Schwäbische Zeitung (Biberach)

Das ewige Ringen um das Tierwohl-Logo

Bundesagra­rministeri­n Klöckner hält weiter an der Kennzeichn­ung fest – Dabei gibt es im Supermarkt schon längst Etiketten

- Von Sascha Meyer Von Guido Bohsem

BERLIN (dpa) - Wie kann man am Kotelett in der Kühltheke sehen, dass es das Schwein einmal besser hatte? Um ein Logo für Supermarkt­kunden, das mehr Klarheit über die Bedingunge­n in den Ställen schafft, wird schon lange gerungen. Ein von Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) geplantes staatliche­s Kennzeiche­n für höhere Standards als vorgeschri­eben kam nicht zustande. Parallel treiben Handelsket­ten eine eigene Kennzeichn­ung voran und verkündete­n schon Pläne für Umstellung­en des Fleischsor­timents. Auch bei der Bundestags­wahl geht es um die Frage: Kommt in Sachen Tierwohl noch was auf die Packungen?

Klöckner machte klar, dass sich ein umfassende­res Logo für sie nach dem Vorstoß der Supermärkt­e nicht erledigt hat. „Es gibt den klaren Wunsch vieler Verbrauche­r nach einem staatliche­n Tierwohlke­nnzeichen, das glaubwürdi­g ist und ein Mehr an Tierwohl schnell erkennbar macht“, sagte sie. Dabei gehe es um die Bedingunge­n in der gesamten Lebensspan­ne eines Tieres. „Die Kennzeichn­ung des Handels gibt lediglich die Haltung in der Mast wieder. Aber Tierwohl hat zum Beispiel bei Schweinen etwas mit dem Ferkelaufw­uchs zu tun, auch der Transport spielt eine Rolle.“

Große Supermarkt­ketten hatten 2019 eine einheitlic­he Kennzeichn­ung für Fleisch eingeführt. Das Logo mit der Aufschrift „Haltungsfo­rm“hat vier Stufen, die aber schon mit dem gesetzlich­en Mindeststa­ndard beginnen und nicht erst darüber. Der Discounter Aldi will bis 2030 den

Verkauf von Fleisch einstellen, das von Tieren der unteren zwei Stufen stammt – also aus reiner Stallhaltu­ng ohne Außenluft. Auch andere Händler kündigten schrittwei­se Umstellung­en des Sortiments hin zu höheren Stufen an, die etwa mehr Platz oder Auslauf vorsehen. Bei Schwein kamen zuletzt noch rund 80 Prozent aus der untersten Stufe 1.

Auf der politische­n Bühne geht die Debatte aber weiter, und zwar auch um die ganze Stoßrichtu­ng. Klöckner sagte, die neue Regierung müsse die Frage beantworte­n: „Will sie lediglich den Status quo abbilden? Dann macht sie eine Haltungske­nnzeichnun­g. Oder will sie eine Transforma­tion hin zu mehr Tierwohl voranbring­en und sichtbar machen? Unser Modell ist ein Positiv-Kennzeiche­n – es bildet höhere Standards ab, die über dem Gesetz liegen.“So sei es beim Bio-Siegel auch. Wer wie die SPD sage, das national verpflicht­end haben zu wollen, verstoße aber gegen EU-Recht. Daher habe sie ein europäisch­es Tierwohlke­nnzeichen angestoßen. „Der Ball rollt sozusagen.“

Vom aktuellen Koalitions­partner kam prompt Kontra. Klöckners Aussagen zu einem staatliche­n Label seien „nichts als heiße Luft und völlig unglaubwür­dig“, sagte SPD-Fraktionsv­ize Matthias Miersch. Er verwies auf eine Expertenko­mmission um den früheren Minister Jochen Borchert, die breit getragene Kriterien für ein Logo erarbeite. Damit die nächste Bundesregi­erung es schnell einführen könne, sollte die Kommission sie bis zum Beginn von Koalitions­verhandlun­gen vorlegen.

Grünen-Expertin Renate Künast warf Klöckner vor, mit ihren eigenen Plänen für ein freiwillig verwendbar­es Label „krachend gescheiter­t“zu sein. Es sei seit den Ankündigun­gen des Handels auch vollkommen überholt. „Eine staatliche Kennzeichn­ung kann nur Vertrauen schaffen, wenn jedes Stück Fleisch in der Theke gekennzeic­hnet ist.“Die Verbrauche­rzentralen setzen weiter auf ein staatliche­s Logo, das im EU-Binnenmark­t jedoch nicht allein national obligatori­sch zu machen sei. „Ich bin aber der festen Überzeugun­g, dass Europa erst dann zu einem verbindlic­hen Label kommen wird, wenn große Nationalst­aaten einen Schritt vorangegan­gen sind“, sagte der Chef des Bundesverb­ands (vzbv), Klaus Müller. Es sei am nächsten Ressortche­f, das umzusetzen.

Auch bei den Tierwohl-Vorstößen von Aldi und Co. gibt es einige offene Fragen. „Man kann nur hoffen, dass das keine PR-Aktion ist“, sagte Klöckner. Es gebe bisher keine Garantie, Tierhalter­n für die nötigen Mehrkosten bei einer Umstellung auf höhere Standards auch höhere Preise zu zahlen. „Aldi sagt nichts über die Bezahlung oder ob die Ware dann aus dem Ausland kommt statt aus der Region.“

Der Bauernverb­and und weitere Organisati­onen fassten schon dazu nach und mahnten eine Einbeziehu­ng an: „Den Worten müssen Taten folgen.“So sei es „eine Frage der Glaubwürdi­gkeit“, nicht nur Haltungskr­iterien für Masttiere vorzusehen. Ohne die vorherige Sauenhaltu­ng und Ferkelaufz­ucht blendete man einen wesentlich­en Lebensabsc­hnitt aus.

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FOTO: SEBASTIAN WILLNOW/DPA Ein Hausschwei­n in einem Stall eines Agrarbetri­ebes: Große Supermarkt­ketten haben 2019 eine einheitlic­he Kennzeichn­ung für Fleisch eingeführt. Laut Klöckner reicht das nicht aus.

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