Schwäbische Zeitung (Biberach)
Landsberg, Leipzig, Lebenstraum
Der Megadeal, Teil eins: Auf den wohl zukünftigen Bundestrainer Flick folgt sicher Nagelsmann beim FC Bayern
MÜNCHEN (SID/dpa) - Geflirtet wurde schon seit Jahren, jetzt ist die millionenschwere Traumhochzeit zwischen Bayern München und Wunschtrainer Julian Nagelsmann perfekt. Der deutsche Rekordmeister legt für den Coach von Titelrivale RB Leipzig die Weltrekordablöse von angeblich bis zu 25 Millionen Euro auf den Tisch. Mit dem Wechsel von Nagelsmann, der an der Isar bis 2026 unterschreibt, ist der Weg für TripleTrainer Hansi Flick zum DFB frei. Sein noch zwei Jahre gültiger Vertrag in München wurde aufgelöst.
Er verlasse Leipzig „schweren Herzens“, sagte Nagelsmann, aber: „Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass mich der Trainerposten beim FC Bayern reizt und ich diesen Job gerne annehmen würde, wenn sich diese vielleicht einmalige Gelegenheit ergeben sollte.“Nun erfülle sich ein „Lebenstraum“.
Flick verabschiedete sich gleichzeitig nach „zwei unvergesslichen Jahren“mit demnächst wohl sieben Titeln, aber auch einem nervenden Dauerzwist mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic mit versöhnlichen Worten. „Es war mir eine sehr große Ehre“, sagte er, in seinen Dank bezog er Salihamidzic ausdrücklich ein. Der 56-Jährige soll nach der EM seinen früheren Chef Joachim Löw beerben und Bundestrainer werden.
Bei der Nationalmannschaft trainiert Flick dann auch „seine“Münchner Profis weiter, im Alltag hören sie künftig auf Nagelsmann. „Julian Nagelsmann steht für eine neue Trainergeneration. Wir sind überzeugt davon, dass wir mit ihm an die großartigen Erfolge der vergangenen Jahre anknüpfen werden“, sagte Bayern-Präsident Herbert Hainer und würdigte die „beeindruckende Laufbahn“des Shootingstars der deutschen Trainerszene. Flick werde „immer einen Platz in den Geschichtsbüchern des FC Bayern haben“, ergänzte er. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge äußerte sich überraschend nicht. Diese Rolle übernahm für den Vorstand Oliver Kahn – ein Vorgriff auf die Zukunft in der Führungsetage an der Säbener Straße. „Allein schon Julians Vertragslaufzeit von fünf Jahren zeigt, wie sehr er sich mit dem FC Bayern identifiziert“, sagte Kahn, der zum Jahresende Rummenigge beerbt.
Nagelsmann hat als Profitrainer noch keinen Titel gewonnen und scheint doch wie gemacht für die große Aufgabe beim ruhmreichen FCB. „Ich bin sehr, sehr glücklich mit meinem Leben – der FC Bayern würde mich vielleicht noch ein Stück glücklicher machen“, hatte Nagelsmann schon vor Jahren gesagt. Seine fachlichen Qualitäten sind trotz seines jungen Alters von 33 Jahren über jeden Zweifel erhaben. Nagelsmann macht Spieler besser. Auch konzentriert
Julian Nagelsmann, der seinen Dienst laut Vertrag am 1. Juli antritt, wird nicht der jüngste BayernTrainer in der Bundesliga-Historie (ab 1965) sein. Denn: Am 23. Juli wird er 34. Als Sören Lerby, allerdings ohne jede Trainer-Erfahrung, im Oktober 1991 Jupp Heynckes ablöste, war der Däne 33
Jahre und acht Monate alt – das Experiment scheiterte krachend.
Wenn es denn so kommt, wird Flick der erste Coach, der aus München kommend beim Verband anheuert. Den umgekehrten Weg nahm Udo Lattek, der 1970 als Trainer der damaligen DFB-Jugendnationalmannschaft an die Säbener Straße wechselte. Erst Nationaltrainer, dann Bayern: Jürgen Klinsmann. Auch der Kaiser war erst beim DFB (Teamchef), dann später 2x Aushilfstrainer bei Bayern. Erst Bayern, dann DFB: Erich Ribbeck – jeweils mit zeitlichem Abstand.
Der einzige Trainer in der Vereinshistorie des FC Bayern, der trotz eines noch laufenden Vertrages um seinen Abschied bat, war Giovanni Trapattoni – und das bei seinem zweiten Engagement (zuvor 1994/ 95). Nach seiner Rückkehr 1996 gewann der italienische „Maestro“, ausgestattet mit einem Vierjahresvertrag, 1997 die Meisterschaft und 1998 den DFB-Pokal. Im April wurde klar: Ottmar Hitzfeld, damals Sportdirektor beim BVB, kommt als Nachfolger. Trap ging zur AC Florenz. Alle anderen Bayern-Trainer wurden entweder entlassen (zuletzt Niko Kovac) oder erfüllten ihren Vertrag bis zum vereinbarten Ende (zuletzt Heynckes).
