Schwäbische Zeitung (Biberach)
Die CDU ringt mit sich selbst
Machtkampf um Kanzlerkandidatur in der Union auf der Zielgeraden
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BERLIN - Hinter der Union liegen turbulente Wochen. Während die Grünen ihre K-Frage geräuschlos klärten, reißt der Machtkampf zwischen CSU-Chef Markus Söder und CDU-Chef Armin Laschet alte und neue Gräben auf. Am Abend diskutierte erneut der CDU-Vorstand, ein Ergebnis lag bis Redaktionsschluss nicht vor.
Was geschah zuletzt?
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Die Ereignisse haben sich nach einer ohnehin schon dramatischen Woche förmlich überschlagen. Um kurz vor acht am Sonntagabend wurden CSUChef Markus Söder und seine engsten Mitarbeiter überraschenderweise in Berlin gesichtet. Angereist waren die Christsozialen mit einem Privatflieger von Nürnberg. „Wenn man schnell gerufen wird, muss man schnell entscheiden“, begründete Söder das außergewöhnliche und teure Verkehrsmittel. Generalsekretär Markus Blume versicherte umgehend, dass „selbstverständlich“die CSU den Flieger bezahlt habe.
In der Hauptstadt traf Söder dann zu nächtlicher Stunde mit dem ebenfalls angereisten Laschet zusammen. Nach zahlreichen Telefonaten war es offenbar Zeit für ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht, das aber auch kein Ergebnis brachte.
Was will Laschet?
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Ebenfalls ziemlich überraschend trat der CDU-Vorsitzende am Montagmittag vor die Presse. Angekündigt wurde sein Statement als Reaktion auf die nur kurz zuvor erfolgte Kanzlerkandidatur der Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock. Aber das war natürlich nur ein Vorwand, den Laschet nutzte, um gleich mehrfach wahlweise ein „faires Miteinander“und einen „fairen Wahlkampf“zu beschwören. Dabei dürfte er vor allem an die unionsinternen Umgangsformen gedacht haben. Laschet brachte sogar noch eine Warnung vor den „polarisierten“Verhältnissen in den USA unter. „Das sollten wir uns in Deutschland ersparen“, mahnte er, der seine Politik stets ausdrücklich unter das Motto „Zusammenhalt“stellt.
Und Söder?
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Stimmlage und Botschaft des CSUManns klangen bei Söders Auftritt eine Stunde nach Laschet auffällig sanft. „Ich trage alles nicht nur mit meinem Verstand, sondern auch mit meinem Herzen voll mit“, lautete einer seiner Sätze. Seine Kandidatur zog Söder allerdings nicht zurück, bekräftigte vielmehr, weiterhin bereit zu sein, „Verantwortung zu übernehmen“. Das letzte Wort übertrug er dann der großen Schwester: „Die Entscheidung kann nur die CDU treffen.“Das Ergebnis werde er „ohne Groll“akzeptieren. Ähnliches allerdings hatte er schon vor einer Woche gesagt – mit bekanntem Ergebnis.
Wie geht es nun weiter?
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Den Ball hatte Söder damit aufs Feld der CDU gespielt. Bereits zuvor hatte Laschet für Montagabend seinen Bundesvorstand zu einer digitalen Sondersitzung zusammengerufen. Die begann am Abend um 18 Uhr mit Laschets Bekräftigung zur Kandidatur und seiner ausdrücklichen Aufforderung „zu einer offenen Debatte“. Die gab es dann auch. Nach über einer Stunde standen noch immer 40 Wortmeldungen aus. Gleich zu Beginn sprach sich Laschets Vorgängerin im Parteivorsitz, Annegret Kramp-Karrenbauer, klar für den amtierenden CDU-Chef aus.
Dann wogte es teilweise hin und her. Parteivize Julia Klöckner beispielsweise berichtete von einem „eindeutigen Stimmungsbild“pro Söder bei ihrer Parteibasis. Mehrere Redner, unter ihnen der Außenpolitiker Norbert Röttgen, warnten davor, eine Entscheidung beispielsweise per Abstimmung übers Knie zu brechen.
