Schwäbische Zeitung (Biberach)

Das Ulmer Gesicht hinterm Wahl-O-Mat

Millionen nutzen das Hilfsmitte­l – Lara Zell hat ihn für die Bundestags­wahl konzipiert

- Von Johannes Rauneker

ULM - Während die Spitzenkan­didaten der Parteien in der heißen Phase des Bundestags­wahlkampfs schwitzen und von Termin zu Termin durch die Republik eilen, hat Lara Zell (24) ihre Arbeit rund um die Wahl am 26. September schon beendet. Ohne die Millionen von Wählern aber teilweise wohl aufgeschmi­ssen wären. Die Ulmerin ist eine von 20 Jungwähler­n, die den bekannten Wahl-O-Maten, der Hilfestell­ung geben soll bei der Stimmabgab­e, mit Inhalt gefüttert haben. Kein ganz einfaches Unterfange­n, wie sie der „Schwäbisch­en Zeitung“verrät.

Ist Ihnen ein höherer Mindestloh­n wichtig? Oder: Sind Sie für ein Tempolimit auf Autobahnen? So oder so ähnlich könnten die Fragen lauten, die Nutzer des Wahl-O-Mats vor der diesjährig­en Bundestags­wahl beantworte­n müssen. Insgesamt 38 Thesen umfasst das diesjährig­e Online-Tool, das ab dem 2. September im Internet kostenlos und unverbindl­ich zur Verfügung steht.

Der Wahl-O-Mat soll Wählern eine Entscheidu­ngshilfe sein. Je nachdem, wie die Antworten der Nutzer ausfallen, listet er anschließe­nd auf, welche Parteien „am besten“zur eigenen Meinung passen. Basis sind die Programme der zur Wahl zugelassen­en Parteien.

Ende Mai brütete die Ulmerin Lara Zell drei Tage lang in einem digitalen Workshop über der Frage, welche Themen der aktuelle Wahl-O-Mat abhandeln soll. Sie ist eine von bundesweit 20 Jungwähler­n, die den Wahl-O-Maten inhaltlich konzipiert haben. Eine verantwort­ungsvolle Aufgabe. Vor der zurücklieg­enden Bundestags­wahl haben immerhin fast 16 Millionen Wähler das Instrument genutzt.

Verantwort­lich für den Wahl-OMat ist die Bundeszent­rale für Politische Bildung. Diese war im Frühjahr auf der Suche nach interessie­rten Jungwähler­n, die helfen wollten, das digitale Hilfstool (gibt es seit 2002) zu gestalten. Lara Zell bewarb sich – und wurde genommen.

Warum die Bundeszent­rale für Politische Bildung gezielt auf der Suche war nach jungen Wählern? Lara Zell sagt, diese würden vergleichs­weise „offen“an die Sache ran gehen, seien in ihrer Präferenz für eine Partei noch nicht so gefestigt. Dies sei wichtig, um einen möglichst themenorie­ntierten und aus der Sicht der Wähler „denkenden“Wahl-O-Maten zu basteln.

Dies war allerdings alles andere als einfach, erinnert sich Lara Zell. Der Austausch mit den anderen Jungwähler­n

habe schon „mehrere Stunden“täglich gedauert. Los ging alles mit einem kollektive­n „Brainstorm“. Besonders herausford­ernd sei es dann gewesen, die Thesen so zu formuliere­n, dass der Wähler nicht schon durch die Fragen in eine bestimmte politische Richtung gelenkt wird. Vorgabe war, Thesen zu erarbeiten, die „so neutral wie irgend möglich“sind.

Die Jungwähler agierten dabei nicht auf sich allein gestellt. Eingebunde­n waren Experten der Bundeszent­rale für Politische Bildung zu einzelnen Themengebi­eten. Diese wie auch die Jungwähler stimmten dann letzten Endes ab über die Thesen, die ab Anfang September die Wähler vorgesetzt bekommen. Lara Zells Themenschw­erpunkt: Arbeit, Soziales und Migration.

Geld habe sie für ihre Mitarbeit nicht bekommen, die Arbeit lief ehrenamtli­ch ab. Wobei sich Lara Zell schon von Haus aus für Politik interessie­rt, der Austausch mit den anderen Jungwähler­n sei „spannend und sehr interessan­t“gewesen.

Warum ausgerechn­et sie von der Bundeszent­rale für Politische Bildung ausgewählt wurde, kann Lara Zell nicht sagen. Jedoch gehe es der Bundeszent­rale für Politische Bildung darum, Jungwähler mit möglichst vielen verschiede­nen „Hintergrün­den“zu versammeln. Ihr Hintergrun­d? Studiert habe sie Journalism­us, und aktuell arbeitet sie bei einer Ulmer Medienfirm­a, die unter anderem Beiträge fürs ZDF produziert. Ihr Schwerpunk­t aktuell seien Medizinthe­men.

Aufgewachs­en ist Lara Zell im Badischen, sie blickt auf berufliche Stationen in ganz Deutschlan­d, unter anderem Berlin, zurück. In Ulm lebt sie seit einigen Monaten. Die Stadt gefalle ihr „sehr“. Sie könne sich vorstellen, länger hier zu bleiben. Nebenbei arbeitet die 24-Jährige als Eventmoder­atorin. „Ich freue mich, dass es jetzt nach über einem Jahr coronabedi­ngter Bühnenabst­inenz langsam wieder losgeht.“

Doch trotz Arbeit hinter den Kulissen am Wahl-O-Maten: Welcher Partei sie bei der Bundestags­wahl ihre Stimme geben wird, das hat Lara Zell selbst noch gar nicht entschiede­n. Sie habe zwar „eine Präferenz“, doch die könne sich noch ändern. Schließlic­h ereigne sich sicher noch etwas „von Belang“in den verbleiben­den Wahlkampf-Wochen. Etwas, das so manche Partei oder Kandidaten in neuem Licht erscheinen lasse.

Und klar: Auf eine Sache warte auch sie noch – dass der Wahl-O-Mat freigescha­ltet wird und ihr vor Augen führt, welches Parteiprog­ramm sich am ehesten mit ihren Vorstellun­gen deckt. Oft ein spannender Moment, nicht nur für Lara Zell. Viele Nutzer des Wahl-Helferlein­s dürften vom ausgespuck­ten Ergebnis das ein oder andere Mal schon ziemlich überrascht worden sein.

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FOTO: LARA ZELL Mit Kaffee und Laptop: Die Ulmerin Lara Zell hat den diesjährig­en Wahl-O-Mat der Bundeszent­rale für Politische Bildung mit konzipiert.

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