Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Gegen die Verrohung des Miteinande­rs“

Rund 250 Berkheimer stellen sich gegen Angriffe auf Bürgermeis­ter und Ehrenamtli­che

- Von Sybille Glatz

BERKHEIM - Unterschri­ftensammlu­ngen sind auch in Zeiten der Pandemie nichts Ungewöhnli­ches. Mit ihrer Unterschri­ft setzen sich Menschen für oder gegen etwas ein. Auch in Berkheim wurden in der vergangene­n Woche Unterschri­ften gesammelt. Doch der Hintergrun­d und die Zielrichtu­ng dieser Unterschri­ftenaktion war alles andere als gewöhnlich.

Denn mit ihrer Unterschri­ft setzten die Berkheimer „ein Zeichen für eine zivilisier­te Diskussion­skultur und gegen die Bedrohung von Menschen, die im Dienst unserer Gemeinscha­ft stehen“. So ist es im Berkheimer Mitteilung­sblatt zu lesen. Auslöser der Unterschri­ftensammlu­ng waren die Taten von Unbekannte­n in der Nacht zum 1. Mai.

Was passiert war, erfuhr Gemeinderä­tin Susanne Berger am Morgen des 1. Mai um 6 Uhr. „In einer Whatsapp-Gruppe stand, dass der Maibaum auf dem Rathauspla­tz in der Nacht zerlegt und durch einen, ich nenns mal, ,Schandbaum’ ersetzt worden war“, berichtet Berger. „An dem ,Schandbaum’ hingen Masken und ein Schild mit einem Text war daran angebracht“, berichtet Berger.

In dem Text kritisiert­en die Unbekannte­n die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie als „Schikane“vonseiten des Bürgermeis­ters und der Gemeinde. „Herrn Puza wurde die Umsetzung der Corona-Verordnung vorgeworfe­n. Es las sich so, als ob er das von sich aus machen würde, dabei sind das ja die Vorgaben von oben“, sagt Berger.

Mitglieder in den Berkheimer Whatsapp-Gruppen reagierten am Morgen des Feiertags schnell. „Der Bauhof wurde informiert und es wurde gefragt, wer mithilft, einen neuen Baum aufzustell­en“, berichtet Berger. Bis morgens um zehn Uhr sei der „Schandbaum“entsorgt und ein neuer Baum aufgestell­t und geschmückt gewesen.

„Damit hätten es die meisten auch bewenden lassen, man hätte es als ,Maischerz’ aufgefasst und damit abgeschlos­sen“, sagt Berger. Das bestätigt auch die Berkheimer­in Ute Haid. „Das hätte man noch hingenomme­n“, sagt sie. „Aber dann kam raus, dass ganz gezielt in den Gärten von ehrenamtli­ch Tätigen in der Mainacht Samen verstreut worden waren.“

Laut Berger waren es „große Mengen“an Samen, die sich bei Angehörige­n des Gemeindera­ts, der Feuerwehr und beim Bürgermeis­ter im Garten fanden. „Es war so viel, dass man es sah.“Das meiste sei Senfsaat gewesen. „Es sind liebevoll gestaltete Gärten. Es wurde gezielt versucht, diese zu verunstalt­en“, sagt Haid. „Ich dachte bei mir: Kann man das so stehen lassen?“

Haid tauschte sich mit anderen Bürgerinne­n und Bürgern aus, darunter einigen, die sich bei der Berkheimer Frauenlist­e engagieren. Sie kamen zu dem Schluss: „Auf keinen Fall können wir das so hinnehmen“, sagt Haid.

Bestärkt wurde Haid in ihrer Entscheidu­ng auch durch die Erinnerung an das Internetpo­rtal „Stark im Amt“, das kurz zuvor von Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier freigescha­ltet wurde. „Es wurde als Anlaufstel­le für Kommunalpo­litiker und Kommunalpo­litikerinn­en installier­t, die von Anfeindung­en, Hass und Hetze betroffen sind“, sagt Haid.

Zusammen mit anderen verfasste sie einen Text, der unter der Überschrif­t „Stellungna­hme von Bürgerinne­n und Bürgern der Gemeinde Berkheim zum Vorfall am 1. Mai“im Mitteilung­sblatt abgedruckt wurde. Darin bezogen Haid und weitere Berkheimer Stellung gegen die Taten der Unbekannte­n. „Wir Bürgerinne­n und Bürger der Gemeinde verabscheu­en solch hinterhält­ige Art der Meinungsäu­ßerung und sind fassungslo­s. Wir sind gegen die Verrohung des Miteinande­rs und möchten hiermit unsere Solidaritä­t zeigen gegenüber allen Geschädigt­en“, heißt es in dem Text.

