dadurch wird aber auch die Motivation der Aktiven auf die Probe gestellt. Die Vereine befürchten, nach so langer Zeit ohne musikalische Aktivitäten wird es nicht einfach sein, die Mitglieder der Ensembles zu motivieren, damit sie wieder regelmäßig zum Instrument greifen.
Hinzu kommt, dass in der Zeit der Corona-Pandemie die sozialen Kontakte untereinander sehr eingeschränkt sind, was dem Gemeinschaftssinn der Musikgruppen nicht dienlich ist. Unterrichtsmöglichkeiten im herkömmlichen Sinne für Jugendliche sind ebenfalls weggebrochen. Das schmerzt zahlreiche Verantwortliche in den Musikvereinen, denn der Nachwuchs soll einmal in die Kapellen integriert werden. Den Musikvereinen sind aber größtenteils die Hände für Aktivitäten gebunden. Ziel ist es, den geregelten Probenbetrieb in absehbarer Zeit wiederaufzunehmen, um Musikern und Zuhörern eine Freude zu bereiten.
Urban Diesch, Vorsitzender des Musikvereins Ertingen, erinnert sich noch gut an das vergangene Jahr, als die Corona-Pandemie erste Einschränkungen für Musizierende erforderte – nicht nur für den Probenbetrieb, sondern auch für Auftritte. Die Übungsstunden seien zuerst unter Einhaltung des Abstands zueinander im Freien abgehalten worden und später in der großen Ertinger Kulturhalle. Hinzu kam, dass die Flüssigkeit, die beim Spielen in den Zügen und Bögen der Blasinstrumente entstand, in einem Gefäß gesammelt werden mussten. Diese sei anschließend zu Hause entsorgt worden. Doch das sei alles Schnee von gestern.
Derzeit heißt es auch für den Musikverein Ertingen „Lockdown pur“. Das Vereinsleben liegt brach. Der einzige Lichtblick für einige Instrumentalisten ist der Auftritt in Kirchen gewesen. Dort darf momentan zu viert musiziert werden. Doch in dieser klanglosen Zeit sind auch die sozialen Kontakte größtenteils abgebrochen. „Man trifft kaum jemanden vom Verein. Lediglich bei den Online-Ausschusssitzungen
TRAUERANZEIGEN
hat man Kontakt. Und dann ist die Stimmung immer gut“, sagt Diesch. Wichtig sei für ihn, dass im Rahmen der Jugendausbildung versucht werde, den Unterricht online fortzuführen. Bei den Aktiven ist sich Urban Diesch noch nicht so sicher, wie es personell ausschaut, sobald der Probenbetrieb wieder erlaubt wird. Er hofft, es werde zu keinen Austritten aus dem Verein kommen. „Der Zusammenhalt und die Kameradschaft sind gut. Meine Musikerinnen und Musiker stehen einfach zu ihrer Kapelle“, ist er sich sicher. Für den Musikverein Ertingen gebe es in diesem Jahr zumindest einen Hoffnungsschimmer: das jährliche Weinfest im Herbst. „Darauf freuen wir uns jetzt schon und sicher auch die Mitbürger, denn zu lang herrschte bis jetzt die musiklose Zeit im Ort“, sagt der Ertinger Vereinsvorsitzende.
Den Musikverein Uttenweiler hat es gleich doppelt hart getroffen: Zum einen wäre er dieses Jahr Ausrichter des Kreismusikfests gewesen, zum anderen hätte man damit auch das 100-jährige Vereinsbestehen gefeiert. „Das alles ist buchstäblich ins Wasser gefallen“, bedauert der Vorsitzende Raphael Baier. Schon im Jahr zuvor waren die Verträge für das Kreismusikfest geschlossen worden, das in diesem Jahr vom 28. bis 31. Mai hätte stattfinden sollen. Man sei aber aus allen Abmachungen ohne finanzielle Verpflichtungen herausgekommen. Wann sich der Musikverein Uttenweiler wieder einmal als Ausrichter für eine Veranstaltung dieser Art bewirbt, steht noch in den Sternen. „Aber unser 100-jähriges Bestehen feiern wir in den kommenden Jahren in irgendeiner Form“, meint Raphael Baier.
