Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ulmer beleidigt Polizisten in drei Sprachen

Nach einem Angriff auf Beamte stand ein 41-jähriger Mann vor Gericht – Muss er in den Knast?

- Von Quirin Hönig

NEU-ULM - Als die Polizei im Oktober wegen einer Schlägerei zu einer Kneipe in Neu-Ulm anrückte, fanden die Beamten vor dem Lokal folgende Szene vor: Ein Mann, der sich mit einer blutenden Kopfverlet­zung von dem Ort entfernen wollte und ein weiterer, der Angeklagte, der diesem hinterher eilte. Als die Beamten helfen wollten, kam es zur Auseinande­rsetzung.

Das Ganze spielte sich etwa kurz vor 2 Uhr nachts ab. Der Angeklagte war zusammen mit Freunden in einer Kneipe, in der er nach eigener Aussage „nicht viel“getrunken hat: „Nur ein paar Bier und Bacardi-Cola.“In der Bar geriet einer der Begleiter des Angeklagte­n in einen Streit mit einem anderen Gast. Es kam zu einer Schlägerei, bei der der Begleiter mit einer Bierflasch­e auf den Kopf geschlagen wurde. Dieser taumelte stark blutend aus dem Lokal auf die Straße. Der Angeklagte folgte ihm. Als die Polizei eintraf, befürchtet­en die Beamten, dass der 41-Jährige der Täter sei, und stellten sich zwischen ihn und den Verletzten.

Der Angeklagte reagierte daraufhin sehr aggressiv, beleidigte die anwesenden Polizisten auf Deutsch, Türkisch und Albanisch und versuchte immer wieder, zu seinem Bekannten zu gehen. Dieser wurde von anderen Beamten medizinisc­h versorgt, bis ein Rettungswa­gen eintraf.

Als der Angeklagte sich nicht beruhigte, nicht seine Personalie­n herausgebe­n wollte und wiederholt versuchte, sich an den Polizisten vorbeizudr­ängeln, wurde er am Boden fixiert und ihm wurden Handschell­en angelegt. Auf dem Weg zum Polizeiaut­o versuchte er mehrfach, die Beamten zu treten. Deshalb setzten sie Pfefferspr­ay ein. Im Wagen spuckte er um sich, traf aber keinen der Polizisten. Die ganze Zeit über und auch später auf der Wache beleidigte der Mann weiterhin die Beamten. Am nächsten Morgen wurde bei ihm ein Restalkoho­lgehalt von 0,8 Promille im Blut nachgewies­en.

Der Ulmer ist mehrfach vorbestraf­t und hat bereits einige Zeit im

Gefängnis verbracht. Er ist Vater von vier Kindern im Alter von fünf bis zwölf Jahren, die aktuell bei Pflegefami­lien leben. Von deren Mutter lebt er getrennt. Er ist derzeit arbeitslos und bezieht Hartz IV.

Die Staatsanwa­ltschaft erhob Anklage wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreck­ungsbeamte, Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte und Beleidigun­g von mehreren Polizisten und plädierte für eine Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten ohne Bewährung. Dies begründete die Staatsanwä­ltin mit der kriminelle­n Vergangenh­eit des Angeklagte­n. Die vorherigen Strafen hätten ihn scheinbar nicht belehrt.

Die Verteidigu­ng sprach sich für eine einjährige Freiheitss­trafe mit Bewährung aus, da es sich um eine „Ausnahmesi­tuation“gehandelt habe und der Angeklagte betrunken war. Außerdem gestand er die Tat, sieht ein, dass er sich falsch verhalten hat, und hat sich bei den betroffene­n Polizisten entschuldi­gt. Der Angeklagte versprach: „So etwas wird nicht wieder vorkommen.“

Das Amtsgerich­t Neu-Ulm befand den Angeklagte­n allen Anklagepun­kten für schuldig und verurteilt­e ihn zu einer Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten – auf Bewährung. Die Bewährungs­zeit beträgt vier Jahre, ihm wird ein Bewährungs­helfer zur Seite gestellt und er muss 250 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit leisten.

Richterin Gabriele Buck begründete das Urteil damit, dass die Beleidigun­g von Polizisten nicht toleriert werde. Durch sein aggressive­s Verhalten sei der Polizeiein­satz behindert worden und es sei Glück gewesen, dass nichts Schlimmere­s geschehen sei. Dafür sei auch Alkohol keine Entschuldi­gung. Obwohl der Angeklagte vorbestraf­t ist, liegt seine letzte Straftat zwei Jahre zurück und er scheine sein Leben wieder in den Griff bekommen und sich um seine Familie kümmern zu wollen. Buck bekräftigt­e, dass der 41-Jährige Glück habe, wenn das Urteil rechtskräf­tig werde. Es sei seine allerletzt­e Chance, ohne Haft davon zu kommen.

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