In seiner Kindheit war Nagelsmann, geboren in Landsberg am Lech (Luftlinie 52 km von München entfernt), Bayern-Fan. Es wächst zusammen, was zusammengehört? Seit dem Bundesliga-Aufstieg der Bayern 1965 waren nur zwei Trainer mit bayerischen Wurzeln im Amt: Franz Beckenbauer kam im Münchner Stadtteil Giesing (der Hochburg von Stadtrivale TSV 1860) zur Welt. Und Felix Magath (2004 – 07), gebürtig in Aschaffenburg, der kreisfreien Stadt im bayerischen Regierungsbezirk Unterfranken, jedoch Teil der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main. Daher Magaths hessischer Dialekt.
Nagelsmann, kurz davor mit RB Vize-Meister zu werden, macht den Sprung zum (fast sicheren) Serien-Meister. Als Trainer Otto Rehhagel 1995 Bremen nach 14 Jahren verließ, verlor er mit Werder am letzten Spieltag mit 1:3 bei Bayern, seinem zukünftigen Arbeitgeber und damit auch die Meisterschaft, die sich Borussia Dortmund sicherte.
Sonst meist umgekehrt. Siehe Rehhagel und Spielmacher Andreas Herzog, der 1995 ebenfalls nach München ging. Diesmal erhält Leipzig neben der Ablöse für Nagelsmann auch 42,5 Millionen Euro Gebühr für Innenverteidiger Dayot Upamecano. Ausblick: Gewinnt Nagelsmann mit RB den Pokal, verhilft er Leipzig erstmals zur Teilnahme am Supercup vor der kommenden Saison. Dann träfe RB auf Meister Bayern mit Nagelsmann. Macht das Wiedersehen dann Freude?
(ps) er sich sehr zur Freude der Bayern-Bosse lieber auf seine Kernarbeit, anstatt sich mit seinen Vorgesetzten in Transferfragen anzulegen.
Nagelsmann stammt aus dem oberbayerischen Landsberg am Lech, Ehefrau Verena und seine beiden Kinder wohnen im Münchner Umland. Spieler in Leipzig begrüßte und verabschiedete er gerne mit den an der Isar gebräuchlichen Wendungen „Griaß di“und „Pfiat di“.
Der frühere Bayern-Präsident Uli Hoeneß hatte Nagelsmann schon in
„Ich werde jetzt nicht einen T6 mieten, um nach München zu
fahren und im Schlepptau noch den ein oder anderen guten Spieler von Leipzig
dabei zu haben.“
Julian Nagelsmann
dessen Zeit als Hoffenheimer U19Coach verpflichten wollen. Damals verweigerte TSG-Mäzen Dietmar Hopp aber die Freigabe. Mit sechsjähriger Verspätung kommt die Ehe nun doch noch zustande.
Dafür bezahlen die Bayern dem Vernehmen nach einen Sockelbetrag in Höhe von 15 Millionen Euro an RB, der erfolgsabhängig aufgestockt wird. Nagelsmann soll in München deutlich mehr verdienen als die bisher angeblich drei Millionen Euro. Aus Leipzig bringt er Abwehrchef Dayot Upamecano mit, für den die Bayern 42,5 Millionen Euro Ablöse bezahlen – doch mehr wohl nicht. „Ich werde jetzt nicht einen T6 mieten, um nach München zu fahren und im Schlepptau noch den ein oder anderen guten Spieler von Leipzig dabei zu haben“, sagte Nagelsmann: „Jetzt, wo mir RB die Chance ermöglicht, fange ich nicht an, an Spielern rumzugraben.“Über seine Rekordablöse mache er sich wenig Gedanken: „Grundsätzlich ist mir jetzt nicht angst und bange aufgrund einer Ablösesumme. [...] Bei den Spielern gibt es viele, die deutlich mehr kosten, auch die haben mit dem Druck umzugehen und ihre Leistung zu bringen. So ist es bei mir auch.“
Folgt als nun zeitnah die FlickVerkündung? „Es ist bekannt, dass Hansi Flick beim DFB eine große Wertschätzung genießt und ein hervorragender Kandidat als Bundestrainer ist. Wir können bestätigen, dass wir vor diesem Hintergrund nun auch Gespräche mit Hansi Flick und den Verantwortlichen des FC Bayern führen werden“, teilte der Verband mit. Auch in Sachen LöwNachfolge kann es also schnell gehen.