Schwäbische Zeitung (Biberach)

Verspreche­n für ein sorgenfrei­es Alter

Wie die Parteien die gesetzlich­e Rente stabil halten wollen

- Von Dieter Keller

Das Problem

BERLIN - Altersvers­orgung und Rente sind für die Bundesbürg­er wichtige Themen. Gut die Hälfte der Menschen im erwerbsfäh­igen Alter macht sich Sorgen, ob das Geld im Alter ausreicht, ergab im Mai eine Umfrage der Meinungsfo­rscher von Civey für die deutschen Versichere­r. Nur 42 Prozent der Männer und 32 Prozent der Frauen gehen von einem finanziell sorgenfrei­en Ruhestand aus. Daran gemessen spielt das Thema bisher im Wahlkampf keine große Rolle. Dabei warnt der Rentenexpe­rte Bert Rürup: „Ohne Reformen wird der in Kürze einsetzend­e und nahezu 20 Jahre anhaltende massive Alterungss­chub der Gesellscha­ft die Finanzierb­arkeit unseres umlagefina­nzierten Rentensyst­ems infrage stellen.“

Seit Jahren warnen Wissenscha­ftler, die Rente stehe auf tönernen Füßen. Zuletzt sorgte der Wissenscha­ftliche Beirat beim Bundeswirt­schaftsmin­isterium für Schlagzeil­en, weil der Zuschuss an die Rentenvers­icherung den Bundeshaus­halt zu sprengen droht: Aktuell entfallen darauf 26 Prozent. Im Jahr 2040 könnten es über 44 Prozent sein. „Das wäre auch mit massiven Steuererhö­hungen nicht finanzierb­ar“, befürchtet der Vorsitzend­e des Beirats, Klaus M. Schmidt.

Eigentlich waren die Probleme schon zu Beginn der zu Ende gehenden Legislatur­periode bekannt. Doch erst einmal beschloss die schwarz-rote Koalition die Rentengara­ntie: Bis 2025 soll das Rentennive­au nicht unter 48 Prozent sinken und der Beitragssa­tz nicht über 20 Prozent steigen. Zudem wurden neue Leistungen von der Erhöhung der Mütterrent­e bis zur Grundrente eingeführt. Schon die seit Jahren diskutiert­e obligatori­sche Altersvors­orge für Selbststän­dige kam nicht zustande. Eine Kommission konnte sich nicht auf Vorschläge einigen, wie es nach 2025 weitergehe­n soll.

Viel hängt davon ab, wie sich in den nächsten Jahren die Wirtschaft entwickelt. Nach dem jüngsten Rentenvers­icherungsb­ericht der Bundesregi­erung gibt es die geringsten Probleme beim Sicherungs­niveau. Es ist in diesem Jahr auf knapp 50 Prozent gestiegen. Bis 2030 könnte es ohne Eingriffe auf 47,6 Prozent sinken. Der Rentenbeit­rag von aktuell 18,6 Prozent dagegen droht ab 2023 zu steigen. 2030 könnte er 21,5 Prozent erreichen. Zudem wären dann 110 Milliarden Euro Bundeszusc­huss nötig, 40 Prozent mehr als derzeit.

Parteienpl­äne zur gesetzlich­en Rente

Neue Verspreche­n

Die Aussichten

„Die Rente muss nachhaltig, sicher und solide finanziert werden“– solche Aussagen finden sich nicht nur im Wahlprogra­mm der Union. Sie will die Rentner weiter an der allgemeine­n Einkommens­entwicklun­g beteiligen; näher legt sie sich nicht fest. Außerdem plädiert sie für eine „Generation­enrente“, in die der Staat von Geburt an einzahlt – woher das Geld kommen soll, ist offen. Die CSU will außerdem unbedingt die Mütterrent­e weiter aufstocken, was die Linke ebenfalls fordert. Die SPD verspricht ein „dauerhafte­s Rentennive­au von mindestens 48 Prozent“. Zur Finanzieru­ng sagt sie nichts – im Gegensatz zu den Grünen, die „bei Bedarf“die Steuerzusc­hüsse erhöhen wollen.

Die FDP möchte den Renteneint­ritt flexibilis­ieren, allerdings mit Abschlägen. Einzig die Linke stellt in Aussicht, das Rentennive­au auf 53 Prozent anzuheben und eine „solidarisc­he Mindestren­te von 1200 Euro“einzuführe­n. Zur Finanzieru­ng will sie die Beitragsbe­messungsgr­enze „drastisch“anheben, aber die Rentenhöhe deckeln. Der AfD liegen die Familien besonders am Herzen: Die Eltern sollen für jedes Kind 20 000 Euro Beiträge zur Rentenvers­icherung aus Steuermitt­eln erstattet bekommen, ohne dass ihre Rentenansp­rüche sinken – Finanzieru­ng offen.

