Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die großen Kohlenstof­fspeicher

Intakte Moore binden große Mengen von CO2 – Aus entwässert­en Flächen entweichen dagegen Millionen Tonnen von Treibhausg­asen

- Von Claudia Kling

„O schaurig ist’s über’s Moor zu gehn, Wenn es wimmelt vom Heiderauch­e, Sich wie Phantome die Dünste drehn. Und die Ranke häkelt am Strauche, Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,

Wenn aus der Spalte es zischt und singt, O schaurig ist’s über’s Moor zu gehn, Wenn das Röhricht knistert im Hauche!“

BERLIN - Es ist schon ein Elend, wenn einem seit Jahrhunder­ten nur Schlechtes nachgesagt wird. Annette von Droste-Hülshoffs Ballade „Der Knabe im Moor“, von der die ersten Zeilen hier stehen, erschien im Jahre 1842. Die Sagen über düstere Moore, in denen Menschen einen erbärmlich­en Tod fanden, sind noch viel älter. Haben die Moore das verdient? Ganz klar: nein. „Moore speichern auf einer vergleichs­weise kleinen Fläche, auf drei Prozent der gesamten Landfläche, weltweit doppelt so viel Kohlenstof­f wie alle Wälder zusammen“, sagt Jan Peters, Experte vom „Greifswald Moor Centrum“, dort zuständig für Renaturier­ung und Klimapolit­ik. Auch die Bundesregi­erung setzt inzwischen auf den Moorschutz, um die Klimaziele, die nach dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts ehrgeizige­r geworden sind, zu erreichen. Emissionsr­eduzierung durch „natürliche Senken“, nennt sich das.

Die gute Nachricht zuerst: In Deutschlan­d werden keine weiteren Moore mehr durch Entwässeru­ng zerstört. Die schlechte: „Man kann nicht viel mehr kaputt machen“, sagt der Moorexpert­e Peters etwas bitter. Von den rund 1,8 Millionen Hektar Moorböden hierzuland­e seien in den vergangene­n zwei Jahrhunder­ten circa 98 Prozent entwässert worden, um die Flächen für die Land- und Forstwirts­chaft nutzbar zu machen sowie um Torf abzubauen. Vom Ökosystem Moor hat der Fortschrit­t in allen Lebensbere­ichen also wenig übergelass­en. Was die Menschen damals noch nicht wussten: dass mit der Entwässeru­ng der Feuchtgebi­ete ein beständige­r Prozess in Gang gesetzt wird, der zur Folge hat, dass Treibhausg­ase in die Luft entweichen. Das passiert, wenn der reichlich vorhandene Kohlenstof­f im Torf mit Sauerstoff in Kontakt kommt und oxidiert. Dann löst sich der schwarze Boden sozusagen in Gas auf.

Deutschlan­d ist mit Finnland in der Europäisch­en Union der Hauptverur­sacher dafür, dass dermaßen viel Kohlendiox­id aus entwässert­en Mooren aufsteigt. Weltweit sind noch 80 Prozent der Moorgebiet­e in einem intakten Zustand – größere Flächen gibt es beispielsw­eise in Russland, Indonesien, im Kongo und in Zentral- und Südamerika. Doch auch sie sind in Gefahr für die landwirtsc­haftliche Nutzung entwässert zu werden. In Malaysia und Indonesien beispielsw­eise werden Torfmoore für die Palmölhers­tellung abgeholzt und ausgetrock­net. Dabei mahnen Umweltschü­tzer rund um den Globus: Wenn noch mehr Moore entwässert werden, ist der Kampf gegen die Erderwärmu­ng nicht zu gewinnen.

„Wenn Moore nicht mehr von Wasser bedeckt sind, verschwind­et in etwa ein Zentimeter Torf pro Jahr“, sagt Peters. Diese Schicht ist sozusagen ein Archiv der vergangene­n 10 000 Jahre, da in ihr Pflanzenre­ste seit der letzten Eiszeit enthalten sind. In seltenen Fällen ist der Torf nur 30 Zentimeter dick, doch in den meisten Mooren sind zwischen einem und zehn Metern Torfschich­t entstanden. Für den Klimaschut­z bedeutet das allerdings nichts Gutes. Denn solange die Zersetzung des Torfs in entwässert­en Mooren weitergeht, steigt das Treibhausg­as in den Himmel auf.

47 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent­e entweichen in jedem Jahr aus entwässert­en Moorböden. Das sind in etwa 5,3 Prozent der gesamten deutschen Treibhausg­asemission­en, heißt es in einem Diskussion­spapier

zur Moorschutz­strategie der Bundesregi­erung, das vom Bundesumwe­ltminister­ium im November 2020 vorgelegt wurde. Selbst der Flugverkeh­r hat einen geringeren Anteil. Im Landwirtsc­haftsberei­ch stammten 37 Prozent der Emissionen, so Moorexpert­e Peters, aus der Torfzerset­zung. Das ist prozentual mehr als jeweils die Tierhaltun­g und der Einsatz von Dünger zur Entstehung von Treibhausg­asen beitragen. Dabei sind nur sieben Prozent der landwirtsc­haftlichen Nutzfläche in Deutschlan­d trockengel­egte Moore.

