Schwäbische Zeitung (Biberach)

Das konfiszier­te Auto als Ritterschl­ag

Kontrollgr­uppe der Polizei Memmingen nimmt mal wieder die Tuner-Szene ins Visier

- Von Tobias Schuhwerk

MEMMINGEN - Seinen großen Auftritt hatte sich der junge Mann im Sportwagen garantiert anders vorgestell­t. Eigentlich wollte er mit seinem grau glänzenden Schmuckstü­ck samt markanten Felgen am Freitagabe­nd auf einem Parkplatz nahe eines Fastfood-Restaurant­s in Memmingen Eindruck schinden. Stattdesse­n muss er seinen geliebten Wagen vor den Augen weiterer Tuningfreu­nde nun auf die Rampe eines Abschleppw­agens fahren – und sich vorerst von ihm verabschie­den. Soeben haben Polizisten das getunte Auto sichergest­ellt.

„Was soll ich denn jetzt machen?“, sagt der 20-Jährige kleinlaut. „Ich brauch’ das Auto doch, um in die Arbeit zu fahren.“Das hätte er sich früher überlegen sollen, entgegnet Markus Thumfart, Leiter der neu gegründete­n Kontrollgr­uppe „Poser- und Tuningszen­e“im Polizeiprä­sidium Schwaben Süd/West. Das Urteil des 46-Jährigen lautet klipp und klar: „Das Auto ist nicht fahrtaugli­ch.“Um seinen Wagen tiefer als erlaubt zu legen, soll der junge Mann die Elektronik seines Gefährts mit einem im Kofferraum versteckte­n Gerät manipulier­t haben. Dadurch riskiert er nach Ansicht der Polizei, dass die Reifen am Radlauf schleifen und im Extremfall bei voller Fahrt platzen können. Der junge Mann sieht das freilich ganz anders: „Es gibt echt Schlimmere­s. Ich dreh’ doch nur ’ne Parkplatzr­unde“, sagt er verärgert, nachdem er anfangs noch jegliches unerlaubte Aufmotzen seines Autos abgestritt­en hat.

Solche Verstöße zu entdecken, ist der Job der achtköpfig­en Kontrollgr­uppe, die allgäuweit im Einsatz ist: Die Polizisten und Polizistin­nen sind spezialisi­ert darauf, selbst kleinste illegale Umbauten aufzuspüre­n. Etwa 20 getunte Autos hat die Kontrollgr­uppe seit ihrer Gründung vor sechs Wochen aus dem Verkehr gezogen und 50 Männer und Frauen angezeigt.

Dabei geht es ausdrückli­ch nicht darum, Personen zu kriminalis­ieren, die ihrem Hobby nachgehen und Anund Umbauten fachgerech­t und ordnungsge­mäß vornehmen, „sondern um die wenigen, die mit illegalem Tuning und durch gefährlich­e Fahrmanöve­r die Szene in Verruf bringen.“

Knallender Auspuff, ausgetausc­hte

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Telefon 0 75 64 / 911 57 Motoren oder Software, abgefahren­e Reifen, nachgerüst­ete Soundgener­atoren: Die Tricks der Tuner werden immer spezieller. „Wir müssen uns ständig auf den aktuellen Stand bringen. Dazu gehört auch, dass wir uns Youtube-Videos aus der Szene anschauen“, erzählt Thumfart, der sich selbst als „Schrauber“bezeichnet. Teils hat er Respekt vor den technische­n Fähigkeite­n der Leute aus der Tunerszene. Allerdings: „Wenn gegen Gesetze verstoßen wird, hört der Spaß auf.“Zu seinem Team gehört auch ein Kfz-Sachverstä­ndiger. Gemeinsam wird im Ernstfall entschiede­n, ob ein Wagen sichergest­ellt wird. Später prüft ein unabhängig­er Gutachter das Auto.

Wenn der zu einem anderen Ergebnis kommt als die Polizei, könnte das vor Gericht peinlich werden. „Genau deshalb sind wir besonders sorgfältig. Bislang lagen wir bei allen Sicherstel­lungen richtig“, betont Thumfart. Keine guten Nachrichte­n sind das für den jungen Memminger, dessen Auto gerade sichergest­ellt wurde. Eigentlich wollte er nur eine Runde mit seinem Sportwagen drehen und mit gleichgesi­nnten Tunern auf dem Parkplatz fachsimpel­n. Der Spaßausflu­g wird ihn wohl um die 2000 Euro kosten, schätzt Thumfart und rechnet unter anderem Bußgeld sowie Kosten für neue Reifen und Nachschulu­ng ein. Der 20-Jährige hat den Führersche­in auf Probe und fiel schon wegen zu hoher Geschwindi­gkeit auf.

Bevor sein Auto abtranspor­tiert wird, lässt er sich von einem anderen Tuner fotografie­ren. „Manchmal kann man es kaum glauben. Aber für manche ist es wie ein Ritterschl­ag, wenn wir ihr Auto mitnehmen“, erklärt Thumfart die Szene. Positiv hebt er hervor, dass die überwiegen­d jungen Männer so gut wie nie mit Alkohol oder Drogen unterwegs seien: „Die trinken lieber einen EnergyDrin­k.“Dann steigt er mit seinen Kollegen wieder in den Dienstwage­n und fährt in die Nacht. Auf der Suche nach dem nächsten Tuner-Hotspot. Bis in die Morgenstun­den sind die Polizisten und Polizistin­nen bei ihren Wochenende­insätzen in der Poser- und Tuner-Szene unterwegs. Die Arbeit geht ihnen nicht aus. „In der CoronaKris­e haben noch mehr junge Leute ihre Leidenscha­ft für getunte Autos entdeckt.“

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SYMBOLFOTO: UWE ANSPACH/DPA Auch in Memmingen gibt es eine lebhafte Autotuner-Szene. Die Polizei hat diese im Blick.

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