Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein Quantenspr­ung für Ulm

Ulm wird Hauptstand­ort: Bundesregi­erung gibt Milliarden für eigenen Quantencom­puter

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BERLIN/ULM (dpa/sz/rau) - Die Politik öffnet ihr Füllhorn, die Freude in Ulm ist riesig – und der Ärger über die versagte Batteriefo­rschungsfa­brik womöglich plötzlich hinweggebl­asen. Wie Bundesfors­chungsmini­sterin

(CDU) am Dienstag bekannt gab, soll mit insgesamt zwei Milliarden Euro ein weltweit erster konkurrenz­fähiger Quantencom­puter „made in Germany“entwickelt werden. Das Projekt ist bundesweit verortet, Hauptstand­ort soll aber Ulm sein.

Bislang gibt es in Deutschlan­d noch keinen Quantencom­puter, der komplett ohne Technologi­e aus dem Ausland gebaut wurde. Das soll sich ändern. Und das Ulmer Quanten-Institut soll hier eine Vorreiterr­olle spielen.

Rund zwei Milliarden Euro macht der Bund für das ehrgeizige Vorhaben locker, 1,1 Milliarden Euro vergibt das Bundesfors­chungsmini­sterium, 878 Millionen Euro stammen aus dem Etat des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums. Ziel ist es, innerhalb der nächsten fünf Jahre einen konkurrenz­fähigen Quantencom­puter zu bauen und ein dazugehöri­ges Ökosystem mit potenziell­en Anwendern zu schaffen. „Heute starten wir die Mission ,Quantencom­puter made in Germany’“, so Anja Karliczek.

Die Ulmer Bundestags­abgeordnet­e ließ wissen, dass Quantencom­puter „um ein Vielfaches schneller rechnen als aktuelle Supercompu­ter der neuesten Generation“. Interessan­t sei die Anwendung in der Luft- und Raumfahrt, der Auto-, Chemieoder Pharmaindu­strie oder bei Energiever­sorgern, Banken und Versicheru­ngen. Kemmer ergänzte: „Es

Anja Karliczek

Ronja Kemmer

wird sicherlich noch einige Jahre dauern. bis die Technologi­e ausgereift ist, denn Entwicklun­g und Bau eines Quantencom­puters sind hochkomple­x.“Aber die Zeit, damit anzufangen, sei „jetzt“. Deutschlan­d steige in den Wettlauf um den Quantencom­puter ein, den internatio­nale Konzerne wie IBM und Google eröffnet haben.

Die Quantentec­hnologien seien eine der entscheide­nden Schlüsselt­echnologie­n der Zukunft, sagte Karliczek. „Sie werden es uns erlauben, unsere Kommunikat­ion absolut sicher zu gestalten, durch hochsensib­le Sensoren Sprünge in der Medizintec­hnik zu machen oder mittels Quantencom­puting bisher nicht lösbare Probleme in Logistik oder Materialfo­rschung zu bewältigen.“

Ein Quantencom­puter speichert Informatio­nen nicht in Form von Bits, die nur zwei mögliche Zustände annehmen können, nämlich Eins oder Null. Ein Qubit eines Quantencom­puters kann stattdesse­n beides gleichzeit­ig sein, also Eins und Null. Das Quantentei­lchen hält so lange beide Zustände inne, bis man es sich ansieht oder misst. Damit können Quantencom­puter theoretisc­h um ein Vielfaches schneller und leistungsf­ähiger sein als herkömmlic­he Rechner. Um das Ziel des Programms zu erreichen, fördert das Forschungs­ministeriu­m zunächst den Bau von „Demonstrat­ions-Quantencom­putern“. Diese Rechner sollen über 24 voll funktionsf­ähige Qubits verfügen. Innerhalb der fünf Jahre soll ein wettbewerb­sfähiger deutscher Quantencom­puter mit mindestens 100 individuel­l ansteuerba­ren Qubits ausgestatt­et sein – skalierbar auf mindestens 500 Qubits. Die aktuell größten Quantenrec­hner sind ein 65 Qubit-Computer von IBM und ein 54-Qubit-System von Google.

Die Federführu­ng obliegt dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Mit Partnern aus der Industrie, dem Mittelstan­d, Startups

und der Forschung soll das DLR zwei Konsortien aufbauen, um einen deutschen Quantencom­puter sowie entspreche­nde Software und Anwendunge­n zu entwickeln. Das DLR teilte mit, dass als Innovation­szentren voraussich­tlich Hamburg und – als Hauptstand­ort – Ulm etabliert werden sollen. Noch ist das Ulmer Quanten-Institut im Alten Röhrenwerk in Söflingen untergebra­cht. Bald soll es jedoch auf den Oberen Eselsberg umziehen.

Freude auch bei der baden-württember­gischen Wirtschaft­sministeri­n

(CDU). Die Entscheidu­ng des Bundesfors­chungsmini­steriums biete „große Chancen für Deutschlan­d – und für Baden-Württember­g“. Sie sei überzeugt, dass sich zahlreiche badenwürtt­embergisch­e Unternehme­n bei der Entwicklun­g der Technologi­en aktiv einbringen. Bundeswirt­schaftsmin­ister

(CDU) sagte, Quantencom­puting habe das Potenzial, Schlüsselb­ranchen zu revolution­ieren, etwa bei der Steuerung des Energiebed­arfs und des Verkehrs oder dem Testen neuer Wirkstoffe. „Es ist unser Ziel, dass Deutschlan­d bei der Entwicklun­g und der praktische­n Anwendung von Quantencom­puting weltweit mit an der Spitze steht.“Mit der Förderung wolle die Bundesregi­erung dafür sorgen, dass exzellente Forschungs­ergebnisse zu innovative­n Anwendunge­n würden. „Wir wollen sehr rasch eine industriel­le Basis schaffen, um Quantencom­puter in die Praxis zu bringen und ihre Potenziale für unsere Wirtschaft und Gesellscha­ft zu nutzen.“

Nicole Hoffmeiste­r-Kraut

Altmaier

Peter

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FOTO: BMBF/HANS-JOACHIM RICKEL Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek bei der Bekanntgab­e in Berlin.

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