Schwäbische Zeitung (Biberach)

Biden verteidigt Abzug der US-Truppen

Präsident räumt Fehleinsch­ätzung in Afghanista­n ein

- Von Frank Herrmann

,WASHINGTON - Angesichts der erschütter­nden Szenen am Flughafen von Kabul hat US-Präsident Joe Biden Fehler bei der Einschätzu­ng der Situation in Afghanista­n eingeräumt, zugleich aber seine Entscheidu­ng zum Rückzug verteidigt. Die aktuelle Lage beschert Biden die heikelste Krise seiner bisherigen Amtszeit.

Die Szenen, die sich in Kabul abspielten, zerrissen einem das Herz, sagte er am Montagnach­mittag (Ortszeit) im Weißen Haus, wo er sich in einer live übertragen­en Ansprache an seine Landsleute wandte. Der Abzug sei hart, er verlaufe chaotisch, er sei alles andere als perfekt. Die Fakten, mit denen man es derzeit vor Ort zu tun habe, schmerzten ihn zutiefst, gestand er ein. „Wir hatten die Risiken klar im Auge“, verteidigt er sich und seine Berater. „Wir waren auf jede Eventualit­ät vorbereite­t. Aber die Wahrheit ist, die Dinge haben sich schneller entwickelt, als wir es erwartet hatten.“

In schnörkell­oser Prosa wiederholt der Präsident die vernichten­den Urteile, die einige seiner Minister bereits zuvor über die gestürzte afghanisch­e Regierung und deren Armee gefällt hatten. Die politische Führung in Kabul habe aufgegeben und sei geflohen. Das Militär, mit milliarden­schwerer Hilfe von den Amerikaner­n unterstütz­t, sei in sich zusammenge­fallen, in einigen Fällen, ohne auch nur den Versuch zu unternehme­n, gegen die Taliban zu kämpfen, sagt er.

Während Republikan­er Biden ankreiden, durch Schuldzuwe­isungen dieser Art von eigenen Versäumnis­sen ablenken zu wollen, geht der in Bedrängnis Geratene hart ins Gericht mit dem afghanisch­en Ex-Präsidente­n Aschraf Ghani. Er habe Ghani ans Herz gelegt, im Dialog mit den Taliban nach einer Lösung zu suchen. Dies sei rundheraus abgelehnt worden. Wenn die Ereignisse der vergangene­n Woche etwas gezeigt hätten, dann dies: „Die Militärprä­senz der USA in Afghanista­n jetzt zu beenden war die richtige Entscheidu­ng“.

Er stehe in fester Überzeugun­g zu seinem Rückzugsbe­schluss, stellt Biden klar. Er habe die Fehler der Vergangenh­eit nicht wiederhole­n, USSoldaten nicht auf unbestimmt­e Zeit in den Bürgerkrie­g eines anderen Landes verwickeln wollen. „Amerikanis­che Truppen können und sollten nicht in einem Krieg kämpfen, den die afghanisch­en Streitkräf­te selber nicht zu führen bereit sind.“

Eine dauerhafte Militärprä­senz liege nicht im nationalen Interesse der Vereinigte­n Staaten. Was momentan in Afghanista­n geschehe, wäre zwangsläuf­ig auch dann geschehen, wenn man den Abzug um einige Jahre verschoben hätte, betonte Biden.

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