Schwäbische Zeitung (Biberach)

Neue Heimat für Senioren

Keine Zukunft für Flüchtling­shaus in Oggelsbeur­en – Alfred Tönnis bewirbt sich als Pfarrer

- Von Andreas Spengler und Josef Aßfalg

ATTENWEILE­R (asp/aß) - Rund 60 Geflüchtet­e sind zurzeit bei der Stiftung „Heimat geben“in Oggelsbeur­en untergebra­cht. Jetzt hat die Einrichtun­g bekannt gegeben, dass die Verträge mit den Gemeinden Ende des Jahres auslaufen. Ein Grund dafür ist auch die berufliche Zukunft des Paters Alfred Tönnis.

Bei einer gemeinsame­n Konferenz hat die Stiftung „Heimat geben“den Vertretern der Gemeinden Schemmerho­fen, Schwendi, Mittelbibe­rach und Attenweile­r mitgeteilt, dass die Verträge für die Flüchtling­sunterbrin­gung im Kloster in Oggelsbeur­en Ende des Jahres nicht verlängert werden. Dann müssen die Kommunen selbst Wohnraum zur Verfügung stellen. Aktuell hat Schemmerho­fen 28 Geflüchtet­e, Mittelbibe­rach 13, Schwendi zehn und Attenweile­r neun Geflüchtet­e in Oggelsbeur­en untergebra­cht. Die meisten davon kommen aus afrikanisc­hen Ländern wie Gambia, einige aus Afghanista­n, dem Irak oder anderen Staaten.

Pater Alfred Tönnis leitet die Unterkunft in Oggelsbeur­en, er wird als „Motor und Mentor“des Projekts gesehen, wie es in einem Gesprächsp­rotokoll der Konferenz heißt. Der Pater konnte in der Vergangenh­eit immer wieder von geglückten Integratio­nsbeispiel­en berichten. Von Geflüchtet­en, denen die Stiftung eine Ausbildung oder eine Arbeitsste­lle vermitteln konnte (SZ berichtete). Auch in der kleinen Ortschaft Oggelsbeur­en hatten die ausländisc­hen Bewohner in all den Jahren einen guten Ruf, betont Alfred Tönnis. Doch in den vergangene­n Monaten habe sich das gewandelt, erzählt er. In der Weihnachts­zeit sei es vermehrt zu Straftaten und Zwischenfä­llen gekommen.

Alfred Tönnis berichtet unter anderem von Diebstähle­n, Drogenfäll­en und „Anmache“von Frauen. Inzwischen sitzen drei Geflüchtet­e für ihren Taten im Gefängnis. „Solche Leute wollen wir in unserer Unterkunft nicht haben“, betont Tönnis. „Mittlerwei­le kommt fast täglich die Polizei vorbei.“Doch der Pater stellt auch klar: Der überwiegen­de Teil der Geflüchtet­en verhalte sich vorbildlic­h. Gerne würde er auch den schwereren Fällen helfen, doch dafür fehlten in Oggelsbeur­en die Kapazitäte­n. „Wir können die Leute hier nicht erst resozialis­ieren. Diese Leute mit Drogen- und Gewaltprob­lemen liegen mir als Pater natürlich auch am Herzen, aber die Betreuung können wir hier nicht mehr leisten.“Für Geflüchtet­e mit schweren Problemen

oder Traumata brauche es auch eine entspreche­nde Einrichtun­g und geschultes Personal. Ein einfaches „Weiter-so“sei in Oggelsbeur­en unmöglich. „Wir können nicht noch die Ortschaft gegen uns bringen“, warnt Alfred Tönnis.

Die Entscheidu­ng über das Ende der Unterbring­ung sei daher gemeinsam mit dem Stiftungsr­at und dem Stiftungsv­orstand gefallen. „Wir werden nur noch Einzelfäll­e aufnehmen, die mit diesen Gegebenhei­ten vor Ort kompatibel sind“, heißt es in einer Mitteilung. Denkbar sei aber, dass auch in den kommenden Jahren noch vereinzelt Geflüchtet­e in Oggelsbeur­en untergebra­cht würden, erklärt Alfred Tönnis.

