Schwäbische Zeitung (Biberach)
Neue Heimat für Unke und Eidechse
Boehringer Ingelheim wertet Fläche in Ochsenhausen ökologisch auf – Was das mit dem Bauvorhaben zu tun hat
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OCHSENHAUSEN - Von außen hat sich noch nichts geändert, doch die Firma, die am nördlichen Rand von Ochsenhausen ihren Sitz hat, trägt seit wenigen Wochen einen neuen Namen: statt Labor Dr. Merk heißt die Firma seit Ende März Boehringer Ingelheim Therapeutics GmbH. Das berichtet Geschäftsleiterin Dr. Ingrid Rapp. „Das Logo wird noch ausgetauscht, die Umfirmierung läuft“, sagt sie.
Wie bereits berichtet, hatte der Arzneimittelhersteller Boehringer Ingelheim die Ochsenhauser Firma Ende vergangenen Jahres übernommen. Mit der Übernahme ging auch ein personeller Wechsel einher, Dr. Johannes Merk, vormals Mitgesellschafter, verließ die Firma. „Herr Dr. Merk wollte den Namen mitnehmen, deshalb ist ,Dr. Merk’ kein Bestandteil des Firmennamens mehr“, erläutert Rapp. Doch weder der neue Name noch der personelle Wechsel habe an der strategischen Ausrichtung der Firma etwas geändert, sagt sie.
Nach wie vor entwickelt das biotechnologische Unternehmen neuartige Medikamente unter anderem zur Behandlung von Krebs. Und auch an den Erweiterungsplänen der Firma hat sich durch die Übernahme nichts geändert. Der Ochsenhauser Gemeinderat billigte im November vergangenen Jahres den Entwurf des Bebauungsplans „Untere Wiesen III“, der die Voraussetzung für die Erweiterung ist. Gleichzeitig wurde die Verwaltung damit beauftragt, die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung einzuleiten. Diese erste sogenannte Auslegung ist bereits vorbei.
„Im Rahmen der Auslegung gingen Einwendungen ein, die von der Stadt nun geprüft und abgewogen werden“, sagt Evelyn Wuttke. Sie leitet bei Boehringer Ingelheim das Team Umweltschutz, das sich um den Standort Biberach und nun auch um den neuen Standort Ochsenhausen kümmert. „Die Stadtverwaltung kam auf Boehringer Ingelheim zu“, berichtet sie. „Dabei ging es darum, wie man auf die Einwendungen eingehen kann.“
Die Erweiterungspläne von Boehringer Ingelheim Therapeutics, vormals Labor Dr. Merk, sind nämlich in Ochsenhausen nicht unumstritten. Kritik kam vor allem von Anwohnern und Naturschützern. „Es gab Gespräche zwischen Stadtverwaltung und Boehringer Ingelheim“, berichtet Wuttke. Ziel sei es gewesen, direkt vor Ort mehr ökologischen Ausgleich für die geplanten Baumaßnahmen zu schaffen.
Ein Ergebnis der Gespräche ist bereits zu sehen. Eine etwa 1500 Quadratmeter große Fläche wird aktuell von Boehringer Ingelheim ökologisch aufgewertet. Das Gelände gehört der Firma und befindet sich ein ganzes Stück vom Firmengebäude entfernt im Norden. Die Fläche zieht sich an der Öchsle-Bahnlinie entlang. „Es handelt sich dabei um Ausgleichsflächen außerhalb des Plangebiets des Bebauungsplans“, betont Wuttke. „Es findet eine reine ökologische Aufwertung statt. „Diese greift den geplanten Baumaßnahmen nicht vor, sondern dient dazu, einen Lebensraum für gefährdete Arten anzulegen.“
Wie Wuttke berichtet, ist ein großer Teil der Aufwertung bereits abgeschlossen, nur ein kleiner Rest fehlt noch. Die Arbeiten begannen Anfang dieser Woche. „Wir waren erst einmal damit beschäftigt, den Müll auf der Fläche zu entsorgen“, berichtet sie. So seien unter anderem Glasflaschen, Textilien und Plastikmüll eingesammelt worden. Nachdem
das Gelände müllfrei war, kam der Bagger. Er grub an mehreren Stellen Löcher in die Wiese. Für den Laien sehen diese Löcher wenig gelungen aus, sie sind unterschiedlich tief und alles andere als gerade. Doch das ist so gewollt. „Es war nett mit den Bauarbeitern. Sie sind es ja gewohnt, gerade Linien zu ziehen. Doch im Umweltschutz gilt: alles außer gerade“, sagt Wuttke.
Aus den Löchern soll Lebensraum für unterschiedliche Tiere werden. Um drei bedrohte Tierarten geht es dabei besonders. „Wir haben drei Arten im Fokus: die Gelbbauchunke, die Zauneidechse und den Nachtkerzenschwärmer“, sagt Wuttke. Die vom Bagger geschaffenen Löcher sollen sich mit Regen füllen und so zu Seichten werden, erläutert sie „Die Unke mag es, wenn das Wasser nicht so hoch steht.“
Im Gegensatz dazu zieht die Zauneidechse sonnige Plätze vor. „Eidechsen wollen sich sonnen“, sagt Wuttke. Das tun sie gerne auf Steinen – und auf Holz. „Holz wird schneller warm als Stein. Deshalb ist Totholz auch für die Eidechsen wichtig.“An mehreren Stellen auf der Fläche liegen Steine in verschiedenen Größen verteilt. Teilweise sind sie auch zu Steinriegeln übereinandergestapelt. Kleine Sandbecken sind für die Eiablage gedacht.
Kreuz und quer verteilte Baumstümpfe und Teile von Bäumen erwecken auf den ersten Blick den Eindruck, dass auch Bäume gefällt wurden. Doch das stimmt nicht. „Das Totholz wurde eigens gekauft und hierhergebracht. Es wurde hier kein Baum gefällt“, sagt Wuttke. Sowohl Steine, Sand und Holz stammen aus der Region. Laut Wuttke haben die Maßnahmen „eine Summe im mittleren fünfstelligen Bereich“gekostet.
Zauneidechsen und Gelbbauchunken leben bereits in dem Gebiet, wo gebaut werden soll. Geplant ist, dass sie vor Beginn der Bauarbeiten dazu gebracht werden, in ihren neuen Lebensraum umzuziehen. „Vergrämen“nennen Biologen das. „Für die Tiere ist es angenehmer, in einen Lebensraum umzuziehen, der nicht erst seit Kurzem besteht, sondern schon länger. Bei diesem Projekt haben wir die Zeit dafür, das so zu machen, das ist der Idealfall“, erläutert Wuttke.
Was noch fehlt, sind die Weidenröschen, die für den Nachtkerzenschwärmer gepflanzt werden, und ein knapp vier Quadratmeter großes Insektenhotel. Zudem soll aus einem bislang geraden und steilen Graben ein kleiner sich schlängelnder naturnaher Bach werden, der schlussendlich in die Rottum mündet.
Wuttke ist mit den schon umgesetzten Maßnahmen sichtlich zufrieden. Die erste Zauneidechse ist bereits eingezogen.