Schwäbische Zeitung (Biberach)

Hausärzte beklagen politische­n Druck auf Impfkommis­sion

Mediziner befürchten Autoritäts­verlust des Experten-Gremiums – Millionen Dosen drohen zu verfallen

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BERLIN (dpa/epd) - Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hat die Corona-Impfempfeh­lung der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) für Kinder ab zwölf Jahren als gutes Zeichen begrüßt. Nun könne die Impfung gezielt angeboten werden, etwa an Schulen, sagte Spahn am Dienstag. Die Ärzte in Deutschlan­d warfen indes der Politik vor, unzulässig Druck auf die Stiko ausgeübt zu haben – und warnen: Es drohten millionenf­ach Corona-Impfstoff zu verfallen.

Spahn sagte zur Empfehlung der Stiko: „Jeder über zwölf, für jede Altersgrup­pe bis 100, kann sich morgen am Tag impfen lassen, wenn er noch nicht geimpft ist. Der Impfstoff ist da, die Empfehlung ist da, jeder kann jetzt sich und andere schützen.“Wichtig sei, dass die Impfung immer freiwillig sei, die Präsenz im Schulunter­richt dürfe nicht davon abhängen. Der Bundesvors­itzende des Hausärztev­erbands Weigeldt kritisiert­e, die Politik habe Druck auf die Stiko ausgeübt. „Wir haben immer betont, dass die Wissenscha­ft entscheide­t, wann ausreichen­de Erkenntnis­se vorliegen, um Jugendlich­en ein Impfangebo­t zu machen. Dazu hätte es keines Drängens von Politiksei­te aus bedurft.“

Die Stiko hatte sich für allgemeine Corona-Impfungen für alle Kinder ab zwölf Jahren ausgesproc­hen. Nach sorgfältig­er Bewertung neuer Daten komme man nun zu der Einschätzu­ng, „dass nach gegenwärti­gem Wissenssta­nd die Vorteile der Impfung gegenüber dem Risiko von sehr seltenen Impfnebenw­irkungen überwiegen“, teilte das unabhängig­e Gremium am Montag mit. Davor hatte sie Corona-Impfungen von Kindern zwischen 12 und 17 Jahren nur bei höherem Risiko für schwere Corona-Verläufe etwa wegen Erkrankung­en wie Diabetes empfohlen.

Die Impfungen von gesunden Jugendlich­en waren laut Stiko aber auch schon mit ärztlicher Aufklärung als individuel­le Entscheidu­ng von Kindern und Eltern möglich. Die Gesundheit­sminister von Bund und Ländern hatten bereits Anfang August breitere Impfangebo­te für Kinder vereinbart – etwa in regionalen Impfzentre­n. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) sind 24,3 Prozent der 12bis 17-Jährigen mindestens einmal gegen Corona geimpft und 15,1 Prozent vollständi­g.

CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt nannte die Entscheidu­ng der Stiko überfällig. „Das lange Abwarten der Stiko hat leider unnötig Zeit gekostet“, sagte er. Wichtig sei jetzt die schnelle Zulassung eines Impfstoffe­s für Kinder unter zwölf Jahren, damit auch für sie ein wirksamer Schutz vor Infektion angeboten werden könne.

In Deutschlan­ds Arztpraxen lagern unterdesse­n laut Kassenärzt­licher Bundesvere­inigung 1,1 Millionen Dosen von Astrazenec­a und 0,4

Millionen von Johnson & Johnson. Diese Dosen drohten als Sondermüll entsorgt werden zu müssen. Zudem sind nach dem Bericht 1,7 Millionen Dosen von Biontech in den Praxen auf Lager. Hier sei eher zu erwarten, dass sie noch gebraucht würden. Das ARD-Politikmag­azin „Report Mainz“und der „Spiegel“berichtete­n zuerst darüber.

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FOTO: SCHWARZ/AFP Jens Spahn

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