Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein Blumenstra­uß vom „lieben Wladimir“

Kanzlerin Merkel ist noch einmal zu Besuch bei Putin und fordert Freilassun­g Nawalnys

- Von Ulf Mauder, Christian Thiele und Jörg Blank

MOSKAU (dpa) - Kremlchef Putin schenkt Angela Merkel zum Abschied Blumen in Weiß und Rosa. Doch die Bundeskanz­lerin ist nicht wegen freundlich­er Aufmerksam­keiten zum Ende ihrer Kanzlersch­aft noch einmal beim russischen Präsidente­n. Die beiden haben vielmehr eine Menge Probleme zu besprechen.

Schon bei der Begrüßung mit dem „lieben Wladimir“, wie Merkel den russischen Präsidente­n Putin auch nennt, kommt sie rasch zur Sache. Es gebe „tiefgreife­nde Differenze­n“, über die beide reden wollten. Aber trotz allem sollten Deutsche und Russen miteinande­r im Gespräch miteinande­r bleiben. Nur so könne es weitergehe­n, betont die Kanzlerin, die Putin seit 16 Jahren kennt. Sie spricht Russisch; er aus seiner Zeit als KGB-Geheimdien­stoffizier in Dresden fließend Deutsch. Sie verstehen einander. Und doch haben sie sich nie etwas geschenkt. Auch in den etwa drei Stunden am Freitag im Großen Kremlpalas­t in Moskau nicht.

Genau am ersten Jahrestag des Giftanschl­ags auf den Kremlgegne­r Alexej Nawalny mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok ist die Kanzlerin das erste Mal seit Langem wieder bei Putin. Sie habe „noch einmal die Freilassun­g von Alexej Nawalny gefordert und auch deutlich gemacht, dass wir hier an der Sache dranbleibe­n werden“. Putin kontert und behauptet, Nawalny sitze nicht wegen politische­r, sondern wegen kriminelle­r Handlungen in Haft.

Die beiden wissen, dass sie in diesem Punkt nicht zueinander­kommen. Bis heute lehnt Russland Ermittlung­en in dem Fall ab. Nawalny macht Putin selbst verantwort­lich für den Mordanschl­ag auf ihn. Die EU hat wegen des Giftanschl­ags auch Sanktionen gegen Russland verhängt.

Merkel kritisiert zudem das Arbeitsver­bot von drei deutschen Nichtregie­rungsorgan­isationen. Wenn diese aus der russischen Liste unerwünsch­ter Organisati­onen gestrichen würden, könne der Petersburg­er Dialog für die Zusammenar­beit der Zivilgesel­lschaften beider Länder wieder aufgenomme­n werden. Die deutsche Seite hat das Format eingefrore­n. Doch Russland bleibt hier seit Langem hart. Und auch Putin macht einmal mehr deutlich, dass er Einmischun­gen und Belehrunge­n von außen nicht duldet.

Trotzdem empfängt der Kremlchef die Kanzlerin, die zuvor am Grab des Unbekannte­n Soldaten mit einem Kranz an die Opfer des Zweiten Weltkriegs erinnert hat, im Großen Kremlpalas­t mit einem Blumenstra­uß. Es ist eine Geste auch zum Abschied von ihrer Kanzlersch­aft. Aber er weiß, dass Merkel nicht für Aufmerksam­keiten in Moskau ist. Es gibt reichlich Konfliktst­off, den beide besprechen.

Es geht auch um die Lage in Afghanista­n, die Putin als Beispiel für ein Versagen des Westens sieht, wenn es darum geht, anderen Staaten demokratis­che Werte beizubring­en. Die Kanzlerin bekräftigt dagegen, dass es dem Westen mit seinem Einsatz gelungen sei, die von Afghanista­n ausgehende akute Terrorgefa­hr zu bannen. „Aber sie ist nicht dauerhaft gebannt“, sagt sie in dem vor Gold nur so glänzenden Alexandrow­ski-Saal des Palasts. Und sie bittet um Unterstütz­ung bei der Rettung afghanisch­er Ortskräfte.

Putin wiederum ruft die Kanzlerin dazu auf, im Ukraine-Konflikt auf die Regierung in Kiew einzuwirke­n. Merkel reist an diesem Sonntag dorthin, um den ukrainisch­en Präsidente­n zu treffen. Zur Freude des russischen Präsidente­n bekennt sie sich zu dem Minsker Friedenspl­an zur Lösung des Konflikts im Osten der Ukraine. Dort sterben in den umkämpften Gebieten der Regionen Luhansk und Donezk trotz eines Waffenstil­lstands weiter Menschen. Merkel solle nun dabei helfen, dass die Ukraine die Vereinbaru­ngen von Minsk erfüllt, sagt Putin.

Der Präsident tut an diesem Freitag einiges, damit Merkel ihr womöglich letzter Besuch im Kreml in Erinnerung bleibt. Die Kanzlerin wird sich an Moskauer Empfänge mit deutlich weniger Prunk erinnern. Für russische Verhältnis­se sind die Gespräche im prunkvolle­n Kremlpalas­t ein sehr achtungsvo­ller Abschied – auch wenn nicht klar ist, ob sich die beiden wirklich zum letzten Mal getroffen haben. Das Wort „Abschiedsb­esuch“verbindet die 67-Jährige mit „vielleicht“.

In ihrer Amtszeit hätten sich „die politische­n Systeme von Deutschlan­d und Russland noch einmal weiter auseinande­r entwickelt, bilanziert Merkel und findet dennoch anerkennen­de Worte: „Aber ich bin sehr froh, dass es trotz auch großer Differenze­n immer gelungen ist, diesen Gesprächsk­anal offen zu halten.“

Auch Putin entlässt Merkel mit freundlich­en Worten: „Wir werden in Zukunft sehr froh sein, die Bundeskanz­lerin in Russland empfangen zu dürfen. Wir haben großen Respekt vor ihrer Leistung.“Merkel zähle „zu Recht zu den angesehens­ten Führungspe­rsonen in Europa und internatio­nal“. Beide seien zwar nicht immer einig gewesen, hätten aber „immer einen offenen und inhaltsrei­chen Dialog geführt“.

Anders als Merkel denkt Putin bisher nicht an einen Abschied aus dem Staatsamt. Nach mehr als 20 Jahren an der Macht kann er nach einer Verfassung­sänderung im vergangene­n Jahr im Fall seiner Wiederwahl 2024 und 2030 noch bis 2036 regieren.

gelten Reisesperr­en, zudem sollen ihre Konten eingefrore­n werden. Die US-Regierung verhängte neben Strafmaßna­hmen gegen sieben Mitarbeite­r des russischen Inlandsgeh­eimdienste­s auch Sanktionen gegen zwei weitere Personen und mehrere Einrichtun­gen. Aus dem US-Außenminis­terium hieß es, die Schritte signalisie­rten klar, dass es keine Straffreih­eit gebe für den Einsatz chemischer Waffen. (dpa)

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FOTO: UNCREDITED Russlands Präsident Wladimir Putin überreicht Bundeskanz­lerin Angela Merkel Blumen während ihres Treffens im Kreml. Das Wort „Abschiedsb­esuch“verbindet die 67-Jährige mit „vielleicht“.

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