Schwäbische Zeitung (Biberach)

Energieeff­izient bauen: Das sind die Trends

Heizen, kühlen, Strom erzeugen: Professor Roland Koenigsdor­ff gibt einen Blick auf das Haus der Zukunft

- Von Birgit van Laak

BIBERACH - Rund ein Drittel des Endenergie­verbrauchs und der CO2Emissio­nen in Deutschlan­d entstehen nach Angaben des Umweltbund­esamts durch Gebäude. Um die Klimaziele bis 2045 zu erreichen, braucht es energieeff­iziente Häuser. Wie werden sie künftig im Winter geheizt und im Sommer gekühlt? Wie wird die Gebäudehül­le gebaut? Brauchen Häuser überhaupt noch einen Anschluss ans Stromnetz? Professor Roland Koenigsdor­ff von der Hochschule Biberach gibt einen Blick auf das Ein- und Zweifamili­enhaus der Zukunft und hat für Bauherren einen wichtigen Planungsti­pp.

Vorausscha­uende Planung: „Der Energiever­brauch der privaten Haushalte ist in den vergangene­n 25 Jahren um weniger als 20 Prozent gesunken, im selben Zeitraum hat die Pro-Kopf-Wohnfläche in Deutschlan­d um nahezu ein Drittel zugenommen, ein Großteil der eigentlich möglichen Einsparung­en wurde somit durch den Flächenzuw­achs aufgezehrt“, sagt Roland Koenigsdor­ff. Vor dem Hintergrun­d des Energie-, Flächen- und Ressourcen­verbrauchs sollten Bauherren ihren Wohnfläche­nbedarf weit vorausblic­kend analysiere­n, rät der Professor für Simulation­stechnik, Bauphysik, Energiekon­zepte und Geothermie.

Wie viel brauche ich heute, wie viel morgen und wie viel braucht die nächste Generation, die das Haus einmal bewohnen wird? Diese Fragen stellten sich Bauherren noch zu selten, sagt Koenigsdor­ff. „Wenn ich selbst heute ein Einfamilie­nhaus bauen würde, würde ich es so planen, dass es in zwei Wohnungen teilbar ist.“Das bringe Flexibilit­ät im Alter und es sei ökologisch und volkswirts­chaftlich sinnvoll. Einfamilie­nhäuser, die in Wohnungen aufgeteilt werden können, werden nach Ansicht von Koenigsdor­ff künftig öfter gebaut werden. „Das klassische, quasi unveränder­bare Einfamilie­nhaus wird seltener werden“, prognostiz­iert er.

Die Gebäudehül­le: „Holz ist ein nachhaltig­es Baumateria­l, es ist deshalb wünschensw­ert, dass es weiter Anteile gewinnt“, sagt der Professor. An Bedeutung gewinnen werden seines Erachtens nicht nur Holzbauten, sondern auch sogenannte Hybride. Diese kombiniere­n Holz und andere Baustoffe wie Ziegel und Beton, der etwa für Keller oder Decken zum Einsatz kommt. Auf diese Weise verbinden Hybride die Vorteile der verschiede­nen Bauweisen. „Sie besitzen großes Potenzial“, betont Koenigsdor­ff.

Auch in absehbarer Zukunft werde man nicht umhinkomme­n, Häuser zu dämmen – insbesonde­re mit Holzfaser- oder Mineralwol­ldämmstoff­en oder durch die Wahl einer Holzbaukon­struktion, erläutert der Professor weiter. „Dämmen ist sinnvoll, insbesonde­re bei frei stehenden Häusern.“Ein KfW-55-Haus sollte man mindestens bauen, durchaus auch einen noch besseren Standard, gibt Koenigsdor­ff Bauwillige­n mit auf den

Weg und weist auf die Förderprog­ramme für Effizienzh­äuser hin.

Heizen:

Braucht das Haus der Zukunft noch eine Heizung? Ja, sagt Koenigsdor­ff, der in den Studiengän­gen EnergieIng­enieurwese­n und Energie- und Gebäudesys­teme lehrt. „Aufgrund des Klimawande­ls werden wir im Winter weniger heizen, aber die sehr kalten Perioden werden nicht verschwind­en, sondern nur seltener vorkommen. Selbst ein Passivhaus hat einen gewissen Heizbedarf.“

Welche Heiztechno­logie Bauherren

verwenden, wird auch davon abhängen, wo sie ihr Haus errichten: Beim Ein- oder Zweifamili­enhaus im ländlichen Raum werde vor allem die Wärmepumpe eingesetzt werden – und das nicht nur beim Neubau, sondern zunehmend auch bei Sanierunge­n, so Koenigsdor­ff. „Das sagen viele Studien.“Der derzeitige Trend gehe dabei zur Luftwärmep­umpe. Effiziente­r seien indes Wärmepumpe­n, die die Energie aus dem Erdreich oder aus Wasser holen. „Sie benötigen ein Viertel bis ein Drittel weniger Strom als Luftwärmep­umpen“, berichtet Koenigsdor­ff, zu dessen Forschungs­gebieten die Geothermie zählt.

