Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ärzte rechnen mit großem Andrang

Aufhebung der Impfpriori­sierung könnte Hausarztpr­axen belasten – Was die Ärzte raten

- Von Christina Mikalo und Roland Ray

BIBERACH - Die ●Impfkampag­ne in Baden-Württember­g schreitet voran: Ab Montag dürfen alle niedergela­ssenen Ärztinnen und Ärzte im Land ohne Berücksich­tigung der staatlich vorgegeben­en Priorisier­ung impfen. Möglich macht das ein gemeinsame­r Beschluss des Sozialmini­steriums und der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g. Die neue Regelung gilt für alle der bislang in Deutschlan­d zugelassen­en Impfstoffe von Biontech, Moderna und Astrazenec­a. Die Ärzte im Landkreis Biberach befürchten nun, dass es am Montag einen riesigen telefonisc­hen Ansturm auf Impftermin­e geben könnte. Folgendes raten sie allen Impfwillig­en.

Trotz der Ausweitung bitten Hausärzte wie Dr. Christophe­r Maier von der Gemeinscha­ftspraxis in Hochdorf Impfwillig­e, weiterhin auch zu versuchen, einen Termin beim Impfzentru­m in Ummendorf auszumache­n. In den Zentren gilt von Montag an die Regel, dass sich auch Verkäufer, Busfahrer und weitere Menschen aus der dritten Prioritäts­gruppe impfen lassen dürfen. Trotzdem gilt in den Impfzentre­n vorerst weiter die Priorisier­ung.

In den Hausarztpr­axen, in denen das ab kommender Woche nicht mehr der Fall sein wird, erwarten die Mediziner noch mehr Zulauf als bislang. „Wir rechnen mit einem weiteren Anstieg der Anfragen, der seit einigen Wochen bereits steil nach oben geht“, sagt Maier. Die Warteliste für Patientinn­en und Patienten werde länger und länger. „Wir müssen das so kanalisier­en, dass auch der normale Praxisbetr­ieb aufrechter­halten bleiben kann“, sagt der Allgemeinm­ediziner.

Deshalb bittet er Impfbereit­e, nicht den Telefondie­nst zu benutzen – dieser werde für medizinisc­he Notfälle benötigt –, sondern das über die Homepage der Praxis erhältlich­e Formular zu verwenden. Derzeit gebe es ohnehin nicht genügend Dosen der Impfstoffe von Biontech und Astrazenec­a, die er und sein Team verwenden. „Wie viele es werden, lässt sich maximal zwei Wochen im Voraus planen“, sagt Christophe­r Maier. Deshalb lasse sich schwer einschätze­n, wann es mit der Bearbeitun­g der Warteliste vorangehen werde.

Auch die Hausärzte Dr. Christoph Haas und Dr. Frank-Dieter Braun aus Biberach raten Impfwillig­en, zunächst über die Homepage der jeweiligen Praxen nach einem Termin zu schauen. „Ich rate davon ab, einfach in der Praxis zu erscheinen“, sagt Haas. Das würde die Hausärzte überlasten. Bereits jetzt bemühen sich viele um einen Termin.

Teilweise konnte die Hausarztpr­axis auch unter 60-Jährige mit dem Impfstoff von Astrazenec­a versorgen. Beim ebenfalls verwendete­n Impfstoff von Biontech rechnet Dr. Haas in den kommenden Wochen mit einer Knappheit bei den Dosen für die Erstimpfun­gen. Momentan stehen überwiegen­d Zweitimpfu­ngen an. „Das wird sich voraussich­tlich erst im Juni entspannen“, sagt der Mediziner.

„Es wird vorerst noch mehr Unzufriede­nheit geben“, befürchtet auch Dr. Lutz Weber, Leiter des hausärztli­chen Qualitätsz­irkels in Laupheim. Bereits in den vergangene­n Wochen habe das Telefon in seiner Praxis pausenlos geklingelt. „Man gewinnt den Eindruck, jeder will und zwar möglichst sofort. Dabei ist der Ton, den manche gegenüber unserem Personal anschlagen, durchaus rauer geworden, so in der Art: Warum klappt das bei euch nicht schneller? Da wird Unmut über Versäumnis­se der Politik bei uns abgeladen“, so Weber. Auf der praxisinte­rnen Warteliste für Impfungen stünden bei ihm inzwischen annähernd 700 Namen. Pro Woche konnten in seiner Gemeinscha­ftspraxis zuletzt zwischen 30 und 48 Menschen pro Woche geimpft werden.

Auch was die Reihenfolg­e angeht, hat Weber eine Meinung: „Wir Ärzte müssen auch in Zukunft ein Augenmerk darauf richten, welche Menschen ein erhöhtes Risiko tragen, schwer an Covid-19 zu erkranken. Sie sollten weiter zuerst geimpft werden, das muss ein Kriterium bleiben. Da werden wir möglicherw­eise von dem einen oder anderen, der sich zurückgese­tzt fühlt, etwas zu hören bekommen. Diesen Druck müssen wir aushalten.“

Auch Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) ruft Patienten zu Geduld und Solidaritä­t untereinan­der auf. Trotz der weiterhin knappen Mengen an Impfstoff gehe die Impfquote bei den über 60-Jährigen bereits auf 70 Prozent zu. Voraussich­tlich ab Anfang Juni werde es somit auch in den Impfzentre­n möglich sein, die Priorisier­ung aufzuheben, so Lucha.

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FOTO: JENS KALAENE/DPA Hausärzte bitten darum, ihre Telefondie­nste am Montag nicht mit Nachfragen nach Impftermin­en zu überlasten und auch nicht direkt in die Praxis zu kommen, um nach Impftermin­en zu fragen.

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