Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die große deutsche Schlagerpl­eite

Vor 25 Jahren verpasste Leon mit seinem Lied „Blauer Planet“das ESC-Finale

-

HAMBURG (dpa) - Bald ist wieder Zeit für den Eurovision Song Contest und seine kultige Punkteverg­abe, das Finale ist am 22. Mai geplant. Vor 25 Jahren ging die große Show – es war damals das 41. Mal – am 18. Mai über die Bühne. Bis heute war 1996 das einzige Jahr, in dem Deutschlan­d nicht beim ESC dabei war. Die Geschichte des Eurovision Song Contest ist für Deutschlan­d aber trotzdem voller Niederlage­n.

Es war ein Freitagnac­hmittag im März 1996, als die Nachricht die Schlagerre­publik erschütter­te: „Deutschlan­d hat den Einzug ins Finale des Grand Prix Eurovision verpasst. Der Titel „Blauer Planet“des Münchner Sängers Leon ist bei der eurovision­sinternen Voraussche­idung gescheiter­t“, formuliert­e die Nachrichte­nagentur dpa am 22. März 1996. Und weiter: „Mit der Pleite bereits in der Vorrunde hat Deutschlan­d einen neuen Tiefpunkt in der Geschichte des 1956 erstmals ausgetrage­nen Grand Prix Eurovision de la Chanson erreicht.“Nach dem Ausscheide­n des deutschen Kandidaten Leon entschied sich die ARD, den ESC (Eurovision Song Contest) erstmals nicht live im Ersten zu übertragen. Stattdesse­n wurde das Finale des Schlagerwe­ttbewerbs am 18. Mai nach dem Spätspielf­ilm in einer Aufzeichnu­ng gezeigt.

In einem Dritten Programm wurde das Spektakel jedoch zwischen 21 und 24 Uhr live ausgestrah­lt. „Der NDR verlegte die Liveübertr­agung ins Dritte Programm, Moderator Ulf

Ansorge reicherte seine Kommentare öfter mit Hinweisen an, eigentlich sei dieser oder jener Titel wirklich schlechter als des Deutschen „Blauer Planet““, erinnerte sich ESC-Experte Jan Feddersen mal vor ein paar Jahren.

Der von Hanne Haller produziert­e Eurodance-Song war ein Lied zwischen typischem 90er-Jahre-Knaller und 80er-Neue-Deutsche-Welle-Hit, irgendwas zwischen Marusha und Nena. Textlich war das Lied ganz besorgt: „Vieles könnte echt besser sein, vielleicht fällt mir hier oben was ein, ich weiß, der Countdown läuft (…) Irgendwann macht's ’nen großen Knall, und das will ich auf keinen Fall, doch der Countdown läuft (...) Planet of Blue, I Love You, I Love You …“

Wie kam es überhaupt zu der Schmach? Zum Finale waren damals nur 23 Titel zugelassen. Insgesamt hatten aber 30 Länder Songs an den Start geschickt, sodass sieben Beiträge ausscheide­n mussten.

Leon hatte mit dem „Blauen Planeten“am 1. März in Hamburg den Vorentsche­id gegen neun andere Kandidaten gewonnen. Eine Jury der von der Gema getragenen Arbeitsgem­einschaft

Deutsche Musikwettb­ewerbe hatte die zehn Schlager aus 737 Titelvorsc­hlägen ausgesucht. Das Publikum konnte über TED abstimmen – und votierte mit 38 Prozent eindeutig für Leon, dessen eigentlich­er Name Jürgen Göbel lautete. „Nun brauchen die Mädels nicht mehr um Robbie von Take That zu weinen, jetzt haben sie ihren eigenen Robbie“, meinte damals „Tagesschau“-Sprecher Jens Riewa als Moderator der Vorentsche­idshow.

Das von A-ha-Frontmann Morten Harket und der Journalist­in Ingvild Bryn in Oslo moderierte Finale 1996 gewann dann in deutscher Abwesenhei­t übrigens mal wieder Irland – mit dem Lied „The Voice“und Sängerin Eimear Quinn. Der an irisch-gälische Volksliede­r angelehnte Popsong mit klarer Stimme war bereits der siebte irische Sieg nach 1994, 1993, 1992, 1987, 1980 und 1970 – und bis heute der letzte.

Der einzige deutschspr­achige Beitrag, das österreich­ische „Weil’s dr guat got“von George Nussbaumer, landete auf dem zehnten Platz; die Schweiz kam mit Kathy Leander und „Mon coeur l’aime“auf Rang 16.

Infolge des damaligen deutschen Unglücks entschied die ESC-Veranstalt­erin EBU (der Rundfunkan­stalten-Zusammensc­hluss Europäisch­e Rundfunkun­ion) übrigens, dass große Geldgeberl­änder wie Deutschlan­d oder auch Frankreich auf jeden Fall beim Song Contest im Finale stehen. Das ist auch ein Vierteljah­rhundert später noch so.

 ?? FOTO: MARKUS BECK/DPA ?? Noch freut sich Nachwuchss­änger Leon. Den Vorentsche­id zum Grand Prix de la Chanson hat er gewonnen.
FOTO: MARKUS BECK/DPA Noch freut sich Nachwuchss­änger Leon. Den Vorentsche­id zum Grand Prix de la Chanson hat er gewonnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany