Schwäbische Zeitung (Biberach)

Alte Formate, neue Namen

Sadcom, Dramedy oder Medical – Filmbranch­e erfindet immer mehr Begriffe

- Von Gregor Tholl

BERLIN (dpa) - Es gibt immer mehr neue Fernseh- und Streaming-Formate. Das bedeutet auch immer mehr neue Genre-Begriffe, um sie zu sortieren. Doch kaum jemand weiß genau, was hinter einer Sadcom, Dramedy oder Anthologie steckt.

Tragikomöd­ie hieße es bei einem Film. Weil es aber eine Serie ist, gibt es nun ein anderes kreatives Wort, wie das sechsteili­ge Werk „MaPa“von Alex Lindh am besten zu bezeichnen sei. Die Miniserie startete vor einem Jahr beim Streaminga­ngebot Joyn+ und ist jetzt noch bis 16. Mai beim öffentlich-rechtliche­n Koproduzen­ten RBB (Rundfunk BerlinBran­denburg) in der ARD-Mediathek zu sehen. Die Serie beschreibt sich selbst als Sadcom, also sad (traurige) comedy – in Anlehnung an das Genre Sitcom, das ein Kofferwort aus „situation“und „comedy“ist, also Situations­komödie. Es fehlt aber das eingespiel­te Gelächter im Hintergrun­d, wie es das mal gab. Die Gags sind auch keine Brüller, sondern eher Absurdität­en, bei denen geschmunze­lt werden kann. Die Kunst der Macher besteht darin, die sich anbahnende­n Tränen mit einem Lacher zu stoppen.

„MaPa“mit Maximilian Mauff in der Hauptrolle dreht sich um die Nöte eines jungen alleinerzi­ehenden Vaters in Berlin, der sich nach dem plötzliche­n Tod seiner Freundin allein um Baby Lene kümmert. Als Mama und Papa zugleich muss Metin zwischen dem Windelnwec­hseln, zwischen Kitaplatzo­rganisiere­n und Arbeitenge­hen Zeit zum Trauern finden.

Das Wort Sadcom gibt es seit einigen Jahren, als Vorreiter gilt die amerikanis­che Serie „Louie“, als Höhepunkt gilt die britische Serie „Fleabag“von und mit Phoebe WallerBrid­ge.

In Fachkreise­n gilt das einprägsam­e Wort Sadcom als PR-Erfindung, aber es lasse sich durchaus gut anwenden auf Dramedy-Serien, die sich komisch mit Trauer auseinande­rsetzen, wie es Timo Gößler formuliert, der in Potsdam Dozent für Dramaturgi­e und Serielles Erzählen an der Filmuniver­sität Babelsberg Konrad Wolf ist. Dazu zählen kann man auch die Trauer-Serie „After Life“von und mit Ricky Gervais oder die deutsche Netflix-Serie „Das letzte Wort“mit Anke Engelke als Witwe und Trauerredn­erin.

Als Dramedy bezeichnen Experten wie Gößler Produktion­en, die ernste Inhalte mit Humor horizontal (also episodenüb­ergreifend) erzählen. Dabei kann es um Suchterkra­nkungen, Depression­en oder andere schwere Themen gehen. Beispiele sind „Feel Good“mit Mae Martin, „End of the Fucking World“mit Alex Lawther oder „The Mopes“mit Nora Tschirner.

Fürs deutsche Fernsehen reichten lange Zeit wenige Genrebegri­ffe aus. Etwa Samstagabe­ndshow, Quiz, Krimi, Familiense­rie, Soap, Mehrteiler oder Arzt- beziehungs­weise Krankenhau­sserie – man denke an „Die Schwarzwal­dklinik“, „Der Landarzt“, „Praxis Bülowbogen“, „Für alle Fälle Stefanie“, „Doctor’s Diary“. Internatio­nal würde man inzwischen Mediziner-Serien wie „Der Bergdoktor“, „In aller Freundscha­ft“oder auch „Charité“als Medical (oder Medical Drama) bezeichnen.

Wobei die „Charité“-Mehrteiler über verschiede­ne Jahrzehnte auch als Historiens­erie durchgehen könnten, was internatio­nal als Period Drama bezeichnet wird. Damit sind Filme oder Serien gemeint, die in einer bestimmten Zeit (also historisch­en

Periode) angesiedel­t sind, um über diese geschichtl­iche Epoche Allgemeing­ültigeres zu erzählen. Große Period-Erfolge sind internatio­nal zum Beispiel „Downton Abbey“, die Queen-Serie „The Crown“oder auch „Bridgerton“.

In den vergangene­n ungefähr 20 Jahren prägten Bewegtbild­macher auch Begriffe wie Castingsho­w, Reality-TV, Dokusoap, Factual Entertainm­ent, Scripted Reality oder Infotainme­nt. Die SWR-Show „Gottschalk feiert: Nochmal 18!“mit Thomas Gottschalk und Promigäste­n nennt sich gar Timetainme­nt.

Spätestens im Zeitalter der Streamingd­ienste sickern immer mehr differenzi­erende Begriffe in den allgemeine­n Sprachgebr­auch. Doch eine sogenannte Anthologie-Serie war schon „Alfred Hitchcock präsentier­t“in den 1950ern und 1960ern. Doch erst mit „Black Mirror“oder „Love, Death & Robots“lernten Millionen dieses Genre, bei dem jede Episode andere Figuren, Handlung und Besetzung hat, auch so zu benennen. Daneben gibt es auch Anthologie-Serien, bei denen Figuren,

Handlung und Besetzung von Staffel zu Staffel wechseln – etwa „Fargo“, „True Detective“, „American Crime“, „American Horror Story“.

Eine Mockumenta­ry (fiktionale Doku, die das Genre Dokumentar­film parodiert) waren schon deutsche Filme wie „Das Millionens­piel“(1970) oder die WDR-Sendung „Smog“(1973), doch erst seit ein paar Jahren wird das auch so chic englisch benannt. In Deutschlan­d gab es etwa „Schorsch Aigner – Der Mann, der Franz Beckenbaue­r war“mit Olli Dittrich, die Serie „Andere Eltern“bei TNT Comedy oder die ARD-Produktion „How to Tatort“über das neue Bremer „Tatort“-Team.

Das Genre Improvisat­ionscomedy erlebte nach früheren Sendungen wie „Schillerst­raße“, „Frei Schnauze“oder auch „Genial daneben“in diesem Jahr einen neuen Schub mit der deutschen Ausgabe des Ernstbleib-Formats „LOL – Last One Laughing“bei Amazon Prime Video. Noch im Jahr 2021 soll es eine zweite Staffel geben mit Michael „Bully“Herbig, Anke Engelke und weiteren Stars.

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FOTO: CAROLIN WEINKOPF/DPA Die Serie „Mapa“mit Maximilian Mauff als Metin Müller gilt als sogenannte Sadcom.

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