„Besorgt“ist die als KanzlerinKandidatin gekürte grüne Parteivorsitzende wegen des Machtkampfes in der Union. Sie verweist auf andere europäische Länder und darauf, was es für Folgen haben kann, wenn große Parteien „auseinanderbröckeln“. Deswegen wünscht sie „Herrn Laschet und Herrn Söder, dass sie zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen“.
Annalena Baerbock
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Carsten Schneider sagt: „Wir erleben einen brutalen Machtkampf, der ohne Rücksicht auf die schwierige Lage im Land geführt wird.“Aus Schneiders Sicht beeinträchtigt das „Führungsvakuum in der Union“nicht nur die
Wie ist es um den Rückhalt für Laschet bestellt?
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Strukturell war er als Chef der größeren Partei eigentlich in der stärkeren Position, trotz der großen Popularität Söders. Das gilt aber eben nur so lange, wie die CDU auch hinter ihm steht. Und da beginnen die Probleme: Gerade weil die CDU die größere Partei ist, sind hier innerparteiliche Risse immer viel wahrscheinlicher als in der CSU. Und diese waren in den vergangenen Tagen durchaus zu besichtigen. „Es geht letztlich um die CDU“, stellte auch Söder nüchtern fest.
Woher kommen die Zweifel? In der letzten Woche ist viel passiert – beispielsweise in den Reihen der Ministerpräsidenten. Außer Laschet und Söder stellt die Union fünf Regierungschefs. Drei von ihnen, Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt, Tobias Hans aus dem Saarland und
Arbeit in der Koalition, sondern auch den Kampf gegen die Pandemie“. So sei die bundeseinheitliche Regelung für die Corona-Notbremse nicht zuletzt deshalb nötig geworden, „weil im internen Unionsmachtkampf ein Wettbewerb um Lockerungen gerade in Bayern und Nordrhein-Westfalen das ganze Land als Geisel genommen hatte“. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans findet es „sehr unverantwortlich“, dass man in einer solchen Krise „seinem eigenen Ehrgeiz nachgeht und sich damit in der Öffentlichkeit offenbar aufmerksamkeitsstärker produziert.“
FDP-Generalsekretär Volker Wissing betont: „Das Wichtigste, was wir an politischer Währung haben
Michael Kretschmer aus Sachsen, gingen mit Äußerungen an die Öffentlichkeit, die man vielleicht nicht als begeistertes Votum pro Söder werten muss, die aber auch keine klare Unterstützung des eigenen Parteichefs waren. Unmissverständlich für Laschet hat sich nur der schleswig-holsteinische Regierungschef Daniel Günther eingesetzt. Der Hesse Volker Bouffier wiederum verwahrte sich zwar gegen die Angriffe Söders auf die Entscheidungsgremien der CDU, versteht sich aber vor allem als Vermittler. Zuletzt wirkte es so, als gerate die CDU-Führungsriege, die zu Laschet hält, von zwei Seiten unter Druck: Von Söder auf der einen und der eigenen Basis auf der anderen. Seit dem Wochenende hatten sich jedenfalls Forderungen aus der mittleren und unteren CDU-Ebene gehäuft, Söder zu nominieren. und worauf wir in einer Pandemie angewiesen sind, ist Vertrauen.“Das sieht Wissing offenbar verspielt und deswegen könnte die Union „nicht davon ausgehen, dass die Bevölkerung ihr vertraut“, sagte Wissing im Gespräch mit dieser Zeitung. Er lässt eindeutige Sympathien für einen der Bewerber erkennen. „Mit Armin Laschet arbeiten wir aktuell in NordrheinWestfalen vertrauensvoll zusammen, in einer Koalition, die nachweislich gut funktioniert. Mit Markus Söder liegen die Erfahrungen schon etwas zurück.“Selbstverständlich können wir uns mit beiden vorstellen, über Sachpolitik zu sprechen. Aber die positiven Erfahrungen mit Laschet sind natürlich ein Fakt. (eha)