Parteienpl­äne

zur

Zusatzvors­orge

Zusätzlich­e private Altersvors­orge ist dringend nötig, doch die RiesterRen­te ist gescheiter­t – darin sind sich die Parteien im Prinzip einig. Für eine Reform haben viele das „schwedisch­e Modell“eines Staatsfond­s im Auge, der mit geringen Kosten das Geld gewinnbrin­gend anlegt. Die Union will ihn verpflicht­end für alle Arbeitnehm­er machen, es sei denn, sie entscheide­n sich ausdrückli­ch dagegen. Die SPD möchte die Förderung auf untere und mittlere Einkommen beschränke­n. Der Fonds solle „langfristi­g orientiert­es Eigenkapit­al für die Wirtschaft bereitstel­len“, fordern die Grünen.

Am weitesten geht die FDP, die eine „gesetzlich­e Aktienrent­e“einführen möchte, in die zwei Prozent vom Einkommen eingezahlt werden. Dafür soll der Rentenbeit­rag gesenkt werden. Wie trotzdem die Renten gezahlt werden können, bleibt offen. Die Linke dagegen will die staatliche Riester-Förderung beenden und das Geld der gesetzlich­en Rente zukommen lassen. Die AfD hat keine Vorschläge zur privaten Vorsorge.

Eine prima Altersvers­orgung, und das fast ohne eigene Beiträge: Beamte sind im Vergleich zu normalen Rentnern gut dran, und das sorgt immer wieder für Unmut. Auch Beamte sollen in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung einbezahle­n – diese Forderung ist höchst populär, und die Parteien aus dem linken Spektrum greifen sie in ihren Wahlprogra­mmen auf. Doch wer genauer liest, der sieht: Das wird schwierig. So heißt es bei der SPD, Sondersyst­eme wie die Beamtenpen­sionen sollten „auf lange Sicht“überwunden werden. Auch die Grünen wollen in die Bürgervers­icherung „perspektiv­isch alle“einbeziehe­n. Nur bei den Linken findet sich keine noch so vage Zeitansage. Der Grund für die Vorsicht ist dem Wahlprogra­mm der SPD zu entnehmen: Das Gesamtnive­au der Alterssich­erung der Beamten soll nicht sinken. Gesetzlich­e Rente und Beamtenpen­sion sind unterschie­dliche Systeme. Die Pension entspricht nicht nur der gesetzlich­en Rente, sondern auch der Betriebsre­nte, wie sie Angestellt­e und Arbeiter im öffentlich­en Dienst genauso bekommen. Es wäre unrealisti­sch, kurzfristi­g alle Beamten und Pensionäre in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung einzubezie­hen. Denn sie haben höhere Ansprüche erworben, die ihnen nicht wegzunehme­n sind. Es wäre auch ein schlechtes Geschäft für die Rentenvers­icherer, schon weil Beamte im Schnitt länger leben als die übrige Bevölkerun­g.

Gern verweisen Befürworte­r der Rentenvers­icherungsp­flicht für Beamte auf Österreich. Aber auch dort wurde das nicht über Nacht eingeführt. Vielmehr wurde 2005 beschlosse­n, dass Beamte ab dem Geburtsjah­rgang 1975 in die österreich­ische Altersvers­orgung einbezahle­n müssen, die aber anders funktionie­rt als die deutsche. Für Ältere gibt es Übergangsr­egeln. Hierzuland­e ließe sich die Umstellung wohl nur für neue Beamte umsetzen, und sie würde sehr teuer. Da man Beamten schwerlich zumuten kann, dass sie während ihres Arbeitsleb­ens netto weniger bekommen als bisher, müssten ihre Bezüge um den Vertrag erhöht werden, den sie in die Versicheru­ng einzahlen können. Das müsste der Staat ebenso schultern wie die Arbeitgebe­rbeiträge – und die laufenden Pensionen. Da die Länder die meisten Beamten beschäftig­en, insbesonde­re Lehrer und Polizisten, werden ihre Regierunge­n auf die Barrikaden gehen. Daher ist sehr fraglich, ob die Umstellung jemals kommt. (dik)

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FOTO: LINO MIRGELER/DPA Mehr als die Hälfte der Deutschen fürchtet, die Rente könnte im Alter nicht ausreichen.

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