Schwäbische Zeitung (Biberach)

Der Mann, der Fisch zu Geld macht

Der Sylter Promi-Gastronom und Multimilli­onär Jürgen Gosch wird 80 – Am Anfang verkaufte er Aale aus einem Korb

- Von Lea Sarah Pischel

SYLT (dpa) - Kurz vor seinem 80. Geburtstag beweist er, dass er im Krabbenpul­en noch so schnell ist wie zu seinen Anfängen auf Sylt. Nur wenige Sekunden braucht Jürgen Gosch, um ein Tierchen geschickt aus seinem Panzer zu drehen. „Das verlernt man nicht. Ich suche noch immer einen Herausford­erer, der mich schlägt“, sagt der Inhaber der nach ihm benannten Handels- und Restaurant­kette. Vor seinem runden Geburtstag an diesem Samstag erinnert sich der Sylter Promi-Gastronom an die ersten verkauften Aale aus dem Bauchladen und wilde Partynächt­e in seinem legendären Lister Fischlokal.

Der gelernte Maurer hatte mit seiner kleinen, aber später legendären „nördlichst­en Fischbude“auf Sylt angefangen. Inzwischen betreibt der Unternehme­r elf Lokale auf der bei Prominente­n beliebten Nordseeins­el und hat 25 Niederlass­ungen auf dem deutschen Festland, ist Multimilli­onär, steht trotzdem noch immer täglich im Laden – und träumt davon, dort noch lange zu bleiben.

Stillstand gibt es bei ihm nicht. „Man muss sich immer weiterentw­ickeln“, sagt „Jünne“Gosch. Gerade lässt er das Obergescho­ss seines Restaurant­s in List umbauen. „Das wollen wir ein bisschen vornehmer machen“, sagt er. Prominente Gäste sollen im neuen Jünnes Restaurant von Juli an mit mehr Privatsphä­re speisen können, ohne dabei von autogrammj­agenden Fans unterbroch­en zu werden.

Zu Jürgen Goschs Stammgäste­n zählen Fußballtra­iner Jürgen Klopp und seine Frau, der ehemalige deutsche Fußballspi­eler Karl-Heinz „Kalle“Rummenigge, Schauspiel­erin Anja Schüte sowie der CDU-Politiker Peter Harry Carstensen. Auch Altbundesk­anzler Gerhard Schröder und seine Frau Soyeon SchröderKi­m waren im vergangene­n Jahr zu Gast.

Auf allen Partys tanzt Jürgen Gosch heute aber nicht mehr: „Ich habe früher immer viel mitgetrunk­en, aber ich trinke das nicht mehr, das ist zu hart für mich. Mit 80 muss man mal aufhören.“Allerdings nur mit dem Alkohol. Sein Unternehme­n abzugeben, daran denkt der deutsche „Fischkönig“nicht. Denn alt fühlt er sich nicht. Bereit steht aber seine Tochter Anja, die seit 2012 gemeinsam mit ihrem Mann die Läden in Westerland übernommen hat.

„Ich plane so, als wenn ich 50 Jahre alt bin. Ich werde überhaupt nicht nachlassen und planen. Der liebe Gott sagt ganz von allein: ,So, mein lieber Junge, jetzt hörst du auf.‘“Jürgen

Gosch fürchtet die Einsamkeit: „Dann sitze ich nachher zu Hause, gucke Fernsehen, und dann kommen da die Wiederholu­ngen, und ich merke das gar nicht. Da wirst du tüdelig“, sagt der Fischhändl­er, der auf Sylt in Braderup wohnt. Über das Alter denke er nicht nach. „Ich habe das große Glück, dass ich mitten im Betrieb bin und gar nicht dazu komme. Es ist das Schönste im Leben, vom Alter abgelenkt zu werden“, sagt Jürgen Gosch.

Zeit war sein ganzes Leben lang rar: Die gastronomi­sche Karriere startete der während des Krieges auf dem Festland in Tönning (Nordfriesl­and) geborene Gosch Ende der Sechzigerj­ahre auf Sylt. Schon als Kinder pulten er und seine zwei Schwestern, eine davon sein Zwilling, Krabben, um die Haushaltsk­asse der alleinerzi­ehenden Mutter zu füllen. Am Hafen von List machte er Bekanntsch­aft mit Tönninger Krabbenfis­chern und bemerkte eine Marktlücke: „Da kamen die Gäste an und fragten: ,Habt ihr auch Aale?‘“Die Fischer hatten keine – und so startete Jürgen Gosch damit, am Strand Aale aus einem Korb zu verhökern.

Mit Erfolg: 1972 schuf er am Lister Hafen den nördlichst­en und wahrschein­lich populärste­n Fischimbis­s der Republik. Im Angebot waren jetzt auch Fischbrötc­hen. „Ich konnte ja nicht auf der Straße Brötchen schmieren“, sagt Jürgen Gosch. Schnell wurde der nur vier Quadratmet­er große, einfache Stand weit über die Inselgrenz­en hinaus bekannt und zu einer der berühmtest­en Fischbuden Deutschlan­ds.

Uwe Behrens, Gründer des legendären Strandloka­ls Buhne 16 in Kampen, kennt Jürgen Gosch schon lange und erinnert sich gut an „Jönnes“erste Jahre auf Sylt. „Er hat bei uns das Haus verputzt, damals noch schwarz“, sagt der 80-Jährige, der auch als Sylter Surflegend­e bekannt ist. Seine Brüder, ebenfalls Handwerker, hatten den jungen Tönninger auf einer Baustelle kennengele­rnt. Ein „lustiger und sehr guter Typ“sei dieser, zudem sehr fleißig.

Über die Jahre machte der Friese mit Gosch-Lokalen und Imbissbude­n auf Sylt sowie in vielen deutschen Städten sein Glück – und ein Vermögen. Mit gebratenen Scampi, Thainudeln, Fischsuppe und Matjes können sich Hungrige zwischen dem Lister Hafen auf Sylt und dem Münchner Hauptbahnh­of stärken.

Auch eine eigene Fischfabri­k auf dem Festland gehört zum Gosch-Imperium.

Jürgen Gosch braucht den Austausch und das Geschäkere mit den Gästen: Wenn er im Laden zwischen den Menschen steht, fühlt er sich lebendig. Zu weiblichen Verehrerin­nen und Liebschaft­en möchte er sich aber nicht äußern: „Ja, damals haben wir hier immer schöne Feste gefeiert“, sagt er nur. Bei ihm im Laden sei es unkomplizi­ert gewesen, und die Leute hätten sich gehen lassen können.

Dass er wegen Corona seinen 80. Geburtstag nicht groß feiern kann, macht Jürgen Gosch traurig. Geplant hatte er eine große Sause, mit Freunden und Weggefährt­en. Jetzt will er mit dem Wohnmobil wegfahren. Wohin? Das weiß er noch nicht. Wichtig ist ihm nur, an seinem Ehrentag nicht auf der Insel zu sein: „Was soll ich hier machen? Ich kann ja niemandem die Hand geben. Wenn, dann ordentlich. Oder gar nicht.“

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FOTO: LEA PISCHEL/DPA Jürgen Gosch sitzt vor seinem Restaurant am Lister Hafen auf Sylt. Trotz seiner jetzt 80 Jahre ist der Promi-Gastronom umtriebig wie einst.
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ARCHIVFOTO: DPA Ein Fischbrötc­hen Marke Gosch, genossen von Jürgen Gosch in den späten 1990er-Jahren.

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