Schwäbische Zeitung (Biberach)
Zahlreiche Tote nach Anschlag in Kabul
Selbstmordattacken vor dem Flughafen – Bundeswehr beendet Luftbrücke
KABUL/BERLIN (dpa/AFP/sz) - Bei Sprengstoffanschlägen und einer Schießerei in der afghanischen Hauptstadt Kabul sind am Donnerstag zahlreiche Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt worden. Unter den Toten sind mindestens zwölf US-Soldaten, mindestens 15 weitere wurden verletzt, wie das USVerteidigungsministerium mitteilte. Zu den Opferzahlen insgesamt gab es bis zum späten Abend unterschiedliche Angaben. Die TV-Sender CNN und BBC berichteten von mehr als 60 Toten und über 140 Verletzten, sie beriefen sich auf einen Beamten des afghanischen Gesundheitsministeriums. Vertreter der Taliban gingen von bis zu 20 Toten und mehr als 50 Verletzten aus. Hinweise auf deutsche Opfer gab es zunächst nicht.
US-General Kenneth McKenzie berichtete am Abend von mindestens zwei Selbstmordattentätern, die sich in die Luft gesprengt hätten . Danach hätten Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) das Feuer auf Zivilisten und Soldaten eröffnet.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte die Bluttat als „absolut niederträchtig“. Die deutsche Luftwaffe flog unterdessen alle Bundeswehrsoldaten, Diplomaten und verbliebenen Polizisten aus dem Krisenstaat aus, wie Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nach dem Start der letzten deutschen Maschine sagte.
Die Sicherheitslage rund um den Flughafen hatte sich zuletzt noch einmal deutlich zugespitzt. Die Bundeswehr hatte bereits am Dienstag berichtet, dass zunehmend potenzielle Selbstmordattentäter der Terrororganisation „Islamischer Staat“(IS) in Kabul unterwegs seien. Ähnlich hatte sich US-Präsident Joe Biden geäußert. Die Terrormiliz sei auch ein „erklärter Feind“der Taliban. Seit deren Machtübernahme versuchen Tausende Menschen, aus Angst vor Repressionen ins Ausland zu fliehen. Seit mehr als einer Woche versammeln sie sich rund um verschiedene Eingänge des Flughafens, um auf einen Evakuierungsflug zu kommen. Dabei herrschten rund um den Flughafen dramatische Zustände.
Die USA wollen ihre Truppen bis zum 31. August abziehen. Einige internationale Partner hatten die USA zu einer Verlängerung des Einsatzes aufgefordert, um noch mehr Zeit für die Evakuierungen zu haben. Bundeswehr-Generalinspekteur Eberhard
Zorn sagte am Donnerstag, dass die Bundeswehr seit Beginn des Einsatzes am 16. August 5200 Menschen aus 45 Nationen ausgeflogen habe. Darunter seien 4200 Afghanen und 505 deutsche Staatsbürger.
Kramp-Karrenbauer und Merkel betonten, dass die Bundesregierung weiter versuche, Schutzbedürftigen die Ausreise zu ermöglichen. „Wir beenden die Luftbrücke mit dem heutigen Tag“, so Merkel. „Wir sind mit Hochdruck und Nachdruck dabei, eben Bedingungen mit den Taliban darüber auszuhandeln, wie weitere Ausreisen auch möglich sein werden.“
Angesichts der chaotischen Situation und angespannten Sicherheitslage
in Afghanistan lud UN-Generalsekretär António Guterres die Vetomächte zu einem Krisentreffen ein. Diplomatenkreisen zufolge sollen die Botschafter der USA, Chinas, Russlands, Großbritanniens und Frankreichs am Montag in New York mit dem UN-Chef zusammenkommen, um sich über die Lage auszutauschen.
In Deutschland drängen sechs Bundesländer den Bund zu einem Afghanistan-Gipfel, darunter BadenWürttemberg und Rheinland-Pfalz. Sie fordern Gespräche über mögliche Hilfen für gefährdete Menschen aus Afghanistan und ein Bundesprogramm für Gerettete.
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