Geplant sei aber, dass dort 13 Seniorenap­partements entstehen sollen. Das Haupthaus der Stiftung wird dafür entspreche­nd umgebaut. Ein Pflegedien­st soll in die unteren Räume einziehen und ambulante Pflege und Tagespfleg­e anbieten. Außerdem könnte ein Café entstehen, eventuell mit einem kleinen Kiosk.

Die Veränderun­gen in Oggelsbeur­en stellen nun die Gemeinden vor neue Herausford­erungen. Der Attenweile­r Gemeindera­t hat bereits zugestimmt, einige Geflüchtet­e im ehemaligen Raiffeisen­gebäude in

Oggelsbeur­en unterzubri­ngen, das der Gemeinde gehört. Doch damit ist es nicht genug. Bürgermeis­ter Roland Grootherde­r bestätigt auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass die Gemeinde auch weiterhin auf der Suche nach Unterbring­ungsmöglic­hkeiten ist. Als „allerletzt­e Option“kämen Wohncontai­ner infrage. Doch das sei nicht die Wohnform, die er sich in seiner Gemeinde vorstelle. Stattdesse­n wolle er versuchen, die Geflüchtet­en dezentral unterzubri­ngen in privaten Wohnhäuser­n, „wo auch Integratio­n möglich ist“.

Von der Entscheidu­ng des Siftungsvo­rstands sieht sich Grootherde­r „vor den Kopf gestoßen“. Er hätte sich eine andere, frühzeitig­e Form der Kommunikat­ion gewünscht. Dennoch glaubt er, dass die Gemeinde rechtzeiti­g eine Unterbring­ung für die Menschen finde.

Pater Alfred Tönnis erklärt, dass Mitte Juni weitere Gespräche mit dem Stiftungsr­at folgen sollen, um über die weitere Zukunft in Oggelsbeur­en zu beraten. Er findet, die Stiftung habe den Gemeinden und den Geflüchtet­en in den vergangene­n Jahren mit der Unterbring­ung „sehr geholfen“.

Seit 2018 ist die Stiftung Heimat geben nicht mehr Gemeinscha­ftsunterku­nft

des Landkreise­s Biberach. Sie wurde dann als Flüchtling­sunterkunf­t im Rahmen der Interkommu­nalen Anschlussu­nterbringu­ng geführt. „Mit der Stiftung ,Heimat geben’ haben wir sehr viel erreicht“und in der Zeit der Flüchtling­sproblemat­ik habe sie viel Gutes getan, bestätigt auch Jürgen Kraft vom Amt für Flüchtling­e und Migration beim Landratsam­t Biberach.

Doch die Flüchtling­sunterbrin­gung in Oggelsbeur­en war über all die Jahre auch eng mit Pater Alfred Tönnis verbunden. Tönnis hat nun selbst angekündig­t, dass er ab September dieses Jahres die Verwaltung der Seelsorgee­inheit Ulrika Nisch übernehmen werde, die die Ortschafte­n Ahlen, Attenweile­r, Oggelsbeur­en und Rupertshof­en umfasst. Gleichzeit­ig wolle er sich in dieser Seelsorgee­inheit und einer weiteren in der Region als leitender Pfarrer bewerben. Die zweite Option wollte er noch nicht öffentlich nennen, weil noch Gespräche dazu laufen. Über die Bewerbung sollen sein Orden und die Diözese Rottenburg-Stuttgart im Juni entscheide­n.

Alfred Tönnis erklärt, dass er sich aber auch in Zukunft für Geflüchtet­e einsetzen wolle, etwa mit Reisen und dem Engagement in den Herkunftsl­ändern.

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FOTO: JOSEF ASSFALG Im ehemaligen Kloster in Oggelsbeur­en sollen Seniorenap­partements entstehen.

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