Schwäbische Zeitung (Biberach)
Neue Heimat für Senioren
Keine Zukunft für Flüchtlingshaus in Oggelsbeuren – Alfred Tönnis bewirbt sich als Pfarrer
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ATTENWEILER (asp/aß) - Rund 60 Geflüchtete sind zurzeit bei der Stiftung „Heimat geben“in Oggelsbeuren untergebracht. Jetzt hat die Einrichtung bekannt gegeben, dass die Verträge mit den Gemeinden Ende des Jahres auslaufen. Ein Grund dafür ist auch die berufliche Zukunft des Paters Alfred Tönnis.
Bei einer gemeinsamen Konferenz hat die Stiftung „Heimat geben“den Vertretern der Gemeinden Schemmerhofen, Schwendi, Mittelbiberach und Attenweiler mitgeteilt, dass die Verträge für die Flüchtlingsunterbringung im Kloster in Oggelsbeuren Ende des Jahres nicht verlängert werden. Dann müssen die Kommunen selbst Wohnraum zur Verfügung stellen. Aktuell hat Schemmerhofen 28 Geflüchtete, Mittelbiberach 13, Schwendi zehn und Attenweiler neun Geflüchtete in Oggelsbeuren untergebracht. Die meisten davon kommen aus afrikanischen Ländern wie Gambia, einige aus Afghanistan, dem Irak oder anderen Staaten.
Pater Alfred Tönnis leitet die Unterkunft in Oggelsbeuren, er wird als „Motor und Mentor“des Projekts gesehen, wie es in einem Gesprächsprotokoll der Konferenz heißt. Der Pater konnte in der Vergangenheit immer wieder von geglückten Integrationsbeispielen berichten. Von Geflüchteten, denen die Stiftung eine Ausbildung oder eine Arbeitsstelle vermitteln konnte (SZ berichtete). Auch in der kleinen Ortschaft Oggelsbeuren hatten die ausländischen Bewohner in all den Jahren einen guten Ruf, betont Alfred Tönnis. Doch in den vergangenen Monaten habe sich das gewandelt, erzählt er. In der Weihnachtszeit sei es vermehrt zu Straftaten und Zwischenfällen gekommen.
Alfred Tönnis berichtet unter anderem von Diebstählen, Drogenfällen und „Anmache“von Frauen. Inzwischen sitzen drei Geflüchtete für ihren Taten im Gefängnis. „Solche Leute wollen wir in unserer Unterkunft nicht haben“, betont Tönnis. „Mittlerweile kommt fast täglich die Polizei vorbei.“Doch der Pater stellt auch klar: Der überwiegende Teil der Geflüchteten verhalte sich vorbildlich. Gerne würde er auch den schwereren Fällen helfen, doch dafür fehlten in Oggelsbeuren die Kapazitäten. „Wir können die Leute hier nicht erst resozialisieren. Diese Leute mit Drogen- und Gewaltproblemen liegen mir als Pater natürlich auch am Herzen, aber die Betreuung können wir hier nicht mehr leisten.“Für Geflüchtete mit schweren Problemen
oder Traumata brauche es auch eine entsprechende Einrichtung und geschultes Personal. Ein einfaches „Weiter-so“sei in Oggelsbeuren unmöglich. „Wir können nicht noch die Ortschaft gegen uns bringen“, warnt Alfred Tönnis.
Die Entscheidung über das Ende der Unterbringung sei daher gemeinsam mit dem Stiftungsrat und dem Stiftungsvorstand gefallen. „Wir werden nur noch Einzelfälle aufnehmen, die mit diesen Gegebenheiten vor Ort kompatibel sind“, heißt es in einer Mitteilung. Denkbar sei aber, dass auch in den kommenden Jahren noch vereinzelt Geflüchtete in Oggelsbeuren untergebracht würden, erklärt Alfred Tönnis.
Geplant sei aber, dass dort 13 Seniorenappartements entstehen sollen. Das Haupthaus der Stiftung wird dafür entsprechend umgebaut. Ein Pflegedienst soll in die unteren Räume einziehen und ambulante Pflege und Tagespflege anbieten. Außerdem könnte ein Café entstehen, eventuell mit einem kleinen Kiosk.
Die Veränderungen in Oggelsbeuren stellen nun die Gemeinden vor neue Herausforderungen. Der Attenweiler Gemeinderat hat bereits zugestimmt, einige Geflüchtete im ehemaligen Raiffeisengebäude in
Oggelsbeuren unterzubringen, das der Gemeinde gehört. Doch damit ist es nicht genug. Bürgermeister Roland Grootherder bestätigt auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“, dass die Gemeinde auch weiterhin auf der Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten ist. Als „allerletzte Option“kämen Wohncontainer infrage. Doch das sei nicht die Wohnform, die er sich in seiner Gemeinde vorstelle. Stattdessen wolle er versuchen, die Geflüchteten dezentral unterzubringen in privaten Wohnhäusern, „wo auch Integration möglich ist“.
Von der Entscheidung des Siftungsvorstands sieht sich Grootherder „vor den Kopf gestoßen“. Er hätte sich eine andere, frühzeitige Form der Kommunikation gewünscht. Dennoch glaubt er, dass die Gemeinde rechtzeitig eine Unterbringung für die Menschen finde.
Pater Alfred Tönnis erklärt, dass Mitte Juni weitere Gespräche mit dem Stiftungsrat folgen sollen, um über die weitere Zukunft in Oggelsbeuren zu beraten. Er findet, die Stiftung habe den Gemeinden und den Geflüchteten in den vergangenen Jahren mit der Unterbringung „sehr geholfen“.
Seit 2018 ist die Stiftung Heimat geben nicht mehr Gemeinschaftsunterkunft
des Landkreises Biberach. Sie wurde dann als Flüchtlingsunterkunft im Rahmen der Interkommunalen Anschlussunterbringung geführt. „Mit der Stiftung ,Heimat geben’ haben wir sehr viel erreicht“und in der Zeit der Flüchtlingsproblematik habe sie viel Gutes getan, bestätigt auch Jürgen Kraft vom Amt für Flüchtlinge und Migration beim Landratsamt Biberach.
Doch die Flüchtlingsunterbringung in Oggelsbeuren war über all die Jahre auch eng mit Pater Alfred Tönnis verbunden. Tönnis hat nun selbst angekündigt, dass er ab September dieses Jahres die Verwaltung der Seelsorgeeinheit Ulrika Nisch übernehmen werde, die die Ortschaften Ahlen, Attenweiler, Oggelsbeuren und Rupertshofen umfasst. Gleichzeitig wolle er sich in dieser Seelsorgeeinheit und einer weiteren in der Region als leitender Pfarrer bewerben. Die zweite Option wollte er noch nicht öffentlich nennen, weil noch Gespräche dazu laufen. Über die Bewerbung sollen sein Orden und die Diözese Rottenburg-Stuttgart im Juni entscheiden.
Alfred Tönnis erklärt, dass er sich aber auch in Zukunft für Geflüchtete einsetzen wolle, etwa mit Reisen und dem Engagement in den Herkunftsländern.