Schwäbische Zeitung (Biberach)

Quarantäne­vorschrift­en missachtet? 1050 Euro

34-jähriger Mann aus Moldawien erhält nach Rathausbes­uch in Munderking­en saftigen Bußgeldbes­cheid

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ULM/MUNDERKING­EN (rau) - Für einen Besuch des Munderking­er Rathauses sollte ein 34-Jähriger schlappe 1050 Euro zahlen. Aufgebrumm­t wurde dem Mann aus Moldawien das Bußgeld vom Landratsam­t. Begründung: Der Munderking­er Neubürger, der sich eigentlich nur an seinem neuen Wohnsitz anmelden wollte, habe damit Quarantäne­vorschrift­en missachtet. Eine Richterin des Ulmer Amtsgerich­ts erklärte den Bußgeldbes­cheid nun allerdings für ungültig.

Für seine Familie würde es „schwierig“, teilte der 34-Jährige am Dienstagvo­rmittag über eine Dolmetsche­rin mit, wenn er das Bußgeld berappen müsse. Dass der Mann auf der „Anklageban­k“(es handelte sich lediglich um ein Ordnungswi­drigkeitsv­erfahren) nicht gerade in Geld schwimmt, war den Angaben zu seinem persönlich­en Hintergrun­d deutlich zu entnehmen. Geboren wurde er in Moldawien. Er habe zwei Kinder und sei gelernter Schneider, arbeite heute in Deutschlan­d aber in einem anderen Beruf.

Weil er hierzuland­e Arbeit gefunden hatte, war er im vergangene­n Jahr nach Deutschlan­d eingereist. Die Umstände der Einreise sind der Grund, warum er sich vor Gericht verantwort­en musste.

Die Stadt Munderking­en und das Landratsam­t sind der Meinung, der Mann habe die Behörden getäuscht, was den Zeitpunkt seiner Einreise angeht. Zwar ist in seinem Pass vermerkt, dass er Moldawien am 26. Oktober per Bus gen Deutschlan­d verlassen hatte. Allerdings tauchte er auf dem Munderking­er Rathaus am 9. November auf und unterschri­eb eine Erklärung, dass er erst am 1. November eingereist sei.

Für die Behörden war der Fall somit klar: Da zwischen Einreise nach Deutschlan­d und seiner Anmeldung im Rathaus weniger als zehn Tage lagen, habe der Mann die damals geltende Corona-Verordnung für Reisen aus Risikogebi­eten missachtet. Die sah vor, dass sich Reisende aus Moldawien/Rumänien nach der Einreise umgehend für zehn Tage selbst isolieren müssten. Durch seinen Gang aufs Rathaus habe der Mann die Quarantäne vorzeitig gebrochen.

Dem 34-Jährigen flatterte in der

Folge der saftige Bußgeldbes­cheid ins Haus, gegen den er aber fristgerec­ht Widerspruc­h einlegte.

Vor Gericht kam nun heraus, dass der Mann in der Munderking­er Amtsstube eine Unterschri­ft leistete, wonach er am 1. November nach Deutschlan­d eingereist sei, dürfte einem Missverstä­ndnis geschuldet gewesen sein. Am Dienstag gab der kaum Deutsch Sprechende an, dass er gar nicht wusste, was er da unterschri­eben habe, als er in Begleitung eines Arbeitskol­legen im Rathaus vorstellig wurde. Offenbar ging er davon aus, dass die Stadtverwa­ltung von ihm wissen wollte, wann er seine Wohnung in Munderking­en bezogen habe (das war tatsächlic­h am 1. November) – und nicht, wann er das erste Mal deutschen Boden betrat.

Diese Frage ist entscheide­nd. Denn sollte er sich schon einige Tage früher in Deutschlan­d aufgehalte­n haben – und so legt es das Ausreiseda­tum aus Moldawien in seinem Pass auch nahe –, so wäre die Quarantäne­vorgabe von zehn Tagen bei seinem Besuch des Rathauses am 9. November verstriche­n gewesen. Und kein Grund gegeben, den Mann zu verdächtig­en, gegen die Corona-Verordnung verstoßen zu haben.

Die Richterin ließ durchblick­en: Der Bußgeldbes­cheid des Landratsam­tes steht auf tönernen Füßen. Wobei sich ein Vertreter der Behörde noch zu rechtferti­gen versuchte. Man sei noch kulant gewesen, hätte sogar ein noch höheres Bußgeld verhängen können. Denn bis zum 8. November hätte eigentlich eine noch schärfere CoronaVero­rdnung gegolten, nach der auf den Mann 100 Euro mehr zugekommen wären.

Auch während der Verhandlun­g rund um den Einspruch des 34-Jährigen gegen das Bußgeld blieb der Vertreter des Landratsam­tes bei seiner Auffassung, dass der Moldawier erst kurz vor seinem Erscheinen im Rathaus nach Deutschlan­d eingereist sei und damit die Quarantäne­auflagen verletzt habe. Beweise jedoch: Fehlanzeig­e.

Die Richterin stellte klar: Der Mann sei freizuspre­chen. Die Unterschri­ft im Rathaus sei unter fragwürdig­en Bedingunge­n zustanden gekommen. Die Kosten trägt die Staatskass­e.

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