Schwäbische Zeitung (Biberach)
Haushaltsloch: Eine Sparidee stößt auf wenig Gegenliebe
So reagieren die Gemeinderatsfraktionen auf das 25-Millionen-Euro-Defizit im Biberacher Haushalt
BIBERACH (gem) - Wie soll die Stadt Biberach auf das 25-Millionen-EuroLoch im aktuellen Haushalt reagieren (SZ berichtete)? Darüber diskutierte am Montagabend der Gemeinderat, und es gab durchaus unterschiedliche Sichtweisen in der Bewertung. Vor allem für einen Sparvorschlag der Stadtverwaltung könnte es am Ende keine Mehrheit geben.
Oberbürgermeister Norbert Zeidler und Kämmerin Margit Leonhardt hatten in ihrem Quartalsbericht zur Haushaltslage darauf hingewiesen, dass sich das zu Jahresbeginn prognostizierte Defizit von 5,7 Millionen Euro im Ergebnishaushalt zwischenzeitlich auf rund 25 Millionen Euro vergrößert hat, hauptsächlich ausgelöst durch eine Gewerbesteuerrückzahlung von rund 35 Millionen Euro, die das Jahr 2017 betrifft. „Das ist ein Schlag ins finanzielle Kontor der Stadt, der uns zudem in schwieriger Zeit trifft“, konstatierte Zeidler.
Auch 2022 werde der Haushalt mit aktuell 6,5 Millionen Euro defizitär sein, sollte sich die Entwicklung so fortsetzen. Deshalb müsse man den Blick auch auf Sparmöglichkeiten richten. Es gebe aber auch Lichtblicke, so Zeidler: „Unsere Liquidität ist sehr hoch, Biberach hat aktuell die niedrigsten Steuersätze aller großen Kreisstädte im Land, außerdem sind wir in der Akquise von Zuschüssen gerade gut unterwegs.“
Die Liquiditätsreserve dürfe nicht sukzessive aufgezehrt werden, warnte Peter Schmid (Grüne) und positionierte sich zu den Sparvorschlägen der Stadtverwaltung, sollte sich für 2022 keine Verbesserung ergeben. Seine Fraktion trage eine Gewerbe- sowie Grundsteuererhöhung mit, nicht aber einen Verzicht auf das kostenfreie dritte Kindergartenjahr.
„Wir sehen hingegen Einsparpotenzial bei einigen nicht mehr zeitgemäßen Straßenbauprojekten“, sagte Schmid und nannte die geplante Gemeindeverbindungsstraße Blosenberg als Beispiel. Aufgrund der massiven Baukostensteigerungen brauche es auch eine dringende Neubewertung des städtischen Investitionsprogramms für die nächsten Jahre.
Das Defizit habe eine Höhe erreicht, „die auch für Biberach außergewöhnlich ist“, sagte Ulrich Heinkele (Freie Wähler). Er warf seinen Blick auch auf kleinere Maßnahmen zur Einsparung und fragte sich zum Beispiel, warum die Kurzarbeitsmöglichkeiten bei der Verwaltung nicht so ausgenutzt worden seien, wie es möglich gewesen wäre. Die Diskussion darüber sei mit den Beteiligten schwierig gewesen, ist im Quartalsbericht zu lesen. Heinkele sprach sich dafür aus, für die Jahre 2021/22 einen konkreten Maßnahmenplan zu vereinbaren. „In Krisenzeiten muss nicht alles umgesetzt werden, was wünschenswert ist.
Für die Heimattage 2023 muss nicht jede Ecke aufgehübscht werden, nur weil der Ministerpräsident kommt. Der hat dafür sicher Verständnis.“
In die gleiche Richtung argumentierte die FDP. Die jetzige Entwicklung sei bereits bei der Haushaltsverabschiedung im Dezember vorhersehbar gewesen, deshalb habe seine Fraktion auch dagegengestimmt, sagte Christoph Funk. Eigentlich soltle die Stadt dauerhaft freie Rücklagen in Höhe von rund 100 Millionen Euro haben. „Laut Plan werden unsere freien Mittel aber 2024 auf null sein.“Es brauche deshalb einen Nachtragshaushalt mit Berechnung der liquiden Mittel bis 2024, forderte er. Eine Erhöhung der Gewerbesteuer trage seine Fraktion mit, die aktuellen Grundsteuerhebesätze hingegen werde sie verteidigen, ebenso wie das kostefreie letzte Kindergartenjahr. Die Stadt müsse sich in den nächsten Jahren auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und alles lassen, was nicht dazu zähle, so Funk und regte eine Verschiebung der Baumaßnahme Ochsenhauser Hof/Wielandstraße an.
Um eine ruhige Betrachtungsweise und positives Denken bemühten sich die SPD- und die CDU-Fraktion. Der Haushaltsbericht zeichne ein düsteres Bild, so Gabriele Kübler (SPD). „Bei der Stadt löst das jetzt schon eine Sparwelle aus, obwohl im Zuge der
Corona-Hilfspakete noch Erstattungen fließen werden.“Einer Gewerbesteuererhöhung werde die SPD zustimmen, dem Wegfall des kostenfreien Kindergartenjahres nicht. „Das Defizit kann durch unsere Reserven ausgeglichen werden“, so Kübler. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Genau für solche Szenarien habe die Stadt Rücklagen, pflichtete Johannes Walter (CDU) bei. Seine Fraktion betrachte die Situation gelassen, aber aufmerksam. Man warte ab, bis Ende Juni die Zahlen der aktuellen Steuerschätzung vorlägen, „dann werden wir sehen, wo wir ab Herbst eingreifen müssen“. Auch er sprach sich für ein Festhalten am letzten kostenfreien Kindergartenjahr aus, auch wenn dies nach seinem Verständnis eigentlich keine Angelegenheit der Stadt sei. „Aber hier geht es um 300 000 Euro. Da brauchen wir jetzt kein Druckszenario auf die Bürger aufbauen“, so Walter. Er sei überzeugt, dass sich die Situation wieder verbessere.
„Die Einbrüche bei der Gewerbesteuer werden nicht von langer Dauer sein“, so die Einschätzung von Ralph Heidenreich (Linke). Wenn die Stadt sparen wolle, solle sie die Sanierung und Instandhaltung ihrer Gebäude eventuellen Neubauten vorziehen. Ansonsten müsse man notwendige Investitionen fortführen. Heidenreich nannte hier vor allem den sozialen Wohnungsbau.