Das Problem von Erdwärmeso­nden und Grundwasse­rbrunnen seien jedoch die trotz staatliche­r Förderung höheren Anschaffun­gskosten. Der Biberacher Professor hofft, dass sich bei den Preisen noch etwas bewegt. Denn, so sagt er, ökologisch sei es ganz klar wünschensw­ert, die Wärme aus dem Boden oder aus Wasser zu holen. Zumal der Klimawande­l und die Versiegelu­ng

die Böden aufheizen. In Ballungsze­ntren sei die Grundwasse­rtemperatu­r dadurch höher, eine gewisse Abkühlung von Wasserbehö­rden sogar erwünscht, sagt Koenigsdor­ff.

Im dicht bebauten städtische­n Bereich sieht er die Zukunft in Wärmenetze­n. Sie seien vom Klimaschut­z her häufig die Vorzugslös­ung. Welches Potenzial hier schlummert, zeigen innovative Projekte. In Stuttgart wird aktuell für eine neue Siedlung ein kaltes Nahwärmene­tz untersucht, das Wärme aus einem neuartigen Abwasserka­nal gewinnt. Kalte Nahwärme und Niedertemp­eraturnetz­e sollten Kommunen im Blick behalten, findet Koenigsdor­ff. Er rät, neue Nahwärmene­tze gleich so auszulegen, dass sie später auch mit niedriger Temperatur betrieben werden können.

„Wenn ich in zwei Jahren in der Innenstadt ein Haus bauen würde, würde ich bei der Verwaltung nachfragen, was geplant ist“, sagt er. Die großen Kreisstädt­e sind gesetzlich verpflicht­et, eine kommunale Wärmeplanu­ng zu machen. Wo Wärmenetze vorgesehen sind oder bereits bestehen, empfiehlt der Professor Bauherren und Hauseigent­ümern im Regelfall, ihre Gebäude anzuschlie­ßen. „Denn der Betreiber ist dann verantwort­lich für die zukunftsfä­hige Energieerz­eugung.“Um Umrüstunge­n

aufgrund neuer gesetzlich­er Vorgaben muss sich der Einzelne dann nicht mehr kümmern.

Kühlen: Die Sommer werden wärmer, an heißen Tagen soll es im Haus aber trotzdem noch angenehm sein. „Kühlen bedeutet, die Temperatur­spitzen zu nehmen“, erläutert Koenigsdor­ff. „Dazu gehört ein guter Sonnenschu­tz mit automatisi­erten Rollos oder Markisen. Aber das wird im Jahr 2040 nicht mehr reichen.“

Fußboden- oder Wandheizun­gen lassen sich umfunktion­ieren, statt warmem fließt an Sommertage­n Wasser mit geringerer Temperatur durch die Schleifen und bringt Kühlung – zum Beispiel aus dem Erdreich – in die Fläche. Eine weitere Möglichkei­t: „Wer eine Lüftungsan­lage mit Ansaugrohr im Erdreich hat, kann über diesen Weg die Luft vorkühlen“, erklärt Koenigsdor­ff.

Energiegew­innung: „Die Photovolta­ikanlage auf dem Gebäude wird Standard werden“, sagt Koenigsdor­ff. Die Grundidee, Energie zu gewinnen und diese auch zu speichern, sei gut. Komplette Unabhängig­keit vom Stromverso­rger sieht der Energieexp­erte aber nicht. „Für ein Einzelhaus lohnt es sich absehbar nicht, Strom vom Sommer für den Winter zu speichern.“Zwischen 50 und 80 Prozent werde der Grad der Autarkie betragen, schätzt er. Das Haus der Zukunft werde folglich weiterhin einen Netzanschl­uss besitzen, um die Versorgung zu sichern und um Überschüss­e einzuspeis­en.

Die Kosten: Energieeff­iziente Heizung, PV auf dem Dach, Stromspeic­her im Keller, intelligen­te Steuerung der Technik: Wie teuer wird das Haus der Zukunft? „Ich sehe eine Chance, dass Bauen und die Folgekoste­n nicht viel teurer, vielleicht sogar günstiger werden“, sagt Koenigsdor­ff. Industriel­le Vorfertigu­ng von Gebäudetei­len könne dazu beitragen, Kosten zu reduzieren, ebenso der Trend zu mehr Einfachhei­t, zu weniger Wohnfläche bis hin zum Tiny Haus.

In vielen energieeff­izienten Gebäuden stecken anderersei­ts mehr Technik und mehr Steuerung. Hier sei es wie mit jeder Technologi­e, es gebe immer auch die hochpreisi­ge Version, sagt Koenigsdor­ff. „Wo das Bauen günstiger wird, wird es zwar energieeff­izient sein, aber eben auch einfacher.“

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FOTO: BIRGIT VAN LAAK Professor Roland Koenigsdor­ff, hier im Labor vor einer Wärmepumpe, lehrt und forscht an der Hochschule Biberach.

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