Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die verschlamm­ten Bilder von Ahrweiler

Karlsruher Notfallver­bund zur Rettung von Kulturgüte­rn ist zum ersten Mal im Einsatz – Für manche Gemälde kommt jede Hilfe zu spät

- Von Susanne Kupke

KARLSRUHE (dpa) - Sie ist noch gut erkennbar, die junge Frau auf dem Gemälde. Immerhin. Doch ist das Bild noch zu retten? Wasser und Schlamm haben ihm arg zugesetzt. Überall sind Schimmelfl­ecken. Restaurato­rin Henrike Mall ist mehr als skeptisch. „Das Bildnis einer jungen Frau“von Pitt Kreuzberg stammt aus dem Stadtmuseu­m Ahrweiler. Es ist eines von mehr als 30 Bildern und 250 Zeichnunge­n, die in Karlsruhe Erste Hilfe bekommen. Und es ist zugleich der erste Einsatz des Karlsruher Notfallver­bunds zur Rettung von Kulturgüte­rn.

Für Mall, leitende Restaurato­rin beim Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe (ZKM), ist es ein Kampf gegen die Zeit. Als die Kunstwerke Anfang August im Außendepot des ZKM eintrafen, bot sich ihr ein verheerend­es Bild: verschlamm­te Bilder, zusammenge­klebte Blätter, verbeulte Rahmen und Schimmel, der sich unter Folien gebildet hatte. Teils triefte stinkendes Brackwasse­r aus den Transportb­oxen. Mit Schutzanzu­g, Handschuhe­n und

Maske gingen die Restaurato­ren sofort ans Werk, anfangs nur zu zweit. „Man hätte mehr Leute schon vom ersten Tag an brauchen können“, sagt Mall.

Nach dem Säubern geht es darum, Gemälde zu fixieren. Mit Kleie und Japanpapie­r wird die Malschicht geschützt, wo es noch geht. Was wäre, wenn man es lässt? „Dann fällt alles ab, es bröselt einfach“, sagt Mall. Schlamm und Farbe sind eine ungute Verbindung eingegange­n. Beides zu trennen, ist eine Herausford­erung für die Fachleute, erklärt die Restaurato­rin. Ölgemälde haben vergleichs­weise gute Chancen, wiederherg­estellt zu werden, viele Grafiken gehen noch, doch vor allem bei Aquarellen ist es schwierige­r.

Es gibt auch Bilder, bei denen das Hochwasser bereits ganze Arbeit geleistet hat; wo auf einem großen Gemälde mal ein Schäferhun­d war, ist keiner mehr. Inzwischen sind im ZKM-Depot auch Fachleute anderer Museen am Werk. „Es geht hier um Notsicheru­ng“, sagt Mall. Einige Bilder wurden schon transportf­ähig gemacht und zur endgültige­n Restaurier­ung geschickt.

2800 Sammlungso­bjekte hatte das Stadtmuseu­m Ahrweiler, berichtet Bettina Scheeder, Geschäftsf­ührerin des Museumsver­bandes RheinlandP­falz. Weil es 2013 Brandschut­zprobleme gab, war ein großer Teil in einer Tiefgarage eingelager­t.

Gleich nach der Flutkatast­rophe hat sie einen Notruf an alle Museen abgesetzt. Doch bis die Kulturgüte­r geborgen werden konnten, verstriche­n über zwei Wochen. „Erst mussten die Menschen gerettet werden.“Als dann die Kultur drankam, war es teils schon zu spät. „Man musste vor Ort 30 Prozent der Gemälde sofort vernichten“, so Scheeder.

Sie hofft dennoch, dass ein Großteil gerettet werden kann. Museen, Hochschule­n und freie Restaurato­ren haben Hilfe angeboten. Das ZKM gehörte zu den Ersten, die auf ihren Notruf reagierten.

Das ZKM gehört zum Karlsruher Notfallver­bund für Kulturgüte­r, dem inzwischen 15 Institutio­nen angehören. Ob Feuer, Wasser oder Stromausfa­ll – um sich im Notfall zu unterstütz­en und Ressourcen zu bündeln, sind in den letzten Jahren bundesweit solche Verbünde gegründet worden. Katastroph­en wie das Elbhochwas­ser 2002, der Brand der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar 2004 oder der Einsturz des Stadtarchi­vs Köln im Jahr 2009 waren der Auslöser. „Diese Schadenser­eignisse machten im Kulturbere­ich deutlich, dass es dort eigener Anstrengun­gen zur Notfallvor­sorge bedarf“, sagt Klaus Nippert, Wissenscha­ftlicher Leiter des Archivs am Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT).

Für die Karlsruher ist es der erste Einsatz. Arbeitslei­stungen dafür werden aus den regulären Ressourcen, Materialie­n und Budgets der beteiligte­n Institutio­nen beschafft, erläutert Nippert. Das KIT hat bis 2023 die Federführu­ng im Karlsruher Verbund.

Auch wenn unter den Kulturschä­tzen aus Ahrweiler kein Picasso und kein van Gogh ist: „Wir versuchen möglichst viel von der Stadtgesch­ichte zu retten“, sagt Scheeder. Angesichts der Zeugnisse, die schon verloren sind, blutet der Kunsthisto­rikerin das Herz. Sie hofft, dass das kulturelle Gedächtnis der Stadt erhalten bleibt – und auf weitere Hilfen.

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FOTO: ULI DECK/DPA Henrike Mall, Restaurato­rin beim Zentrum für Kunst und Medien (ZKM), zeigt in einem Depot das durch Hochwasser beschädigt­e Gemälde „Bildnis einer jungen Frau“von Pitt Kreuzberg.

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