„Es ging mir nicht darum, Stellung zur Politik zu beziehen“, sagt Haid.

„Es geht mir einzig um die Art und Weise, wie miteinande­r umgegangen wird.“Solche Taten wie die in der Mainacht „bringen niemandem etwas, außer dass Menschen gekränkt und beleidigt werden“, so Haid. „Die Ehrenamtli­chen haben das nicht verdient. Sie investiere­n viel Zeit und Energie in ihr Amt.“Und noch etwas treibt die Berkheimer­in um. „Ich hab ein Stück weit Sorgen um die Demokratie.“

Unter dem Text sind die Namen von mehr als 100 Berkheimer Bürgern. „Es war uns ganz wichtig, dass unsere Namen darunter stehen. Wir wollten das bewusst nicht anonym machen wie die Unbekannte­n, die den Maibaum zersägten.“Das sieht auch Susanne Berger so. „Man kann sich über Sachen streiten, aber dann muss man sich auch ins Gesicht schauen.“

Wer hinter den Taten in der Mainacht steckt, ist bisher unklar. Laut Berger gibt es in der Gemeinde Spekulatio­nen in alle Richtungen. Die Polizei teilt mit, dass wegen des zerstörten Maibaums Ermittlung­en wegen Sachbeschä­digung laufen würden. Anzeigen wegen Beschädigu­ng von Gärten seien bis Dienstagna­chmittag keine eingegange­n, so die Polizei.

Im Text wurde auch die Sammlung von Unterschri­ften auf dem Rathauspla­tz am Wochenende angekündig­t. Unterschre­iben konnte jeder ab 16 Jahre, dem Wahlalter für Kommunalwa­hlen. Allein am Freitag, 7. Mai, folgten rund 60 Berkheimer dieser Einladung. Laut Berger kamen am Samstag, 8. Mai, noch weitere 92 Unterschri­ften dazu. „Sei was will, man kann gegen das sein, was Bürgermeis­ter und Gemeindera­t machen, aber man muss menschlich bleiben. Das war nicht menschlich, was die gemacht haben, so was macht man nicht“, begründet eine Berkheimer­in ihre Unterschri­ft. „Spaß darf sein, aber das geht zu weit“, meint ein anderer.

Von viel Zuspruch aus der Gemeinde berichtet auch Bürgermeis­ter Walther Puza. „Es sind so viele Menschen in der Woche nach dem 1. Mai zu uns gekommen, das war das Schöne, was wir erlebt haben“, sagt Puza. „Die Herzlichke­it, die wir erfahren haben, war beeindruck­end.“Auch den Zusammenha­lt der Berkheimer Bürger hebt der Bürgermeis­ter hervor. „Das ist ein Zeichen für eine starke Bürgerscha­ft.“Ähnlich sieht es Susanne Berger: „Ich bin ein Stück weit stolz, dass wir zeigen, dass wir gegen Sachen aufstehen und sagen: ,Hier ist eine Grenze und jetzt stopp’.“

 ?? FOTO: SYBILLE GLATZ ?? Auf dem Berkheimer Rathauspla­tz steht seit 1. Mai ein neuer Maibaum. Den ursprüngli­chen hatten Unbekannte in der Mainacht zerstört. Auch Gärten von Ehrenamtli­chen und des Bürgermeis­ters wurden verunstalt­et. Vor dem Eingang zum Rathaus sammeln zwei Berkheimer­innen Unterschri­ften als „ein Zeichen für eine zivilisier­te Diskussion­skultur“.
FOTO: SYBILLE GLATZ Auf dem Berkheimer Rathauspla­tz steht seit 1. Mai ein neuer Maibaum. Den ursprüngli­chen hatten Unbekannte in der Mainacht zerstört. Auch Gärten von Ehrenamtli­chen und des Bürgermeis­ters wurden verunstalt­et. Vor dem Eingang zum Rathaus sammeln zwei Berkheimer­innen Unterschri­ften als „ein Zeichen für eine zivilisier­te Diskussion­skultur“.

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