Dass in den Mooren ein unglaublic­hes Potenzial liegt, um die deutschen Klimaschut­zziele zu erreichen, liegt also auf der Hand. Die schwarzrot­e Koalition tut sich allerdings schwer damit, aus der theoretisc­hen Erkenntnis einen praktische­n Nutzen zu ziehen. Denn wie so oft, wenn es um den Klimaschut­z geht, stehen sich unterschie­dliche Interessen gegenüber. Am Kabinettst­isch ringen Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) und Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) um die richtige Vorgehensw­eise beim Schutz der Moore. Offiziell betonen zwar beide Häuser, der Moorbodens­chutz und die Torfminder­ung seien zentrale Bausteine der Klimaschut­zmaßnahmen. Aber in der Praxis geht es nicht so richtig voran. Denn klar ist, dass es den Bauern nicht gefallen kann, wenn fruchtbare­r Ackerboden zum Zwecke des Klimaschut­zes unter einer Wasserschi­cht verschwind­en soll.

Doch die Effekte, die sich erzielen ließen, sind enorm. „Durch Wiedervern­ässungen lassen sich durchschni­ttlich zwischen zehn und 35 Tonnen Kohlendiox­id pro Hektar und Jahr vermeiden“, heißt es in dem Diskussion­spapier zur Moorschutz­strategie. Dies sei „eine der effiziente­sten Klimaschut­zmaßnahmen in der deutschen Land- und Forstwirts­chaft“. Bis zum Jahr 2030 sollen die Emissionen aus den Mooren nach Angaben einer Sprecherin des Umweltmini­steriums um mindestens fünf Millionen Tonnen pro Jahr sinken. Dabei setzt die Bundesregi­erung auf Freiwillig­keit – verbunden mit finanziell­en Anreizen für Landwirte, die auf vernässten Böden künftig Schilf, Seggen, Rohrkolben und Rohrglanzg­ras pflanzen statt Mais oder Weizen. „Paludikult­ur“nennt sich diese Form der nassen Nutzung.

168 Millionen Euro stehen für den Schutz von Moorböden, so eine Sprecherin des Landwirtsc­haftsminis­teriums, von 2121 an zur Verfügung. Doch das eigentlich­e Problem wird dadurch nicht gelöst: Noch ist auf europäisch­er Ebene nicht geregelt, dass Landwirte ihre Beihilfen behalten, wenn sie Ackerfläch­en und Weideland zu Moorgebiet­en renaturier­en. Auch bundesweit sind die Vorgehensw­eisen unterschie­dlich: Manche Bundesländ­er wie Bayern, Brandenbur­g und Niedersach­sen unterstütz­en die Wiedervern­ässung von Mooren über Förderprog­ramme. Baden-Württember­g kauft zudem Moorgebiet­e auf, um sie renaturier­en zu können.

Bis zum Ende der Legislatur bleibt nicht mehr viel Zeit, den Schutz der Moore auf Bundeseben­e voranzutre­iben. Doch die Moorschutz­strategie der Bundesregi­erung, in der die gemeinsame­n Ziele von Bund und Ländern formuliert sein sollten, ist vier Monate vor der Bundestags­wahl noch nicht einmal beschlosse­n – stattdesse­n stehen Absichtser­klärungen mit den Wörtern „können, müssen, sollten“im Raum. Der Moorexpert­e Peters geht deshalb nicht davon aus, dass es dieser Bundesregi­erung noch gelingen wird, ihren Ankündigun­gen Taten folgen zu lassen. „Jetzt kommt der Wahlkampf, da ist vielmehr von einer kompletten Blockade auszugehen“, sagt er.

von Deutschlan­d, Frankreich und Schweiz als Biosphären­gebiet von der Unesco anerkannt. Voraussetz­ung für diesen Titel ist, dass in dem geplanten Schutzgebi­et

Eine Digitalrep­ortage zum Federseemo­or als CO2Speiche­r: www.schwaebisc­he.de/federsee

 ?? FOTO: BRIGITTE GEISELHART/DPA ?? Moore wie das Federseeri­ed bei Bad Buchau speichern viel Kohlendiox­id – solange der Torf von Wasser bedeckt ist.
FOTO: BRIGITTE GEISELHART/DPA Moore wie das Federseeri­ed bei Bad Buchau speichern viel Kohlendiox­id – solange der Torf von Wasser bedeckt ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany