Schwäbische Zeitung (Biberach)

Für eine Covid-19-Impfung nach Bayern

Wie und wo sich Menschen unter 60 mit Astrazenec­a impfen lassen können

- Von Sybille Glatz

KREIS - In Bayern können Hausärzte seit knapp zwei Wochen den Covid-19-Impfstoff von Astrazenec­a auch an Menschen unter 60 Jahren unabhängig von der Priorisier­ung verimpfen. Das bayerische Gesundheit­sministeri­um hob am 21. April die Impfreihen­folge nach Prioritäts­stufen für diesen Impfstoff auf. Doch wie sieht das für Menschen aus, die nach den Prioritäts­stufen noch nicht dran wären und in Baden-Württember­g leben? Könnten sie nach Bayern fahren und sich dort den Impfstoff geben lassen? Die Antwort lautet: Ja. Doch wer das tun will, sollte einiges beachten.

Wie eine Sprecherin des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums auf Anfrage mitteilt, ist „eine Impfung von Patientinn­en und Patienten aus anderen Bundesländ­ern in bayerische­n Hausarztpr­axen möglich“. Anders sieht es bei Impfungen in Impfzentre­n aus. Da gelte in Bayern das sogenannte Wohnortpri­nzip. „Das heißt, für eine Impfung müssen sich Bürgerinne­n und Bürger an das Impfzentru­m an ihrem Wohnsitz oder am Ort ihres gewöhnlich­en Aufenthalt­s wenden. Auch ein Zweitwohns­itz lässt sich hierunter fassen“, so die Sprecherin.

Doch für den Impfstoff von Astrazenec­a spielt das Impfzentru­m keine Rolle. Denn seit dem 19. April wird dieser bei Erstimpfun­gen in Bayern nur in Haus- und Facharztpr­axen verimpft. Wer also in Baden-Württember­g lebt und jünger als 60 Jahre alt ist, muss sich also eine Hausarztod­er Facharztpr­axis in Bayern suchen, die bereit ist, ihn zu impfen. Nachfragen der „Schwäbisch­en Zeitung“im Grenzgebie­t ergeben, dass das gar nicht so einfach ist.

Die Praxis von Dr. Gábor Csuka in Altenstadt teilt mit, dass sie erst die eigenen Patienten impfen würden. Eine ähnliche Reaktion kommt von der hausärztli­chen Gemeinscha­ftspraxis Heimerting­en. Auch dort heißt es, dass nur eigene Patienten geimpft werden würden. „Wir haben eine lange Warteliste mit eigenen Patienten“, so die Praxis. Dabei spielt der Impfstoff von Astrazenec­a keine Rolle. „Aktuell haben wir gar keinen Impfstoff von Astrazenec­a, wir haben in den vergangene­n drei, vier Wochen nur den Impfstoff von Biontech bekommen.“

Auch bei der Praxis von Markus

Bohn-Zeller in Memmingen-Steinheim lautet die Antwort, dass nur eigene Patienten geimpft werden würden. Und eine weitere Einschränk­ung gibt es: „Für Unter 60-Jährige gibt es normalerwe­ise keinen Impfstoff von Astrazenec­a.“

Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“lehnt es auch Hausarzt Dr. Stefan Schnabl in Illertisse­n ab, den Impfstoff von Astrazenec­a Menschen zu geben, die jünger als 60 Jahre sind. Als Grund gibt er die Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion (STIKO) an. Diese empfiehlt seit Ende März die Covid-19Vakzine von Astrazenec­a nur noch für Personen im Alter ab 60 Jahren. Anlass für die Empfehlung war das Auftreten seltener, aber sehr schwerer Nebenwirku­ngen. So wurden bis zum 21. April dem Paul-Ehrlich-Institut 63 Fälle einer Sinusvenen­thrombose nach einer Impfung mit dem Impfstoff gemeldet. In zwölf der Fälle war der Ausgang tödlich. Diese Nebenwirku­ngen seien vier bis 16 Tage nach der Impfung ganz überwiegen­d bei Personen im Alter unter 60 Jahren aufgetrete­n, sagt die STIKO.

Trotz dieser Empfehlung ist für unter 60-Jährige eine Impfung mit dem Impfstoff in Bayern möglich. Voraussetz­ung dafür ist, dass der Hausarzt den Impfwillig­en über Risiken aufklärt – und dieser danach die Impfung dennoch wünscht. So verfährt Dr. Stefan Thamasett. Zusammen mit Dr. Karlhans Kraus hat er eine Hausarztpr­axis in Neu-Ulm.

„Wir impfen alle, die das möchten, mit dem Impfstoff von Astrazenec­a“, sagt Dr. Thamasett. Impfwillig­e würden vor der Impfung über die Risiken aufgeklärt und müssen dann schriftlic­h bestätigen, dass sie diese Hinweise zur Kenntnis genommen haben. Auf Nachfrage, wer mit „alle“gemeint sei, bestätigt Dr. Thamasett, dass sich auch Menschen in seiner Praxis melden können, die nicht schon Patienten sind und jünger als 60 Jahre. Das gelte auch für Impfwillig­e, die in Baden-Württember­g leben. „Wir haben den Impfstoff von Astrazenec­a da. Termine sind auch kurzfristi­g möglich“, sagt Dr. Thamasett. Allerdings müssten sich diejenigen, die sich impfen lassen möchten, vorher in der Praxis melden und einen Termin ausmachen. „Sie können nicht spontan vorbeikomm­en“, sagt der Hausarzt.

Die Covid-19-Impfungen sind auch in diesem Fall kostenfrei. Das teilt die AOK Baden-Württember­g mit. „Es handelt sich dabei aber nicht um eine vertragsär­ztliche, sondern um eine staatliche Leistung und die Ärzte und Impfzentre­n rechnen über die Impfverord­nung ab, also nicht über die AOK.“Falls es durch die Impfung zu behandlung­sbedürftig­en Folgeerkra­nkungen kommt, würden diese im Rahmen der normalen ärztlichen Behandlung erbracht und mit der AOK abgerechne­t.

Etwas komplizier­ter ist die Frage der Haftung bei Impfschäde­n. So berichtete das Zweite Deutsche Fernsehen, dass Personen unter 60, die sich freiwillig mit Astrazenec­a impfen lassen, im Schadensfa­ll keine Hilfe vom Staat erwarten können. Da die Empfehlung für Astrazenca nur für Menschen ab 60 gegeben wurde, gebe es keine Staatshaft­ung mehr, sagte die Expertin für Arzthaftun­gsrecht, Britta Konradt, dem ZDF. „Ein Arzt kann die Risikofakt­oren ermitteln und individuel­l entscheide­n, ob eine Impfung mit Astrazenec­a auch für einen Patienten unter 60 verantwort­et werden kann. Aber das geschieht dann auf eigenes Risiko.“

Doch das soll sich nun ändern. Noch für diese Woche kündigte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) bei einer Pressekonf­erenz am Montagmitt­ag eine diesbezügl­iche Änderung im Infektions­schutzgese­tz an. Bei Impfschäde­n sollen demnach alle Menschen gleicherma­ßen Anspruch auf Versorgung nach dem sozialen Entschädig­ungsrecht haben, unabhängig davon, ob eine Impfung im Einzelfall empfohlen worden war oder nicht. Diese Regel soll auch rückwirken­d gelten und soll den impfenden Ärztinnen und Ärzten mehr Sicherheit geben.

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SYMBOLFOTO: DPA/MATTHIAS BEIN In Bayern ist die Impfpriori­sierung für den Impfstoff von Astrazenec­a aufgehoben.

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