Auch in seinem Verein herrsche derzeit Funkstille. Beim Unterrichten der Jungmusiker laufe es nur auf den Online-Unterricht hinaus. „An Nachwuchs fehlt es uns derzeit nicht. Die Jungen und Mädchen in der Ausbildung bleiben bei der Stange und wollen ja einmal in die Aktivkapelle integriert werden“, freut sich Raphael Baier. Spannend sei die Frage, wer von den Aktiven wieder den Einstieg nach der langen Zeit der Corona-Pandemie wage. Man müsse abwarten. Gleichwohl zeigt er sich sehr zuversichtlich. Die Musikanten stünden zu ihrer Kapelle. „Das Wichtigste ist, dass das Vereinsleben bald wieder hochgefahren werden kann. Dann ist die Vorstandschaft gefordert.“Ralph Baier nennt ein Ziel für dieses Jahr: die Durchführung des Weihnachtskonzerts. „Ich kann nur hoffen, dass wir damit den Menschen in diesem Jahr noch eine musikalische Freude bereiten können.“
Auch bei der Musikkapelle Dürmentingen liegen die Aktivitäten auf Eis. „Für dieses Jahr haben wir noch nichts Konkretes geplant. In dieser Situation, in der wir uns derzeit befinden, können ja keine Proben stattfinden“, meint die Vorsitzende Stefanie Mauch. Im vergangenen Jahr hätte sie sich auf die Ausrichtung des Kreisjugend-Musiktages gefreut. Das Programm mit den einzelnen Veranstaltungen und Aktionen sei geplant gewesen. Sogar das Festprogramm habe druckfertig vorgelegen. Doch man habe rechtzeitig gehandelt und sei nach der Absage des Ereignisses von negativen finanziellen Auswirkungen verschont geblieben.
Mehr Sorgen bereitet der Vorsitzenden aber die Situation im Nachwuchsbereich. Hier fehle der Zulauf. Zum einen böten sich jungen Menschen generell zahlreiche andere Freizeitmöglichkeiten als die Musik an. Zum anderen sei die CoronaPandemie selbst eine hohe Hürde, um Vereinsmitglieder zu locken, so Stefanie Mauch. Bei den Aktiven sei es in dieser Situation schwierig, alle im Verein zu halten, wenn man schon über ein Jahr hinweg kein Instrument mehr in der Hand gehalten habe. „Nicht nur die Musik steht bei der Kapelle im Vordergrund, sondern auch die Kameradschaft gehört zu einem gut funktionierenden Verein dazu“, sagt die Vorsitzende.
Was sich der Verein aber hat einfallen lassen, um nicht ganz den Kontakt zu den aktiven Mitgliedern zu verlieren, ist ein sogenanntes „ZoomMeeting“via Internet, bei dem alle zwei Wochen ein sozialer Austausch gepflegt wird. Dabei werden Ratschläge für Musiker sowie Spielrunden angeboten. Sogar die Fasnacht wurde in dieser Runde digital gefeiert. „Sich zu sehen und sich dadurch regelmäßig auszutauschen, ist das Ziel des Zoom-Meetings“, erklärt Mauch. Einen Wunsch hat sie aber dennoch: wenigstens im September mit der Kapelle wieder durchstarten zu können. „Vielleicht ist der Unterricht mit dem Musikernachwuchs schon früher möglich“, hofft sie.
Die Gemeinschaft in der Musikkapelle nach Corona aufrechtzuerhalten, das werde eine schwierige Aufgabe und stelle auch eine Herausforderung an die Vorstandschaft dar, ist sich Simon Knab als Vorsitzender des Musikvereins Offingen sicher. Im Jugendbereich sieht er allerdings momentan keine großen Veränderungen. Nachwuchsmusiker, die zum Teil zusammen mit der Jugendkapelle Uttenweiler spielen, können sicher eines Tages einen Platz im Stammorchester einnehmen. Mehr sorge er sich um die 55 Musikerinnen und Musiker in der Aktivkapelle. „Die meisten von ihnen werden es wieder probieren und ihr Hobby im Musikverein weiterbetreiben“, glaubt Knab. „Andere werden eventuell zeitversetzt wieder bei uns spielen.“Er erwarte aber, dass viele dem Verein die Treue halten und die Freude am Musizieren beibehalten. Es sei harte Arbeit, nach so langer Zeit wieder regelmäßig zu spielen. Beispielsweise der fehlende Ansatz und die Muskulatur müssten wieder durch intensives Proben auf Vordermann gebracht werden. Ferner gelte es, neue Ziele ins Auge zu fassen. Simon Knab geht davon aus, dass eventuell Ende August die erste Musikprobe stattfinden könne. Für ihn und auch für den ganzen Verein wäre es sicherlich eine tolle Sache, wenn dann im November das Jahreskonzert des Musikvereins Offingen abgehalten werden könnte. „Ich bin mir sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger wieder zu uns kommen, sich an unserer Musik erfreuen und uns auch weiterhin unterstützen werden“, ist sich der Chef der „höchsten Kapelle“des Landkreises Biberach sicher.