Schwäbische Zeitung (Biberach)
Bessere Hilfe für Trauma-Opfer
Psychologen und Biologen nehmen Menschen in den Fokus, die als Kind Gewalt erlebt haben
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ULM - Ein Autounfall, eine Naturkatastrophe, eine Vergewaltigung, Krieg: Viele Ursachen können eine Traumatisierung auslösen. Mal ist es ein einzelnes Ereignis, mal sind es mehrere. Seit diesem Jahr erforschen Wissenschaftler der Universität Ulm und vier anderer deutscher Universitäten, wie solche Behandlungen verbessert werden können und welche Rolle dabei der biologischen StressAntwort des Körpers zukommt. Dabei nehmen sie Menschen in den Fokus, die als Kinder und Jugendliche sexualisierte und körperliche Gewalt erlebt haben. Menschen, die so etwas erleben mussten, entwickeln mit höherem Risiko eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).
Wer an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leidet, hat die traumatisierenden Erlebnisse nicht verarbeitet. Er durchlebt sie wieder und wieder. Die Erinnerung ist im Gedächtnis ungenügend verarbeitet und kehrt im Alltag oft zurück: Immer dann, wenn ein Auslöser die Erinnerung wachruft. Das kann beispielsweise ein Geruch oder ein Geräusch sein. Je häufiger ein Mensch traumatischen Ereignissen ausgesetzt wird und umso schwerwiegender die erlebte Belastung ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, eine PTBS zu erleiden. Fachleute sprechen dabei von Trauma Load, also von Trauma-Belastung.
So erklärt Dr. Roberto Rojas, Psychologe und geschäftsführender Leiter der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz der Universität Ulm, das Phänomen. Wissenschaftlich fundierte Psychotherapien sollen erreichen, dass die Patienten ihre Erfahrungen verarbeiten, erklärt er. Sie sollen lernen, dass die Traumata der Vergangenheit angehören: „Damals war es schlimm, aber jetzt bin ich in Sicherheit.“
Gerade Menschen, die in der Kindheit oder Jugend sexuelle und/ oder körperliche Gewalt erfahren haben, entwickeln oft eine PTBS. Studien zufolge ist das Risiko bei ihnen dafür deutlich höher als bei Menschen, die einen Krieg, eine Naturkatastrophe oder einen schweren Unfall miterlebt haben. Psychologe Rojas listet beispielhaft Symptome einer PTBS auf: Wiedererleben des Traumas etwa durch Flashbacks oder Albträume, Vermeidung von traumaassoziierten Gedanken oder Situationen, veränderte Kognitionen und Emotionen wie Angst, Scham oder Schuld sowie ein erhöhtes Erregungsniveau beispielsweise mit starker Schreckhaftigkeit
und Reizbarkeit sowie Schlafstörungen.
In der Studie mit dem Namen „Enhance“vergleichen die Forscher zwei traumafokussierte Psychotherapieverfahren, die spezifisch an die Bedürfnisse der Betroffenen von sexualisierter und körperlicher Gewalt in der Kindheit angepasst wurden.
Beteiligt sind neben der Abteilung für Klinische und Biologische Psychologie der Uni Ulm und der Ulmer Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie auch Universitäten und Kliniken in Gießen, Berlin, Dresden und Mainz. In Ulm und Gießen untersucht zudem ein interdisziplinäres Team aus Psychologen und Biologen, welche Veränderungen in der biomolekularen StressAntwort des Körpers im Lauf der Therapie auftreten. „Wir wissen, dass Betroffene ein erhöhtes Risiko haben, auch körperlich krank zu werden“, sagt Rojas. Wer traumatisiert sei, befinde sich in einem chronischen Stresszustand, der die Stressantwortsysteme des Körpers wie das Immunund Hormonsystem verändert: Der Körper kann in der Folge nicht mehr ausreichend auf Stress reagieren. Bei den Teilnehmern der Studie untersuchen die Wissenschaftler, wie sich die traumabedingten biologischen Veränderungen im Körper durch Psychotherapie verändern.
„Enhance“ist englisch für verbessern, das Wort beschreibt auch ein Kernziel des Projekts: Die Therapien für Menschen, die an einer PTBS leiden, sollen verbessert werden. Zudem wollen die Wissenschaftler genauer herausfinden, was Biomarker im Immun- und Hormonsystem über die Entstehung und den Verlauf der Krankheit selbst aussagen und ob die stressassoziierten biologischen Veränderungen ausreichend durch die aktuellen Therapien normalisiert werden können. Anhand der Erkenntnisse sollen spezifischere und verbesserte Therapieansätze geschaffen und etabliert werden.
„Wir wissen, dass Betroffene ein erhöhtes Risiko haben, auch körperlich krank zu
werden.“
Erklärt Roberto Rojas
An der Studie können Personen teilnehmen, die zwischen 18 und 65 Jahren alt sind und den Eindruck haben, unter einer PTBS zu leiden, welche durch ein oder mehrere traumatische Ereignisse in der Kindheit und/oder Jugend verursacht wurde. Kontaktaufnahme unter Telefon 0731/
50 06 19 49 oder E-Mail enhancestudie@uni-ulm.de.