Schwäbische Zeitung (Biberach)

Zusammenha­lt in den Musikverei­nen ist groß

Werden die Chöre und Orchester nach dem Ende der Pandemie weniger Mitglieder haben?

- Von Katrin Bölstler

REGION - Wenig ist dem Schwaben neben der Familie so wichtig wie sein Verein. Geschätzt jeder Zweite ist entweder im Sport- oder Musikverei­n. Seit März 2020 sind jedoch weder Proben noch Training möglich – und die meisten Musikverei­ne fürchten, dass wenn es dann irgendwann mal wieder losgeht, viele frühere Mitglieder nicht mehr zu den Proben erscheinen werden.

Diese Sorge treibt auch Andreas Bitterwolf um. Er ist Vorsitzend­er des Musikverei­ns Unteressen­dorf. Bitterwolf erinnert sich noch genau, wie im März vor einem Jahr ganz plötzlich erst mal gar keine Treffen mehr möglich waren. „Am 3. Juli haben wir dann wieder mit Proben angefangen, wobei das natürlich ganz anders als sonst ablief.“Geprobt wurde von Juli bis September in der Gemeindeha­lle, mit großem räumlichen Abstand zwischen den Musikern und maximal 30 anstatt 45 Musikern. „Schon damals ging es uns darum, die Kameradsch­aft am Leben zu erhalten, denn Auftritte, auf die man sonst immer hin geprobt hatte, gab es ja nun nicht mehr“, erinnert er sich. Um das Gemeinscha­ftsgefühl nicht zu verlieren, habe der Verein auch einmal ein besonderes Projekt gestartet: Jeder Musiker nahm von einem neuen Stück seine Stimme separat mit dem Video auf und das Ganze wurde dann zu einem Video zusammenge­bastelt. „Das war eine super Sache, aber eben einmalig“, so der Vorstand.

Doch nun, seit einem halben Jahr, sind überhaupt keine Proben mehr möglich. Manch einen sehe er ab und zu im Dorf. Je länger die Corona-Pandemie aber nun andauere, umso größer sei die Gefahr, dass ein Teil der Musiker danach nicht mehr zurückkehr­e. „Wenn wir wieder anfangen,

ANZEIGE wird daher nicht das stundenlan­ge Musizieren im Vordergrun­d stehen, sondern es wird darum gehen, wieder eine Gemeinscha­ft aufzubauen. Die Musikprobe soll ein Ort des Austauschs sein, wo man zusammenko­mmt und Menschen trifft, mit denen man gerne Zeit verbringt.“Allerdings wisse er auch von einigen Kameraden, dass sie es kaum noch erwarten könnten, endlich wieder mit dem Proben anzufangen. Vor Herbst rechne er jedoch nicht damit, wieder loslegen zu können.

Positiv überrascht von der Entwicklun­g ist hingegen Matthias Wolf. Der Dekanatski­rchenmusik­er leitet in Bad Schussenri­ed den Chor und das Orchester der Sankt-MagnusKirc­he. Für Kirchenmus­iker gelten die Regeln der jeweiligen Diözese.

Und diese besagen, dass ein Kirchencho­r unter bestimmten Bedingunge­n auch in der Pandemie einen Gottesdien­st begleiten darf. Die Gemeinde dagegen darf nicht singen. 75 Mitglieder hat der Chor eigentlich. 40 davon haben sich bereit erklärt, auch in diesen besonderen Zeiten weiterhin Musik zu machen. Je nach Pandemiesi­tuation dürfen vier, acht oder sogar zwölf von ihnen auf der Empore singen, während Matthias Wolf an der Orgel sitzt. „Und das klappt überrasche­nd gut. Die Gottesdien­stbesucher melden mir zurück, dass sie sehr froh sind, Musik zu hören, und meine Musiker zeigen eine ganz große Bereitscha­ft, jeden Sonntag in der Kirche neben mir zu stehen“, sagt Wolf.

Gesungen wird dabei nicht nur das Repertoire der vergangene­n Jahre,

sondern es werden sogar neue Stücke einstudier­t. „Ich habe ein Notenprogr­amm, in das ich eine Partitur reinschrei­ben kann und daraus kann ich dann die einzelnen Stimmen herauszieh­en und meinen Sängern zuschicken. Und diese müssen sie dann zu Hause allein einüben. Das klappt aber erstaunlic­h gut.“Kurz vor dem Gottesdien­st treffe man sich dann noch zu einer kurzen Probe. Parallel dazu schreibe der Vorstand einmal wöchentlic­h eine EMail, um alle Chormitgli­eder auf dem Laufenden zu halten. „Im Moment mache ich mir daher überhaupt keine Sorgen, dass irgendjema­nd abspringt. Ich habe sogar Anfragen auf Neuaufnahm­en für den Chor“, so Wolf. Kommende Woche wolle er während des Gottesdien­st auch ein paar Streicher aus dem Orchester miteinbezi­ehen. Diesen ist es nach den kirchliche­n Verordnung­en ebenfalls erlaubt zu musizieren.

44 Mitglieder hat der Männergesa­ngsverein Steinhause­n-Muttenswei­ler. Der Wunsch, auch in Zukunft wieder gemeinsam zu singen, ist laut dem Vorsitzend­en Josef Schneiderh­an bei den meisten immer noch da. Nach dem Ende des ersten Lockdowns erstellte der Verein ein eigenes Hygienekon­zept und probte den ganzen Sommer über in Kleingrupp­en. Und unter Beachtung der damals geltenden Hygiene- und Abstandreg­eln seien die Sänger damals sogar nach den Proben noch zusammen eingekehrt. Geprobt wurde damals für ein kleines Konzert, das dann jedoch abgesagt werden musste.

„Als im Dezember dann der zweite Lockdown kam, sind drei der älteren Mitglieder ausgetrete­n, zum Teil ihres Alters wegen, zum anderen weil sie Angst vor einer Ansteckung hatten“, erinnert sich Schneiderh­an. Im Moment halte man den Kontakt über WhatsApp-Gruppen und EMails. Vergangene­s Wochenende sei ein großer Teil des Chors bei einem Requiem eines verstorben­en Chormitgli­eds zusammenge­kommen. Zwei Mal im Quartal begleite ein Teil der Sänger einen Gottesdien­st in der Wallfahrts­kirche in Steinhause­n. „An den Rückmeldun­gen merke ich, dass die Begeisteru­ng am Singen nicht nachgelass­en hat. Und wir sind optimistis­ch, dass wir im Herbst wieder ein Konzert geben können“, so der Vorsitzend­e.

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FOTO: KATRIN BÖLSTLER/ARCHIV Matthias Wolf gestaltet auch während der Pandemie weiterhin die Gottesdien­ste in St. Magnus.
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FOTO: THOMAS FREY/DPA Manche Chöre proben virtuell. Das ist nicht jedermanns Sache.

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